Jane Austen´s Journeys. Hazel Jones

Jane Austen (1775-1817) ist innerhalb Englands gereist. Die Eindrücke ihrer Reisen plus Hintergrund-Informationen aus einschlägigen Reisejournalen hat sie in ihren Romanen verarbeitet. Hierbei war sie derart präzise in den geografischen Details, dass Austen-Verehrer bis heute die dramatischsten Szenen der Romane auf der Landkarte zu finden versuchen.

Jane Austen's Journeys

Als unverheiratete Frau ohne eigenes Einkommen war Austens Bewegungsspielraum immer abhängig von anderen, die sie mitnehmen, abholen, absetzen, übergeben konnten. Oft waren dies die Brüder. Da diese ihre eignen Reisepläne regelmäßig mehrfach innerhalb eines Wochenendes veränderten, schrieb Jane Austen dann mehrfach – während eines Wochenendes – Briefe an ihre Freundinnen, um ihre Planungen samt neuen Absprachen zu aktualisieren.

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Das Buch von Hazel Jones erzählt von den verschiedenen Kutschenarten, Übernachtungsmöglichkeiten, Spazierwegen, beliebtesten Aussichtpunkten, gefährlichsten Fahrten. Am besten sind die Kapitel, in denen die Autorin zeigt, wie eng äußere Bewegung und innere Emotion der Figuren Austens zusammenhängen. Das Wichtigste passiert unter freiem Himmel. Egal ob die junge Heldin nach tiefer Selbstbefragung einen Entschluss fasst oder ihr ein junger Mann im Garten seine Liebe gesteht.

Das Buch liest sich schnell und flüssig, Anekdote über eine literarische Figur reiht sich an Anekdote aus einem zeitgenössischen Reistagebuch. Hierin genau liegt das Problem: Die Autorin beschreibt kleinteilig. Das eignet sich vielleicht für ein Nachschlagewerk. Sollte man wissen wollen, welchen sozialen Status der Barouche-Landau oder der Phaeton signalisierten, kann das sehr hilfreich sein.

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 Ich selbst hätte mir gewünscht, dass die eine oder andere Zusammenfassung auf abstrakterem Niveau erfolgt. Dass die Beschreibung von Jane Austens Reisen auch durch eine Analyse des zeitgenössischen Reisens, wenn schon nicht der damaligen Frauen-Reisen ergänzt worden wäre.

Übrigens, das stimmt nicht:

…und derart platt hatte Janes Austens spitze Zunge nie formuliert…

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Informationen zu Werk , Leben, Verfilmungen und Sekundärliteratur in deutscher Sprache bietet die Seite der Freunde Jane Austens.

London: Guide to the Architecture of London. Edward Jones, Christopher Woodward

Dieser „Guide to the Architecture of London“ ist einfach ein Muß für alle, die London lieben und natürlich Architektur.

Was macht diesen Guide to the Architecture of London von Edward Jones und Christopher Woodward aus?

  • Er läßt sich in einer größeren Damen-Handtasche tragen.
  • Er ist nach 16 inneren Gebieten und acht Außenbezirken aufgeteilt.
  • Jede Region wird zunächst zur Orientierung durch eine Landkarte vorgestellt.
  • Alle besprochenen Gebäude sind auch im Bild zu sehen.
  • Die Beschreibung der Architekturen ist beschränkt auf das Wesentliche (wirklich kurz und knapp).
  • Innerhalb der Kapitel zu den einzelnen Regionen ist die Ordnung chronologisch.

Dieser Architektur_Führer ist ein Muster an Klarheit, Ordnung und Systematik. Er ist praktisch und informativ.

Ganz egal, ob man sich auf ein bestimmtes Stadtgebiet Londons beschränken möchte, ob die persönliche Leidenschaft Georgianische Architektur ist oder die Häuser der 1970er Jahre: Dieses Buch schärft den Blick für die wunderbare Stadt London und leistet einen Beitrag dazu, sie noch schöner zu finden.

Ach, es enthält auch eine Einleitung für den Gebrauch, eine knappe Biografie der Stadt und ihrer Gebäude; es bietet ein Farbleitsystem, ein Register und noch viel mehr…

Guide To The Architecture Of London

Äthiopische Geschichten. Heliodor

Die „Äthiopischen Geschichten“ von Heliodor, zweifellos ein Werk der Weltliteratur, der vielleicht beste, zweifellos der längste antike griechische Roman, Bestseller im Byzantinischen Reich. Zu seinem Fanclub gehören: Shakespeare, Goethe, Verdi.

Und heute? Noch nie etwas davon gehört, oder?

Der vollständige Titel des Romans lautet „Äthiopische Geschichten oder: Die Erlebnisse von Theagenes und Charikleia“ (Αἰθιοπικὰ ἢ τὰ περὶ Θεαγένην καὶ Χαρίκλειαν). Geschrieben wurden sie von Heliodoros aus Emesa, dem heutigen Homs in Syrien, irgendwann im 3. oder 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung.

In diesem Liebesroman geht es um eine ausgesprochene verwickelte und ereignisreiche Geschichte, die ca. im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung spielt. Im Zentrum ein Liebespaar mit Namen Charikleia und Theagenes (wer diese beiden Personen sind, wird hier nicht verraten, denn sonst ist einiges der Spannung beim Lesen weg). Orte der Handlung sind Griechenland (Delphi, Athen), Ägypten und Äthiopien. Es gibt Entführungen, Räuber, ägyptische Priester, Intrigen, Überfälle, Orakel, Rettungen in letzter Minute – kurz: alles, was das Fortsetzungsroman-liebende Publikum liebt und braucht, inklusive Happy End, so dass man wieder ruhig schlafen kann. Und das nicht nachgemacht und pseudo, wie bei vielen der heutigen Historienschinken, sondern original-antik, von der Sprache bis zur Kleidung und den Einrichtungsgegenständen. Da sage noch einmal jemand, antike Texte seien langweilig.

Besonders beeindruckend ist der sehr sorgfältige und gekonnte Aufbau dieses Romans, der es versteht, durch Vor- und Rückblenden, eingeschobene Erzählungen, subtile Andeutungen zu faszinieren und zu fesseln. In den Worten eines klassischen Philologen und Spezialisten für antike Romane, B.P. Reardon: „(…) another of the Aithiopika’s greatest delights: its sheer convolution and intricacy. As connections emerge, seemingly of their own accord, over long spans of text, as plot and subplot slowly mesh together, as subsidiary narrators successively play with the partial knowledge  of their audience, we are invited to admire the virtuoso skills of the self-concealing author who has engineered the whole complex mechanism.“

Ebenfalls toll – wenn auch in einer Übersetzung leider nicht vollständig nachzuvollziehen – die Sprache Heliodors, ein exzellentes Griechisch voller Anspielungen auf Homer, Hesiod, Euripides… Wohlklingend und poetisch, schnelle Dialoge, eindrucksvolle Beschreibungen. Wunderbar konstruierte Sätze, für Laut-Leser eine Fülle des Wohlklangs. Vielleicht etwas manieriert, aber es ist ja auch ein Liebesroman!
Oder in den Worten des Humoristen S.J. Perelman, auf den ich an anderer Stelle aufmerksam wurde, auch wenn er diese Worte in einem komplett anderen Zusammenhang geschrieben hat: „Their adventures are recorded in some of the most stylish prose to flow out of an inkwell since Helen Hunt Jackson’s Ramona. The people of  (this) piece, beset by hostile aborigines, snakes, and blackwater fever, converse with almost unbearable elegance, rolling out their periods like Edmund Burke.“ Passt genau, nur das Schwarzwasser-Fieber kommt bei Heliodor nicht vor.

Verdis Aida gäbe es ohne Heliodor nicht, Goethe benannte seinen Zauberlehrling nach ihm, Shakespeare ist in vielen Szenen seiner Komödien von Heliodors Dramaturgie beeinflusst, der moderne Roman sähe ohne Heliodor sicherlich anders aus.

Bereits der Beginn des ersten Satzes des Romans ist in der Lage, die Leser zu fesseln:
„ἡμέρας ἄρτι διαγελώσης καὶ ἡλίου τὰς ἀκρωρείας καταυγάζοντος, ἄνδρες ἐν ὅπλοις λῃστρικοῖς ὄρους ὑπερκύψαντες (…).
„The smile of daybreak was just beginning to brighten the sky, the sunlight to catch the hilltops, when a group of men in brigand gear peered over the mountain (…).“ (Übersetzung von J.R. Morgan)

Und das Beste? Es gibt Heliodor für kleines Geld auch in deutschen Übersetzung! Mit lockendem Einband – und außerdem in klassisch-asketischer Aufmachung bei Reclam.