By the Pricking of My Thumbs. Agatha Christie

„By the Pricking of My Thumbs“ von Agatha Christie ist ein guter Sommer-Krimi: Es geht um ein Haus an einem Kanal, das ein Künstler in einem Bild festgehalten hat. Das Bild wird erst verschenkt, dann vererbt und löst dadurch eine ganze Reihe von gefährlichen Geschehnissen aus.

Doch das schöne Haus ist nur ein Aspekt der Geschichte. Einen wichtigen Hinweis gibt der Titel: Dieser ist ein wörtliches Zitat aus Shakespeares „Macbeth“. Dort sprechen die drei Hexen ihren Zauberspruch, der Macbeth ins Verderben führen wird, während sie in einem Kessel rühren:

„Second Witch:
‚By the pricking of my thumbs,
Something wicked this way comes:
Open, locks,
Whoever knocks!‘

Enter Macbeth.“

Es geht um aktuelle Verbrechen in einem Altenheim und um Morde an Kindern, die weit in der Vergangenheit liegen.

Leseprobe: „At the moment there was only one occupant in the room. An old lady with white hair combed back of her face who was sitting in a chair, holding a glass of milk in her hand, and looking at it. (…) ‚Yes. I wondered -‚ she leaned forward and lowered her voice. ‚Excuse me, was it your poor child?'“

Geschrieben hat Agatha Christie diesem Krimi 1968  in dem entspannten, oft heiter-witzigen Stil – hin und wieder von kleinen Grusel-Momenten durchsetzt -, der für die Hauptfiguren Tommy und Tuppence vorbehalten ist. Der Krimi trägt in der deutschen Übersetzung den albernen Titel „Lauter reizende alte Damen“, wodurch die düsteren Aspekte gründlich verschleiert werden. Mehr zur Handlung hier.

Dieses Ehepaar löst im Lauf der Lebensgeschichte ihrer Autorin immer wieder Kriminalfälle. Einzigartig gelungen ist die Verknüpfung der Themenbereiche Ehepaare-werden-älter mit Leben und Sterben im Altersheim plus Mord und illegale Geschäfte.

[AC017.ByPrickingF.jpg]

Tommy und Tuppence erscheinen zwischen 1922 und 1973 in vier Romanen Christies und 14 Kurzgeschichten. Der Zeitraum deckt beinahe ihre gesamte Lebensgeschichten ab: Die Leser erleben sie von ganz jungen Leuten, die sich lieben lernen und heiraten, bis hin zu einem sehr alten Ehepaar, das versucht, mit den Restriktionen des Alters gut zurechtzukommen.

Weitere Romane von Christie, in denen Tommy und Tuppence die ermittelnden Detektive sind:

  • The Secret Adversary, 1922
  • Partners in Crime, ab 1929 (Kurzgeschichten)
  • N or M?, 1941
  • Postern of Fate, 1973

Weitere Empfehlungen von Louisa und Markus zu Krimis von Agatha Christie finden sich hier auf der Unterseite zu „Beste Bücher zu…“

The glimpses of the moon. Edmund Crispin

„The glimpses of the moon“ ist Edmund Crispins letzter Krimi, geschrieben 1977, nach mehr als 25 Jahren Pause, ein Jahr vor seinem frühen Tod.  Crispin ist einer der unbekannteren (daher unten im Bild-Hintergrund…) Krimi-Autoren, die wir an anderer Stelle unseres Blogs bereits empfohlen haben.

Die Stärken Crispins sind in diesem letzten Roman alle noch zu spüren, die Kreativität, der Witz, das Vergnügen an Sprache, das leicht Durchgeknallte, auch die Fähigkeit zu ungewöhnlichen Plots. Leider merkt man, dass Crispin gesundheitlich wegen Alkoholproblemen sehr schwer angeschlagen war. So gerät der Krimi an etlichen Stellen etwas aus den Fugen; Beschreibungen werden zu lang und verlieren den Bezug zum Plot; Verfolgungsjagd folgt auf Verfolgungsjagd; die Charaktere werden nicht mehr recht dreidimensional; durch die zahllosen erzählerischen Mäander geht die Spannung verloren; Personen werden nicht mehr eingeführt und tauchen später nicht mehr auf; die Zitate zu Beginn eines jeden Kapitels passen nicht mehr und sind auch für sich allein nicht prägnant genug.
Entschädigt wird man durch die Schildkröte, die in keinem seiner anderen Romane vorkommt und den Krimi einzig macht, was sie – siehe Foto – zu wissen scheint….

Nicht zuletzt: Alleine schon für das gelegentliche Glitzern seines Sprachwitzes ist es gut, dass es diesen Krimi noch gibt.

„‚Yes, well now, as I was saying, Fen is a Professor, and from Oxford. He’s staying down here for part of his sabbatical, to write a book. It’s to be about the modern novel. The post-war novel, that is. The post-war British novel. (…)‘
‚Burgess, Anthony,‘ Fen instanced helpfully. ‚Amis, Kingsley. Lessing, Doris, Howard, E.J., Drabble, Margaret… Brooke-Rose, Christine.‘
‚Hysteron proteron,‘ said the Major.
‚I don’t know Hysteron’s work,‘ said Padmore. ‚But the others, of course, are all very – are all very -‚“

Gelesen habe ich eine amerikanische Ausgabe von 1978. Eine deutsche Übersetzung ist antiquarisch für kleines Geld (weniger als DM 1,95) zu bekommen.

 

 

 

 

The Islander. Tomás O’Crohan

Wieder ein (recht) unbekannter Klassiker, der mir in einem Buchladen in der Nähe von Clonmacnoise in Irland in die Finger gekommen ist: „The Islander“ von Tomás O’Crohan.

In Deutschland ist dieses Buch am bekanntesten durch die Übersetzung, die die Irland-Liebhaber und -Bekanntmacher Annemarie und Heinrich Böll aus der englischen Übersetzung unter dem etwas weinerlich-süsslichen-rudi-schuricke-artigen Titel „Die Boote fahren nicht mehr aus“ erstellt haben.

Übersetzung einer Übersetzung? Das Original ist in irischer Sprache verfasst: An tOileánach, und der Autor schreibt sich eigentlich auch anders: Tomás Ó Criomhthain. Bis 2012 gab es auch nur eine englische Übersetzung aus den 1930er Jahren eines „bereinigten“ Textes, denn das vollständige Original galt als zu bodenständig und zu direkt.

Tomás O’Crohan lebte von 1855 bis 1937 auf Great Blasket Island an der Südwestküste Irlands als Bauer und Fischer, war verheiratet und hatte zehn Kinder, von denen die meisten früh starben.
Great-Blasket-Island-2012.JPG

Great Blasket Island ist seit 1953 unbewohnt, und hatte auch kaum mehr als 150 Bewohner in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dennoch stammen immerhin drei Schriftsteller von dort: Tomás O’Crohan, Maurice O’Sullivan und Peig Sayers.

Das Buch von O’Crohan beschreibt in einer Art von autobiographischer Materialsammlung sein Leben auf der Insel – ungeschminkt, mit einer sehr klaren und einfachen, im irischen Original durchaus auch poetischen Sprache. „Einfach“ heißt in diesem Zusammenhang ganz eindeutig nicht „platt“, sondern dreidimensional und reflektiert, ohne Hochglanz, ohne Fassadenblenderei, sehr selbstbewußt, sehr eigenständig, bei aller Ferne des Erzählten von einer sehr unmittelbaren Nähe und Greifbarkeit. Sein Stil wurde beschrieben als „vivid, absorbing and delightful, full of incident and balance, fine observation and good sense, elegance and restraint“. Oder von jemand anderem: „It is a voice without buckles, without posies, without flowers, without fancies. It is a voice that cuts through all the crap (…).“

Das Buch beschreibt widrige Umstände. Es zeigt Würde, Heiterkeit, Spaß am Erleben und Erzählen, Durchhaltevermögen, Zusammenhalt und Streit, nicht zuletzt auch den Wert von Bildung: „My mother was carrying the turf so that she could send me to school when I was eight years of age.“ Das Buch befasst sich mit der Existenz des Menschen an sich.

Am häufigsten zitiert ein Satz aus dem letzten Kapitel:
„I wrote in detail about a lot of all our goings-on so that there’d be some recollection somewhere about them, and I have tried to describe the character of the people who were around me so that there might be an account of them after we’re gone, because our likes will never be here again.“

Ein Beispiel für die bodenständige Poesie O’Crohans:
„(…) some of us had a passion for the seas and the ocean, imbued with the sound of the wind that blew in from the seashore, beating in our ears every morning, clearing our brains and the dust from our skulls.“

Gelesen habe ich die englische Übersetzung von Garry Bannister und David Sowby von 2012 – die ich sehr empfehle inklusive der Einleitung.

Thunderball. Ian Fleming

Die Sommermonate sind ja auch die Zeit für leichtere Lektüre in der Hängematte. Und welch passenderen anderen Ort für Hängematten und eine Krimihandlung gibt es als die Bahamas? Und welcher Krimi kommt dann in Frage: Letztlich nur „Thunderball“ vom fliegentragenden Ex-Spion Ian Fleming mit James Bond als Hauptakteur.

Hauptsächlich hat mich allerdings die Frage umgetrieben, ob das intellektuelle Niveau der Romane mit dem der James Bond-Verfilmungen mithalten kann. Die gute (oder schlechte?) Nachricht: Der Roman übertrifft das Niveau sogar! Überzeugten Bond-Film-Fans ist also vom Lesen der Romane doch eher abzuraten.

Zugleich ist eine intellektuelle Überforderung aber tatsächlich nicht zu befürchten. Das geht schon daraus hervor, dass das Times Literary Suppplement rezensierte: „Good living, sex and violent action (…) ingenious plot and plenty of excitement.“

Beeindruckend die klare Fokussierung auf eine eher traditionelle männliche Zielgruppe, die durch das Rollenvorbild James Bond, attraktive junge Frauen, viele technische Details und passende Handlung bei Laune gehalten wird. Beruhigend, dass nicht ganz so viele Menschen ums Leben kommen wie im Film. Erfreulich,  dass der Plot anders als im Film nicht ganz so vorhersehbar linear auf den finalen Katastrophen-Showdown zuläuft. Schön, dass es das erwartete romantische Happy End (wenn auch mit leichtem ironischen Unterton?) gibt:
„The girl watched the dark, rather cruel face for a moment. Then she gave a small sigh, pulled the pillow to the edge of the bed so that it was just above him, laid her head down so that she could see him whenever she wanted to, and closed her eyes.“

„Thunderball“ ist der achte James Bond-Roman von Ian Fleming, erschienen 1961. Unter diesem Titel wurde er auch mit Sean Connery verfilmt und mit einem Oscar ausgezeichnet.
Thunderball - UK cinema poster.jpg

 

Advanced Style. Ari Seth Cohen

Advanced Style von Ari Seth Cohen ist ein wunderbares Buch über modebewuße ältere Frauen. Es zeigt aufregende und ungewöhnliche Frauen in stilvollen oder schrägen oder bezaubernden Outfits. Es zeigt Frauen, die Freude daran haben, sich selbst in Szene zu setzen. Zumindest aber Interesse, sich gut zu kleiden.

Dies alleine wäre noch nicht ungewöhnlich. All die Frauen jedoch, deren Kleidung in diesem Buch vorgestellt wird, sind nicht mehr jung. Sie sind alt. Ihr Alter ist das verbindende Element, ansonsten sind die Frauen so unterschiedlich wie die Mode, die sie tragen. Gefunden und aufgnommen hat sie Ari Seth Cohen fast alle in New York.

„At 80 years old, Joyce has acquired a lifetime of style wisdom and insight. For her, elegance is of the utmost importance.“

image

Das Buch ist aufgebaut als ein Foto-Buch, das großformatige Bilder einsetzt. Zu einigen Frauen bietet es ein paar biografische Informationen. Bereichernd sind außerdem die eingestreuten Zitate der Frauen.

So sagt Linda: „When you are younger, you dress for other people. When you are older, you dress for yourself.“

image

Das Buch ist einfach ein Vergnügen. Es lässt sich schön darin blättern; Ideen und Anregungen kommen dabei ganz von selbst, auch wenn man selbst vielleicht noch nicht die 60 überschritten haben sollte. Es ist ein Buch für all diejenigen, die sich für Mode interessieren und ebenso für Menschen, die das Alter interessant finden.

image

Buchbeschreibung: Advanced Style is Ari Seth Cohen’s blog-based ode to the confidence, beauty, and fashion that can only be achieved through the experience of a life lived glamorously. It is a collection of street fashion unlike any seen before—focused on the over-60 set in the world’s most stylish locales. The (mostly) ladies of Advanced Style are enjoying their later years with grace and panache, marching to the beat of their own drummer. These timeless images and words of wisdom provide fashion inspiration for all ages and prove that age is nothing but a state of mind. Ari Seth Cohen started his blog inspired by his own grandmother’s unique personal style and his lifelong interest in the put-together fashion of vibrant seniors. Each of his subjects sparkles like a diamond after long years spent refining and perfecting their individual look and approach to life.“

Einen guten Eindruck und weitere Ideen bietet Ari Seth Cohens Website Advanced Style.