NEU: Jane Austen – die besten Bücher über sie

Neu in Buch-und-Sofa

Unter „Die besten Bücher…“, unserer Zusammenstellung von guten Büchern zu bestimmten Themen, gibt es nun auch Empfehlungen von Büchern über Jane Austen.

Jane Austen and Representations of Regency England

Hat Jane Austen nur romantische Liebesgeschichten geschrieben?

Hat sie nicht. Der Wert des Geldes, die Rolle von Krieg, die Wahlmöglichkeiten von Frauen und vieles andere mehr sind ebenfalls ihre Themen. Kluge und nachdenkliche Bücher zu ihrem Werk zeigen, wie komplex, professionell, humorvoll, wie boshaft die Autorin schreib.

War Jane Austen eine weltfremde Dame der höheren Gesellschaft?

War sie nicht. Das Image der zurückgezogenen, feinen, bescheidenen, religiösen und ganz in der weiblichen Rolle aufgehenden Frau war eines, an dem nach Austens Tod ihre Verwandten heftig gefeilt haben.

Weshalb heute noch Jane Austen lesen?

Aus formalen wie aus historischen Gründen. Und aus reinem Vergnügen. Ihre Texte sind von außerordentlicher Qualität, sie hat Erzähl-Methoden erfunden, die wir heute für selbstverständlich halten. Ihre Texte spiegeln eine interessante historische Phase. Jane Austen lesen macht Spaß.

Unsere Buch-Besprechungen zu Jane Austen gibt es hier…

Im Gehen. Ilse Helbich

Der kleine Gedicht-Band ist Ilse Helbichs erster und wird wohl ihr letzter bleiben.

Im Gehen: Gedichte

Die Autorin wurde 1923 in Wien geboren. Im Alter von 80 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Roman. „Im Gehen“ ist ein kleines Buch über das Fortgehen, über das Aus-dem-Leben-Gehen, ein paar Blicke über die Schulter sind kostbaren Erinnerungen gewidmet.

„Wenn ich jetzt in einem Schubkarren säße und

einer schöbe mich den dämmrigen Weg entlang.

Rollen und Rütteln

und Wiegen.

Blätter streicheln die Wange.

Ich möchte gerne wissen, wer

mich schweigend dahin fährt,

aber ich wende den Kopf nicht.

Er ist ja da.

Mein schwieriges Gehen.“

Die Gedichte wirken erstaunlich modern. Hin und wieder scheint ein Wort wie ein Stock in die Speichen geworfen zu sein: Es knirscht dann für mein Gefühl im Gedicht.

„Man kennt Ilse Helbich als kluge, unsentimentale Chronistin des hohen Lebensalters, als die Autorin präziser und gleichwohl poetischer Erinnerungen, unabhängig und unerschrocken das Leben dort dokumentierend, »wo sich ein Jenseits ins Dasein mogelt« (Susanne Mayer, Die Zeit). Sie hat aber auch, Mitte der 70er Jahre beginnend, immer wieder Gedichte geschrieben – aus denen sie nun erstmals eine Auswahl an die Öffentlichkeit bringt. Es sind »frühe Gedichte« (1975 bis Mitte der 80er Jahre) und solche, die in den letzten zwanzig Jahren entstanden sind und also ihr aktives Schriftstellerinnen-Leben begleitet haben“. (Quelle Dorschl Literaturverlag)

Vor einiger Zeit habe ich „Das Haus“ von Helbich gelesen und diesen autobiografisch gefärbten Text sehr genossen: klug, aber nicht altersweise.

„Es ist gesagt, was zu sagen war. Das Andere, das jetzt ist, entzieht sich den Worten.“ So endet „Im Gehen“.

Weitere Bücher zu Alter, Moder für nicht mehr junge Damen und über Sterben und Tod empfehlen wir bei Buch-und-Sofa in unserer Rubrik „Älter werden“.

Langenscheidt: Griechisch mit System. Athanasios Anastasiadis und Anastasia Kalpakidou

Eigentlich sollten die bei Langenscheidt doch wissen, wie man Sprachlehrbücher macht, oder? Damit sind sie groß geworden, dafür steht der Verlag, das ist ihre Kernkompetenz. Zumindest in diesem Griechisch-Lehrbuch machen sie es aber schwerer als nötig. Vielleicht weil Griechisch eine Randsprache ist, die sowieso kaum einer lernen will?

Was ist gut?
Alles in einem Band bis zum Niveau B1. Gut gesprochene CDs. Recht aktuelle Texte, erfreulich unverstaubt.

Und was nicht?
Erschreckend viel. Die Vokabeltabellen pro Lektion enthalten nicht alle Worte, die man in dieser Lektion lernen soll. Manchmal tauchen die Worte nicht in ihrer Grundform auf. Der Grammatik-Überblick im Anhang bietet nur Verbtabellen, aber nichts zu den Substantiven. Viel zu viel Stoff pro Lektion, auf jeden Fall ab der Mitte des Buchs. Unnötige Vorgriffe in frühen Lektionen – ohne Erläuterung – auf Inhalte, die viel später kommen. Zu kurze Erläuterungen oder auch mal gar keine. Und generell ist das Buch nur für Leute geschrieben, die ihren Zugang zu einer Sprache über die Grammatik mit ihren Fachbegriffen finden.

Ein paar Beispiele für den typischen Langenscheidt-Stil:
„Eine kleine Besonderheit sollten Sie sich hinsichtlich der Betonung merken: Ein mehrsilbiges Substantiv, das auf der drittletzten Silbe betont wird, erhält einen zweiten Akzent auf der letzten Silbe, wenn ihm ein Personalpronomen folgt.“

„Das Kennzeichen des Aoriststamms ist der s-Laut. Er wird an den Stammauslaut angefügt, so dass der Aoriststamm entweder auf [s] (σ), [ps] (ψ) oder [ks] (ξ) endet. In diesen Fällen sprechen wir vom sigmatischen Aoriststamm (s=Sigma).“

„Verwechseln Sie nicht das paratatische Futur (…) oder das aoristische Futur (…) mit dem Konditional (…)!“

Ich lerne gerne Sprachen und auch ziemlich viele. Mir fällt das eher leicht. Auch kann ich schon Alt-Griechisch. Wie sollen denn andere über die Hürden dieses Buchs kommen, wenn ich da schon zu kämpfen habe?

The country house library. Mark Purcell

Das richtige Buch zu Weihnachten. Ideal für den Sofatisch. So stabil, man kann auch Sachen darauf abstellen. So wie eine Bibliothek: Sieht gut aus, auf den Inhalt kommt’s nicht an. Das sieht Mark Purcell, der Autor dieses Buchs über die Geschichte der „country house library“ anders.

Purcell ist Experte: Bereits beim englischen National Trust war er für die zahlreichen Bibliotheken zuständig, die in dessen Besitz sind; aktuell ist er Deputy Director der Universitätsbibliothek in Cambridge. Mit etwas Glück kann man zu einem seiner Vorträge kommen.

Erstaunlich findet er, dass die Bücher fast nie eine Rolle spielten. Der National Trust fand Architektur, Möbel, Gemälde, Porzellan immer viel wichtiger. Häufig wurden die Bibliotheken in den National Trust-Häusern auch gar nicht gezeigt, die Bücher nicht katalogisiert und nur mäßig konserviert. Bestenfalls waren sie Staffage: Gemütlich, heimelig, schön fürs Wohnzimmer (mittlerweile gibt es ja auch Büchertapeten: praktisch für den Umzug).

Purcell schafft Abhilfe. Er bietet eine Geschichte der Bibliothek in Privathäusern wohlhabender Kreise in Großbritannien und Irland bis fast zur Gegenwart. Besonderen Fokus legt er dabei auf den Inhalt, auf die Bücher selbst – welche Bücher? wo gekauft? wie gebunden? von wem gelesen? wann weiterverkauft? wo gelandet?….
Eine überraschende Erkenntnis, die vielen Vorurteilen widerspricht: Die meisten Bücher in diesen Bibliotheken wurden tatsächlich und auch intensiv gelesen!
Käufe alter Bücher mit attraktiven Einbänden am laufenden Meter sind ein eher neues Phänomen.

Das Buch ist schön mit vielen gelungenen und relevanten Abbildungen. Es ist sehr informativ, da der Autor sich wie gesagt wirklich mit der Materie auskennt. Eine Schwäche hat es aber dennoch. Purcell ist eher ein Mensch des Details, von denen er viele geschickt aneinanderreihen kann (und noch viel mehr in der ausgezeichneten Bibliographie versteckt!). Entwicklungslinien, Muster, Einordnungen in den größeren kulturellen Kontext sind da nicht ganz so seine Stärke, oder er wollte es in diesem Buch nicht so zeigen. Ein kleiner Mangel in einem großen Buch.

Mehr über Bibliotheken und Bücher findet sich in diesem Blog auch hier.

Poor People. William T. Vollmann

Poor People ist ein Buch über die Armut in der Welt, welches arme Menschen und deren Leben in den Mittelpunkt stellt.

Poor People – eine Reise um die Welt

Vollmann reist zu Elendsvierteln der Welt nach Thailand, in den Jemen, in die USA, nach Kolumbien, nach Vietnam, Afghanistan, nach Russland, China und Japan… Er stellt den „armen“ Menschen, die er trifft, ein paar einfache Fragen:

  • „Sind Sie arm oder reich?“
  • „Warum sind manche Menschen arm, andere reich?“
  • „Wer ist Schuld daran?“

Die Antworten sind alles andere als einfach, die Begründungen ebenso wenig.  Einige der Interviewten bezeichnen sich als reich. Viele geben als Gründe für ihre Lage an: eigene Schuld, ein einschneidendes äußeres Ereignis, das Schicksal. Vollmann erfragt in seinen Gesprächen, für die er seine Gesprächspartner und -partnerinnen bezahlt, deren Lebensgeschichten. In diesen Porträts zeigt er Behutsamkeit und Respekt. Auch hierbei macht er es sich selbst nicht leicht: Nie vergisst er die Tatsache, ein reicher Mann zu sein, der einen weniger vermögenden Menschen befragt und die Antworten mit Geld bezahlt. Keine vorgefertigte Meinung zu haben, keine einfachen Lösungen parat zu haben und die eigene Perspektive immer wieder kritisch zu hinterfragen, das macht den Autor und sein Buch „Poor People“ zu etwas Besonderem.

Was ist Armut?

Laut „Handbook of Income Distribution, 2000“ sind Statistiken über Armut nicht immer hilfreich: Je nach Veröffentlichung stieg die Armut in Irland stark an, ein wenig, veränderte sich nicht oder sank… Obwohl die gleichen Daten aus zwei Jahren verwendet wurden. Die Kurzdefinition der UN zeigt Pragmatismus, berücksichtigt jedoch nur die materielle Seite der Armut: „Poverty is an income of less than four dollars a day.“ Vollmann versucht dagegen, auch die nicht-materiellen Seiten der Armut in den Blick zu nehmen: „Poverty is wretched subnormality of opportunity and circumstances.“ Am intensivsten setzt er sich mit einer Definition Adam Smith´auseinander: „Every man is rich or poor, to the degree in which he can afford to enjoy the necessaries, conveniencies, and amusements of human life. But after division of labour has once thoroughly taken place, it is but a small part of these which a man´s own labour can supply him.“

Erscheinungen der Armut

Im Kapitel „Phenomena“ zeichnet Vollmann ein Bild der verschiedenen Erscheinungsformen und Begleiterscheinungen von Armut. Er beschäftigt sich mit:

  • Invisibility
  • Deformity
  • Unwantedness
  • Dependance
  • Accident-prone-ness
  • Pain
  • Numbness
  • Estrangement

Ganz und gar ungewöhnlich ist Vollmanns Haltung, Menschen nicht zu verurteilen, die Alkohol, Drogen, Verdrängung nutzen, um ihren Alltag zu bewältigen. Er versucht, deren Verhalten zu respektieren: „You (Leser/Leserin) are rich, so tell me: Who does make you? What would they have been had poverty not diminished them? Would they be any happier? (…) Who would Sunee be were she not an illiterate, self-hating, furiously resigned drunk? In any event, the darkness of her incompletion, such as it is, may approximate the darkness of my own blindness.“

Bilder von Menschen

Der hintere Teil von „Poor People“ enthält schwarz-weiß Fotografien der Menschen, die der Autor getroffen und gesprochen hat. Die meisten diese Bilder sind Porträts, in denen die Fotografierten die Betrachtenden direkt anschauen.

Der Autor William T. Vollmann

Vollmann ist ein US-Autor und Journalist, der regelmäßig Krisengebiete bereist und seine Erfahrungen literarisch verarbeitet. Zum Beispiel in „An Afghanistan Picture Show, or, How I Saved the World“. Anfang 2004 erschien „Rising Up and Rising Down“, eine 3.300 Seiten lange, siebenbändige, illustrierte Abhandlung über Gewalt. Vollmann hat daran über 20 Jahre lang gearbeitet und versucht, umfassend die Ursachen und Folgen von Gewalt zu untersuchen sowie die mit ihr verbundenen ethischen Fragen. Ein großer Teil des Textes besteht aus Vollmanns eigenen Reportagen über Orte voller Gewalt wie Kambodscha, Somalia und Irak. Vollmanns übrige Werke beschäftigen sich oft mit Geschichten von Menschen am Rande des Krieges, der Armut und der Hoffnung. Viele Kritiker rühmen die Kühnheit und Originalität seiner Werke, die oft Techniken fiktiven und journalistischen Schreibens vermischen, wie auch sein immenses Wissen und die Schönheit seiner Prosa.

In deutscher Übersetzung ist das Buch unter dem Titel „Arme Leute“ bei Edition Suhrkamp erschienen.

In „Buch und Sofa“ haben wir bereits dieses Buch von Vollmann besprochen: „Kissing the Mask – Beauty, Understatemnet and Femininity in Japanese Noh Theatre“.

Der ewige Gärtner. John le Carré

James Bond für den anspruchsvolleren Leser (und bei James Bond werden ja schon eher LesER angesprochen). Spionage- und Wirtschaftsromane auch für die Leserin. John le Carré ist seit längerer Zeit ein Autor mit Bestseller-Garantie, eine Perle für den Buchhandel in absatzschwächeren Zeiten.

Für mich war es der erste le Carré-Roman, den ich gelesen habe. „Bestseller“-Schlagzeilen und -Listen schrecken mich meistens ab, die will/muss ich nicht lesen, das machen ja schon die anderen. Es war daher auch ein Zufall, der mich mit diesem Buch zusammenbrachte. Mir gefiel der Einband in einem Secondhand-Buchgeschäft; der Preis reduzierte das Risiko; auch fand ich den Buchtitel „The constant gardener“ ansprechend.

Also gekauft, dann gelesen, jetzt die Besprechung.

Der Autor
John le Carré, Brite, wurde in den frühen 30er Jahren geboren. Nach einer Zeit, in der er selbst für den britischen Geheimdienst gearbeitet hatte, wurde er durch Spionageromane berühmt. Titel sind z.B. „Der Spion, der aus der Kälte kam“ oder „Dame, König, As, Spion“.

Der ewige Gärtner
Vielleicht nicht der typischste seiner Romane, denn Spionage steht nicht im Vordergrund des Geschehens.

Statt dessen geht es dieses Mal um die Machenschaften der pharmazeutischen Industrie, die – zumindest in diesem Roman – Medikamente in Ländern der dritten Welt an Menschen testet, kritische Nebenwirkungen unter den Teppich kehrt und noch kritischere Personen aus dem Weg schafft. Verstrickt in diesen Skandal sind eigentlich alle, die in diesem Roman vorkommen, außer natürlich den „Guten“. Und das ist vor allem das Ehepaar, das im Zentrum des Romans steht: Tessa Quayle, die in diesem Skandal auf eigene Faust ermittelt und öffentlich macht – sie wird denn auch recht schnell (quasi vor Seite 1) auf unangenehme Weise ermordet. Ihr Ehemann Justin, der ihren Ermittlungen nachreist, um ihr wieder nahezukommen, und zum Schluss auch stirbt, offensichtlich ebenfalls ermordet, aber zumindest halb tat man seiner suizidalen Absicht dabei wohl auch einen Gefallen.

Die Handlung wirkt ein wenig reißerisch und gut-menschig mit ihrem gegen die Pharma-Industrie (und gegen Kolonialismus, Sexismus, Rassismus, …) erhobenen Zeigefinger. Andererseits – siehe diverse öffentlich gewordene Skandale bei Pfizer und anderen Unternehmen – scheint die Realität immer wieder noch reißerischer und bedrückender als der Roman.

Am Besten gefallen mir die Passagen des Buchs, in denen das britische Establishment eine Rolle spielt. Die britische High Commission in Nairobi, die Chefs Eton- und Oxford-erzogen. Die Ironie und der Sarkasmus von le Carré ein wenig zu stark nach Klischee, aber gut gemacht und gut geschrieben.

Ein Beispiel für den Stil von le Carré:
„Justin Quayle buried his much-murdered wife in a beautiful African cemetery called Langata under a jacaranda tree between her stillborn son Garth and a five-year-old Kikuyu Boy who was watched over by a plaster-cast kneeling angel with a shield declaring he had joined the Saints. Behind her lay Horatio John Williams of Dorset, with God, and at her feet Miranda K. Soper, loved for ever.“

Werde ich weitere Bücher von le Carré, dem Besteller-Autor lesen? Vielleicht, und das ist doch dann ein ziemlich positives Fazit.

The Remains of the Day. Kazuo Ishiguro

Der Roman des britischen Nobelpreis-Gewinners von 2017 ist ein schönes, komisches, trauriges Porträt der britischen Gesellschaft.

Der Inhalt von „The Remains of the Day“

1989 erschienen, geht die erzählte Zeit im Roman noch weiter zurück in die Vergangenheit: Ein alternder Butler erhält in den 1950er Jahren die Gelegenheit zu einer Reise. Auf dem Weg von und zu den verschiedenen Stationen seiner Reise, erinnert er sich an die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Der Butler Stevens reflektiert seine großen beruflichen Erfolge und versucht zu beschreiben, was für ihn das Ideal des wirklich großen Butlers ausmacht, dem er immer versucht hat zu entsprechen.

Erst am Ende des Romans, als Stevens aufs Meer schaut und darauf wartet, wie nach dem Sonnenuntergang die Lichter angehen, wird ihm klar, wie sehr er in seinem bisherigen Leben die eigenen Gefühle nicht wahrhaben wollte und ihnen schon gar nicht sprachlichen Ausdruck geben konnte.

Was vom Tage übrig blieb

Die Sprache

In einer Radio-Rezension hatte ich gehört, die Sprache Ishiguros sei wie eine Mischung aus Jane Austen und Marcel Proust. Stimmt. Wunderbar flüssig lesbar, präzise, gibt sie die formelle, sprachliche Variante einer vergangenen Upper Class wieder: „As I say, I have never in all these years thought of the matter in quite this way; but then it is perhaps in the nature of coming away on a trip such as this that one is prompted towards such surprising new perspectives on topics one imagined one had long ago thought through thoroughly.“ Erstaunlich…

Der ganze Roman ist aus der Perspektive des Butlers in Form eines inneren Monologs geschildert. Hin und wieder lockern berichtete Dialoge diese Erzählweise auf.

Übersetzung und Verfilmungen

Wer sich zu englischer Lektüre im Original nicht wirklich hingezogen fühlt, sollte diesen Roman unbedingt in Übersetzung lesen: Der Titel der deutschen Übersetzung lautet „Was vom Tage übrig blieb“. Als Alternative bietet sich die Verfilmung aus dem Jahr 1993 an von James Ivory mit Anthony Hopkins und Emma Thompson.

 Bildergebnis für Kazuo Ishiguro

Der Autor

Kazuo Ishiguro OBE ist ein britischer Schriftsteller japanischer Herkunft. Sein dritter und berühmtester Roman „Was vom Tage übrigblieb“ wurde 1989 mit dem Booker Prize ausgezeichnet. Er wurde ebenso verfilmt wie der 2005 erschienene Roman „Alles, was wir geben mussten“. Im Jahr 2017 erhielt Ishiguro den Nobelpreis für Literatur zugesprochen. Die Schwedische Akademie würdigte ihn als einen Schriftsteller, „der in Romanen von starker emotionaler Wirkung den Abgrund in unserer vermeintlichen Verbundenheit mit der Welt aufgedeckt hat“. (Quelle Wikipedia)

Keeping Up Appearances. Catherine Horwood

Mode und Klassenunterschiede zwischen den beiden Weltkriegen in England ist das Thema des vergnüglichen, reich bebilderten Buchs von Catherine Horwood.

Kleidung zeigt Selbstwert und sozialen Status

Das Wichtigste zuerst: Für Frauen und Männer aus dem englischen Mittelstand war Sich-kleiden eher ein Hindernis-Parcours als eine Freude. Unendlich viele, kleine Details signalisierten den anderen Frauen und Männern des Mittelstandes, wo man auf der sozialen Leiter stand.

„Keeping up appearances“ zeigt, wie sich der Mittelstand in den 20er und 30er Jahren anzog, wie die Wahl der Kleidung durch beginnende Massenproduktion, veränderte Einkaufsmöglichkeiten sowie finanzielle Restriktionen, Snobismus und amerikanische Einflüsse geprägt wurden. Hierbei greift die Autorin auf große zeitgenössische Umfragen unter breiten Teilen der Bevölkerung zurück. Außerordentlich schön ist das verwendetet Bildmaterial: Fotos, Cartoons und Anzeigen illustrieren vielfältige Aspekte des Ringens um das richtige Erscheinungsbild: „Middle-class society in the interwar years was increasingly self-monitoring in a way that previous eras were not.“

„Korrekt“ gekleidete Frauen

Britische Mittelklasse-Frauen hatten ein Ziel: korrekt gekleidet zu sein. Das richtige Kleidungsstück zu jeder Gelegenheit verlieh Selbstbewusstsein. Modische Details wurden immer erst interessant, nachdem diese sich bereits bei den arbeitenden Frauen durchgesetzt hatten. Zwischen den Kriegen schien sich ein lässigerer Kleidungsstil durchzusetzen, dennoch gab es komplizierte Kleidungsvorschriften, die Frauen durchaus Kopfschmerzen bereiten konnten, wie dieses Bildunterschrift einer Zeichnung zweier Frauen aus Punch von 1937 belegt: „Well, dear, you don´t want to overdo it, and you don´t want to look drowdy. Seeing it´s in a Church Hall, I should wear a semi-full afternoon dress with a chiffon scarf, and chance it.“

Konservative Männer

Der britische Mann war vor allem konservativ in seiner Kleidung. Er trug auch nach der Arbeit Anzughose und -weste, ließ niemals seine Hosenträger blitzen, krempelte auf keinen Fall die Hemdsärmel hoch und ging im Anzug an den Strand. Treffend sagte G. B. Shaw: „It is easier to recruit for monasteries and convents than to induce (…) a British officer to walk through Bond Street in a golfing cap on an afternoon in May.“

Inhalt von „Keeping up appearances“

Das Buch enthält die Kapitel

  • Shopping for status
  • Black coats and white collars
  • Business girls and office dresses
  • In home and garden
  • From seaside to sports club
  • Top hats and tulle
  • Everything to match
  • Radicals, Bohemians and Dandies.

Einen Wermuthstropfen hat das Buch jedoch: Es bleibt deskriptiv; hilfreich wäre die eine oder andere Schlussfolgerung oder Analyse im Kontext größerer gesellschaftlicher Entwicklungen gewesen.

Hier finden sich viele andere Buchempfehlungen von Buch-und-Sofa zur Mode.

Voices in the Ocean. Susan Casey

Eine Reise in die fremde und verstörende Welt der Delfine ist dieses Buch der Journalistin Susan Casey.

Voices in the Ocean: A Journey into the Wild and Haunting World of Dolphins

Seit Douglas Adams´ „Per Anhalter durch die Galaxis“ wissen wir alle, dass Menschen nur die drittintelligenteste Spezies auf Erden sind. Die Mäuse als intelligenteste sind eine dreidimensionale Erscheinungsform hyperintelligenter Wesen, aber die Delfine sind die zweitintelligenteste Spezies, intelligenter als die Menschen und haben diese vor der Zerstörung der Erde noch zu warnen versucht. Ohne Erfolg.

Casey beschreibt in ihrem Buch, wie intelligent Delfine sind, wie sie in verschiedenen Kulturen den Status von Mittlern zu einer anderen Welt haben und wie Menschen diese hochintelligenten Tiere qualvolle Tode sterben lassen. Die Erzählweise besteht in Reiseberichten, die die Autorin rund um die Welt zu Orten führen, in denen die Delfine eine besondere Rolle spielen. Als jagdbares Wild oder als Wesen voller Weisheit: „No other creature on the planet is more like us than the dolphin. Dolphins are intelligent, sociable beings who can recognize their own reflections, count, feel despondent, rescue one another (and humans), deduce, infer, form groups, throw tantrums, gossip and scheme.“

Sind Delfine intelligenter als Menschen?

Delfine haben ein Gehirn, welches äußerst komplex ist, dabei jedoch anders aufgebaut ist als das menschliche. Das Gehirn von Delfinen ist auf extreme Schnelligkeit ausgelegt. Außerdem sind besonders diejenigen Gehirnregionen, in denen emotionales Empfinden und Sozialverhalten verankert sind, bei Delfinen anders und stärker ausgeprägt. Delfine, so die Vermutung, haben eine starke Gruppenidentität zusätzlich zu ihrer Fähigkeit, sich als Individuen zu erleben. Sie haben also – salopp gesprochen – ein Ich und eine Art Gruppenseele.

„If you were designing a high-performance computer, you would choose the dolphins´ schematic, hands down. “This is a brain that is built for speed (…) The rate at which they process information is astounding, Everything is faster. We can´t even imagine.” (…) A fabulous neocortex is a kind of killer app for brainy animals, enabling the refined thinking and behavior that characterizes us as humans (…). It´s where we get our abilities to make tools, use language, devise plans. “

Delfine als Mittler zu anderen Welten?

Seit der Antike gibt es Berichte, wie Delfine den Kontakt zu Menschen suchen. Immer wieder berichten Taucher und Küstenbewohner davon, dass sie Kontakt zu Delfinen als direkt, intensiv und persönlich erfahren haben. Susan Casey geht Berichten in verschiedenen Kulturen und Teilen der Welt nach auf der Suche danach, was Menschen immer wieder an Delfinen fasziniert hat bis zur Zuschreibung magischer Fähigkeiten und – warum die Faszination wohl gegenseitig ist. Dies liest sich sehr interessant und unterhaltsam.

Töten, was den Menschen so ähnlich ist?

Delfine haben es nicht leicht, in einer von Menschen geprägten Welt zu überleben: Sie werden gejagt, gegessen oder in Ozean-Vergnügungsparks gesperrt, sie verlieren Lebensraum, werden durch Pestizide im Meerwasser vergiftet… Casey beschreibt in ihrem Buch auch all die grauenhaften Dinge, die Menschen weltweit Delfinen und deren Verwandten antun.  Diese Teile sind teilweise verstörend zu lesen.

Fazit: ein interessantes, gut lesbares Buch, welches ein ganz besonderes Schlaglicht auf dasjenige richtet, was Menschen mit nicht-menschlichen Lebewesen eint.

Mehr zur Autorin und ihren Büchern hier.