Die Gärten der Finzi-Contini. Giorgio Bassani

In Ferrara gibt es eine Grünanlage, die in der Innenstadt als gepflegter Park mit repräsentativer Villa beginnt, sich dann ausweitet, auf der einen Seite in einen großen jüdischen Friedhof übergeht und auf der anderen in ein Feld voller Kleingärten, Sandhaufen, alter Bäume und Unkraut. Dahinter kommen mehr oder weniger schöne Gärten, in denen alte Häuser stehen. Dies alles ist angeblich das Gebiet der früheren Gärten der Familie Finzi-Contini.

Blick in die Vergangenheit: „Die Gärten der Finzi-Contini“

„Die Gärten der Finzi-Contini“ ist ein melancholisches Buch. Es erzählt im Rückblick eine Geschichte, in der die Vergangenheit wertvoll ist, weil die Zukunft ungewiss ist. In der alte Gegenstände ihren Wert haben, weil nichts ihnen ihre Geschichte rauben kann, egal, was die Zukunft bringen wird: „Sie schwieg, fast ohne sich zu rühren. „Sieh dir dagegen das (verrottete) Paddelboot an (…) und bewundere bitte, mit wie großer Ehrlichkeit, Würde und welch moralischem Mut es aus dem Verlust jeglicher Funktion alle nötigen Konsequenzen gezogen hat. Auch die Dinge sterben, mein lieber Freund. Und wenn sie also sowieso sterben müssen, dann ist es besser, man lässt sie in Ruhe. Außerdem ist es auch besserer Stil, findest du nicht?““

Liebesgeschichte und Geschichte der Juden in Ferrara

Bassani entfaltet das Motiv einer verlorenen Jugendliebe in einer bestimmten historischen Situation: Sein Erzähler gehört zum jüdischen Bürgertum Ferraras, nach Bassanis Darstellung gutsituierter Mittelstand oder Großbürgertum. Sie hatten schon lange das Ghetto verlassen und pflegten ihre religiösen Bräuche fast wie eine Art Huldigung an die Tradition. Die Rassendiskriminierung kommt für die jüdische Bourgeoisie in Bassanis Roman deshalb überraschend. 1938 wurden alle Schulen für jüdische Schüler wie Lehrer gesperrt und ein Rassengesetz trat in Kraft, welches Juden vom gesamten öffentlichen Leben ausschloss und ihre Bürgerrechte einschränkte. Hier setzt „Die Gärten der Finzi-Contini“ an.

Il giardino dei Finzi Contini [IT Import]

Die Sprache

Bassani erzählt in einer unaufgeregten Sprache, fast lakonisch, aus der Perspektive des männlichen Ich-Erzählers. Dieser erzählt äußerliche Begebenheiten, schildert Dialoge und berichtet über seine Gefühle. Sich selbst bleibt er dabei auch im Rückblick ein Rätsel.

„Das war an einem Dienstag. Ich könnte nicht erklären, warum ich mich wenige Tage darauf, am Samstag der gleichen Woche, dazu entschloss, gerade das Gegenteil von dem zu tun, was mein Vater wünschte. Ich möchte die Möglichkeit ausschließen, dass dabei der übliche Widerspruch eine Rolle spielte, der einen Sohn mechanisch zum Ungehorsam veranlasst. Was plötzlich in mir die Lust erweckte, meinen Schläger und meine Tennissachen aus der Schublade hervorzuziehen, in der sie über ein Jahr gelegen hatten, war vielleicht nur der strahlend schöne Tag gewesen, diese leichte, zärtliche Luft eines ungewöhnlich sonnigen Nachmittags zu Beginn des Herbstes.“

Bildergebnis für Giorgio Bassani

Der Autor Giorgio Bassani

Giorgio Bassani ( 1916-2000) wuchs in einer liberalen jüdischen Arztfamilie in Ferrara auf. 1935 begann er ein Studium der Literaturwissenschaften in Bologna, das er trotz der italienischen Rassegesetze von 1938 mit einer Dissertation beenden konnte. Er wurde zum politischen Widerstandskämpfer. Nach einem Gefängnisaufenthalt verbracht er den größten Teil seines Lebens in Rom als Schriftsteller und Publizist.

Bellissima – Feminine Beauty and the Idea of Italy. Stephen Gundle

Die Schönheit italienischer Frauen: hier ist das Spektrum der Assoziationen weit. Von den leichtbekleideten Frauen im italienischen Fernsehen über Sophia Loren bis hin zu den Frauengesichtern des Quattrocentro. Was immer das Herz begehrt… Aber, schöne Frauen UND die Idee von Italien? Das ist ein ungewöhnlich interessanter Ansatz.

Stephen Gundle beschreibt in seinem Buch, wie das Ideal der schönen Italienerin im Lauf der Jahrhunderte für ganz unterschiedliche Zwecke derer genutzt wurde, die es propagierten: politische Einheit, Tradition, Wohlstand nach Kriegsjahren, Modernität, Marketing, Sex. Er skizziert sowohl die inner-italienischen Trends wie auch den Blick nordeuropäischer Reisender und des westlichen Filmpublikums der 50er und 60er Jahre.

Gesamtpaket: Schönes Italien, schöne Italienerinnen

Die Idee von speziell italienischer, weiblicher Schönheit hat nach seinen Ausführungen im wesentlichen eine integrative Funktion.  Im Zusammendenken von Italien, Kultur, Kunst und weiblicher Schönheit spendete letztere auch Trost in einer als unübersichtlicher und komplexer wahrgenommenen Welt: „One of the most striking features of Italian feminine beauty is continuity or (…) the semblance of continuity. A crucial part of the appeal of this cultural configuration lies in the fact that the beautiful Italian woman is considered to be timeless (…). From the time of the Grand Tour, northern Europeans looked to the peninsula and its women, hoping to find there a sense of the wholeness that they were convinced had disappeared from their own countries.“

Schönheitswettbewerbe als Praxistest für Ideale

Besonders interessant ist Gundles Ansatz, über die Veranstaltung, Verdammung und mediale Verwertung von Schönheitswettbewerben seit den 30er Jahren die widersprüchlichen Anforderungen an das Ideal der italienischen Schönheit innerhalb der Gesellschaft zu zeigen. Alleine das Bildmaterial hierzu ist faszinierend.

Verbüffend, doch ebenso interessant wie nachvollziehbar sind seine Ausführungen zur beliebtesten italienischen Porn-Queen, Moana Pozzi, die nach ihrem frühen Tod eine Art säkulare Heilige wurde…

Kapitel von „Bellissima“

  • Italy, the Land of Beauty
  • The Blonde Aura of Queen Margherita
  • The Rise of the Professional Beauty
  • Fascism and the Allure of the Female Image
  • Beauty and National Identity after the Second World War
  • Catholics, Communists and Beauty Contests
  • The Female Film Stars of the 1950s
  • Mass Consumption and Ideals of Beauty
  • Emancipation, Eroticism and Nostalgia
  • Beauty and Ethnicity in the Era of Globalisation
  • The Return of the „Bella Italiana“

Schönheitsideal und Kulturgeschichte

Good Reads zu „Bellissima“: Feminine beauty has been more associated with national cultural identity in Italy than in any other country. From the time of Dante and Petrarch, ideals of beauty have informed artists’ work. This intriguing and gloriously illustrated book investigates the many debates this topic has provoked in modern Italy.“

Der Autor thematisiert explizit das Ideal weiblicher, italienischer Schönheit als Wunschvorstellung von Männern. Auch sprachlich berücksichtigt er diesen Aspekt: konsequent formuliert er mit großer Sensibilität, dass sich der männliche Blick auf den weiblichen Körper richtet. Dort, wo Frauen selbst die Initiative zur Selbstdarstellung und Selbstreflexion nutzten, berücksichtigt er diese Belege. Erstaunlicherweise – oder auch eben nicht – entdeckte die katholische Kirche alleine sehr schnell, dass der unbekleidete weibliche Körper, der für Marketingzwecke eingesetzt wird, nicht unbedingt eine Wertschätzung von Frauen ausdrückt.

„Bellissima“ ist reichbebildert und verfügt über eine umfangreiche Bibliografie.