Liebe. Elizabeth von Arnim

Das dritte Buch von Elizabeth von Arnim, das wir in diesem Blog empfehlen, nach The solitary summer und Introduction to Sally. Dieses Mal handelt es sich um ihren 15. Roman, erschienen 1925 unter dem Titel „Love“, im Gruppenfoto der vierte Band von links.

Etwas spät, aber immerhin noch rechtzeitig im Jahr ihres 150. Geburtstags, für den Elizabeth-Enthusiasten nicht nur eine Elizabeth-Rose gezüchtet, sondern auch einen passenden Kuchen gebacken haben.

Statt eines Kuchens also ein Blogbeitrag…. Um aber wenigstens festlich ein wenig nicht englisch-sprachige Abwechslung in unseren Blog zu bringen, habe ich dieses Buch nicht im Original oder in Deutsch gelesen, sondern die ausgezeichnete spanische Übersetzung mit flottem 20er Jahre Einband von Lucía Vázquez de Castro.

Neben Krimis in Übersetzung sind Bücher von Arnims wahrscheinlich mit am besten dazu geeignet, die eigenen Fremdsprachenkenntnisse auf angenehme und anregende Art und Weise fit zu halten: recht einfach geschrieben, kein abgehobener Wortschatz, viel wörtliche Rede; amüsant, auch spannend, jedenfalls ein wenig bissig, immer mit viel Menschenkenntnis, durch und durch human.

„Amor“ behandelt ein ungleiches Liebespaar, Er Mitte zwanzig, Sie in den Vierzigern, beide schwer ineinander verliebt, wobei Sie das rational für Unsinn und ein Unding hält. Eine damals (und heute?) schwierige Konstellation, geprägt von viel Ablehnung der Mitmenschen, Ängsten und Voreingenommenheit der beiden Protagonisten, aber auch von viel Vertrauen, Unbedingtheit, Zuwendung der beiden.

Catherine Cumfrit und Christopher Monckton lernen sich in einem Kino kennen:
„La primera vez que se vieron, aunque no lo sabían porque no eran conscientes de la presencia del otro, fue en La hora immortal, que se presentaba entonces con escasísimo público allá en King’s Cross; pero ambos iban tan a menudo y la audiencia era en aquella época tan visible por lo poco numerosa (…).
Ella fue consciente de su presencia por primera vez durante la noche de su quinta visita, cuando oyó hablar a dos personas detrás de ella justo antes de levantarse el telón, y una de ellas decía con orgullo: ‚Es la undécima vez que vengo‘, y la otra respondió, sin darle importancia: ‚Yo, es la trigésima segunda‘. (…)
A partir de entonces notaron su mutua presencia durante tres representaciones más y luego, cuando era la novena de ella y la trigésima sexta de él (…) y se encontraban sentados en la misma fila con sólo doce asientos vacíos entre ellos, él se aproximó seis hacia ella cuando cayó el telón entre las dos escenas del primer acto y, al final de éste, tras aquella escena de amor que invariablemente elevaba al pequeño grupo de fieles a una especie de místico frenesí de deleite, se aproximó los otros seis y se sentó con audacia junto a ella.“

Nach dem Kennenlernen kommt viel Liebe, aber auch viele Beispiele dafür, wie Menschen sich und einander das Leben durch Konventionen und Vorurteile mies machen können. Zum Glück hat Elizabeth von Arnim eine große Fähigkeit, auch den biestigsten Szenen durch ironische Boshaftigkeit etwas Erfreuliches mit zu geben.

Natürlich hat „Amor“ ein Happy End, aber mit einem Glücksgefühl, das einem im Halse stecken bleibt. Kein romantischer Sonnenuntergang, davor ein Liebespaar Hand in Hand umwoben von kitschiger Musik, sondern sehr unschöne Wolken am Horizont….:
„Iba a decir: ‚Nos querremos much‘, pero pensó que aquello podría parecer una exigencia y se detuvo.
Se quedaron silenciosos un rato, tan inmóviles que los conejos empezaron a pensar que no estaban allí y se les acercaron mucho con sus movimientos desgarbados.
Entonces, él dijo muy dulcemente:
– Voy a cuidar de ti, Catherine.
Y ella respondió, con la voz algo temblorosa:
– ¿Sí, Chris? Estaba pensando que eso es lo que voy a hacer contigo.
– Muy bien. Entonces, nos cuidaremos mutuamente.
Los dos trataron de reírse, pero fue una risa trémula e insegura, porque los dos tenían miedo.“

Für all diejenigen, die dieses Buch weder in der englischen noch in einer spanischen Version lesen möchten – aber lesen sollte man es! – gibt es auch eine deutsche Übersetzung, die antiquarisch zu bekommen ist.

Demenz bei Hunden: Remember Me? Eileen Anderson

„Remember me? – Loving and Caring for a Dog with Canine Cognitive Dysfunction“ von Eileen Anderson gibt Hilfestellung beim Umgang mit einem älter gewordenen Hund, der langsam sein Gedächtnis verliert.

Remember Me?: Loving and Caring for a Dog with Canine Cognitive Dysfunction by [Anderson, Eileen]

Die Autorin nutzt die persönliche Erfahrung mit ihrer Hündin Cricket, um zu erklären, welche Symptome Gedächtnisverlust und Demenz bei Hunden mit sich bringt und auf welche Weise mit ihnen ganz praktisch im Alltag umgegangen werden kann.

Typische Symptome von Demenz bei Hunden

  • Hunde sind weniger stubenrein
  • Hunde haben Schwierigkeiten, neue Dinge zu lernen
  • Hunde suchen seltener die Aufmerksamkeit oder wirken zurückgezogen
  • Hunde reagieren verängstigt, scheu oder meiden ihnen bekannte Menschen
  • Hunde schlafen öfter bei Tag und weniger oft in der Nacht
  • Hunde wirken verwirrt oder verloren
  • Hunde haben Schwierigkeiten, aus engen Ecken herauszufinden
  • Hunde vergessen bekannte Routinen oder beginnen diese und stoppen auf halbem Weg
  • Hunde verlieren sich auf bekannten Wegen
  • Sie bellen ohne Grund und für längere Zeiträume
  • Sie zittern ohne äußeren Grund
  • Sie fallen von Erhebungen herunter
  • Sie haben Schwierigkeiten ihre Näpfe zu finden, das Futter in das Maul hinein zu befördern  und das Futter im Maul zu behalten
  • Sie haben Schwierigkeiten, in ihr Körbchen hineinzukommen.

Leseprobe: „Is your dog starting to get stuck in corners, stare at walls, or act a little distant? Is he pacing in circles, barking for no apparent reason, or forgetting his housetraining? These or other behavioral changes may indicate that he is developing canine cognitive dysfunction, a disease akin to Alzheimer’s.“

Themenbereiche des Buchs

Das Buch ist in diese Kapitel eingeteilt:

  • Loving a Dog with Dementia: Cricket’s Story
  • Does your Dog Have Dementia?
  • Is There a Treatment?
  • How to Help Your Dog: Setting Up Spaces, Routines and Enrichment
  • How to Help Your Dog: Specific Challenges
  • Supplies
  • How to Help Yourself
  • Quality-of-Life Considerations
  • Is the End Near?

„Remember me“ ist ein sehr gut lesbarer, kenntnisreicher Ratgeber für Hunde-Besitzer. Die Erzählweise ist sachlich, auch wenn Themen bearbeitet werden, die anrührend und traurig sind. Hilfreich sind auch die vielen Fotos von Cricket, die die gemeinten Situationen exakt zeigen. Immer dort, wo die Autorin kein Foto ihres eigenen Hundes nutzen kann, stellt sie die spezifische Situation mit einem Plüsch-Hund nach.

Frauen der 1920er: Flappers – Six Women of a Dangerous Generation. Judith Mackrell

Ein wunderbares Buch über die 20er Jahre! Klug, wissensreich, spannend, anrührend und  – all dies und außerdem auf eine ungewöhnliche Weise erzählt.

Weshalb wurden in den Goldenen 20ern in New York fast täglich neue Cocktails  erfunden? Die Antwort hierauf und auf viele andere Fragen bietet „Flappers“ (Auflösung auch am Ende des Beitrags).
Das Buch ist so gut wie sein Cover. Am Beispiel von sechs Frauen, zeigt Mackrell wie Frauen nach dem 1. Weltkrieg begannen, neue, eigene Wege zu gehen, wodurch sie ermutigt wurden und welche Erfolge sie hatten. Und wie ihr Leben später weiter ging als die Zwanziger Jahre vorbei waren.

Ein Flapper ist das englische Äquivalent der Garsonne: Flappers were a generation of young Western women in the 1920s who wore short skirts, bobbed their hair, listened to jazz, and flaunted their disdain for what was then considered acceptable behavior. Flappers were seen as brash for wearing excessive makeup, drinking, treating sex in a casual manner, smoking, driving automobiles, and otherwise flouting social and sexual norms. Flappers had their origins in the liberal period of the Roaring Twenties, the social, political turbulence and increased transatlantic cultural exchange that followed the end of World War I, as well as the export of American jazz culture to Europe.“ So Wikipedia.

http://images.npg.org.uk/264_325/9/5/mw175095.jpghttp://media.artsblog.it/m/mos/mostre-torino-2015/tamara-de-lempicka-torino-palazzo-chiablese-06.jpghttp://www.dumbofeather.com/wp-content/uploads/2011/04/N_Cunard.jpg

Mackrell stellt dieses sechs Frauen in den Mittelpunkt ihres Buchs: Diana Cooper, Nancy Cunard, Tamara de Lempicka, Tallulah Bankhead (hier Eindrücke aus Movie Legends), Zelda Fitzgerald und Josephine Baker (Tanz-Video). Für sie alle waren die Zwanziger eine Zeit außergewöhnlicher individueller Entwicklungsmöglichkeiten. Als eine Gruppe von Frauen sind sie repräsentativ für ihre Zeit. Sie waren ambitioniert, waren (zeitweise) äußerst erfolgreich, lebten einen Teil ihres Lebens in Paris und genossen einen hohen Bekanntheitsgrad.

Über diese sechs Frauen schrieben bereits zu Lebzeiten Buchautoren und Journalisten, Fotografen, Filmemacher und Bildhauer machten ihre Gesichter bekannt. So wurden sie zu Vorbildern und Rollenmodellen für Tausende von jungen Frauen: „All these women lived many of their private moments on the public stage. Having made their names as writers, painters or performers, as well as popular celebrities, the things they said and did, the clothes they wore, were routinely reported in the press and had a widespread impact on other women. Yet stylish, talented and extraordinary as these six were, to imagine their lives now one has to look past the glamour and glare of their fame.“

https://agnautacouture.files.wordpress.com/2015/10/zelda-sayre-fitzgerald1.jpg

Möglich wurde dieser große Bekanntheitsgrad erst durch das sich schnell verbreitende Kino und die Werbung, die sich zum ersten Mal an eine große Zahl junger Frauen mit eigenem Einkommen richtete. Die Erzählform des Buchs besteht in sechs Kurzbiografien, die erklären, wie es sechs junge Frauen geschaft haben, ungewöhnliche Entscheidungen zu treffen. Danach kommen wieder sechs Kurzbiografien, die zeigen, wie ihr Leben weiterging. Eine Auswahl aus den vielen Faken, die die Autorin wie nebenbei für ein besseres Verständnis der Zeit mitliefert:

  • Morphium wurde als Stärkungs- und Beruhigungsmittel zunächst während des 1. Weltkriegs den Soldaten an der Front geschickt. Wie ein Medikament wurde es dann auch von zivilen Personen genutzt.
  • Haschisch wurde in den 20ern als Party-Droge oft in Kugelform verwendet und in Cocktails aufgelöst.
  • Cocktails wurden in New York täglich neu erfunden, um durch ihre intensiv schmeckenden Zutaten den unangenehmen Geschmack des schwarz-gebrannten Alkohols zu überdecken. Es herrschte ja Prohibition.

Und nach den Goldenen Zwanzigern? „This book ends on the cusp of the old and the new decade. It was the point at which the experimental party spirit of the Twenties was coming into collision with economic crisis, with the extreme politics of communism and fascism and the gathering clouds of war. And just as this moment heralded the the winding down of the jazz age, so too it marked the end of the flapper era.“

Einfach toll und sehr lesenswert!

Mutter Teresa. Christian Feldmann und Leo Maasburg

Die beiden Bücher „Die Liebe bleibt – Das Leben der Mutter Teresa“ von Christian Feldmann und „Mutter Teresa – Die wunderbaren Geschichten“ von Leo Maasburg sind Auflagen früherer Ausgaben: Anlass der ergänzten und bearbeiteten Neuauflagen ist die Heiligsprechung von Mutter Teresa in 2016.

 

 

Was ist eine Heiligsprechung?

Mutter Teresa wurde 2003 zunächst selig, 2016 dann heilig gesprochen. Eine Heiligsprechung ist ein kirchenrechtliches Verfahren der katholischen Kirche, in welchem der Papst die Gewissheit erklärt, dass ein Toter sich in seligmachender Gottesschau befindet und deshalb als Heiliger bezeichnet und verehrt werden kann. Der Nachweis eines Wunders ist die Voraussetzung. Zu Heiligen darf gebetet werden, um ihre Fürsprache bei Gott zu erhalten. Bei Mutter Teresa wurde durch Papst Johannes Paul II als Wunder anerkannt, dass eine Inderin, die an Krebs erkrankt war, durch Auflegen eines Bildes von Mutter Teresa geheilt wurde.

Eine beeindruckende und eine umstrittene Figur?

Mutter Teresa beeindruckte die Öffentlichkeit weltweit dadurch, dass sie seit den 1950er Jahren in Kalkutta, Indien, für die Ärmsten der Armen Sterbehäuser, Frauenhäuser und Kinderhäuser gegründet hat. Sie selbst war sich nicht zu schade, ebenfalls arm zu sein und schmutzige Arbeiten zu verrichten. Ihr Mut und ihre Unerschrockenheit Macht und Gefahr gegenüber war entwaffnend. In gewisser Weise folgte ihr Leben für die Armen dem Zitat Jesu aus Matth. 25, 31ff: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Aus ihrer Liebe zu Christus leitete Mutter Teresa ihr Engagement für die Armen ab.

Dennoch ist Mutter Teresa eine umstrittene Figur: Man warf ihr verhehrende hygienische und soziale Zustände in den Sterbehäusern von (z.B. Spritzen, die mehrfach verwendet wurden, Verweigerung von Schmerzmitteln, Unterkühlung und Hunger der Patienten). Ebenso einen Mangel an Transparenz im Umgang mit Spendengeldern. Ein gewichtiger Vorwurf ist außerdem die Frage nach ihrer Motivation: Wollte sie Leiden mildern oder war Missionierung letztlich ihr Ziel? Gute Hintergrundinformation bietet ein Artikel der Zeit.

Mutter Teresa: Die wunderbaren Geschichten von [Maasburg, Leo]

Was leisten die Bücher nicht?

Keines der Bücher diskutiert die Frage, warum moderne Menschen auf der ganzen Welt durch Mutter Teresa angesprochen und beeindruckt sind. Beide Bücher diskutieren nicht, welches Verständnis von „Armenarbeit“ heute sinnvoll sein kann und welche ethischen wie praktischen Konsequenzen sich daraus ergeben. Keines geht auf kritische Distanz zu ihr.

Wie gehen sie vor?

Beide Bücher sind aus einer verehrenden Perspektive geschrieben. Beide nutzen eine Kapitelstruktur, in der Themen lose zusammengefasst sind, so dass eine prinzipiell chronologische Erzählweise eingehalten werden kann. Beide bleiben eng am Subjekt ihres Buchs. Feldmann ist Journalist; er schreibt aus meiner Sicht die erträglichere Sprache. Außerdem wechseln biografischer Text und Auszüge aus dem Gebet-Buch Mutter Teresas ab. Maasburg ist Priester. In dieser Rolle hat er Mutter Teresa häufig begleitet. In seinem Buch berichtet er über Situationen, in denen er sie erlebt hat. Er schildert seine Wahrnehmungen, seine Gedanken und Gefühle. Sein Buch ist dadurch eine Art Anhäufung von Anekdoten. Leicht lesbar und eingängig sind beide Bücher.

Outsider: always almost, never quite. Brian Sewell

Mir war bisher gar nicht aufgefallen, dass Brian Sewell, ein 2015 verstorbener englischer Kunsthistoriker, äußere Ähnlichkeiten mit Loriot hat.

Darum geht es hier aber nicht.

Brian Sewell, enfant terrible der englischen Kunstkritik und Schrecken aller Promotoren zeitgenössischer Kunst, hat eine Autobiographie geschrieben, die in zwei Bänden erschienen ist und deren ersten Teil ich gerade gelesen habe. Der Untertitel passt ausgezeichnet: „Always almost, never quite“.

Am Einband lag es nicht, dass ich dieses Buch gekauft habe. Entscheidend war, dass ich ausgezeichnete und in jeder Hinsicht idiosynkratische DVDs mit/von ihm gesehen habe, insbesondere die Reihe über die „Grand Tour“, und auch etliche seiner Kunstkritiken in diesem Blog besprochen habe. Für all diejenigen, die gut gesprochenes Englisch mögen, ist er auch ein akustisch-ästhetischer Gewinn. Ein Kommentator des Guardian beschreibt es so: „(…) he sounds, as I duly noted, like a dowager duchess carefully recalling a large turd she was once mistakenly served during tea at Claridge’s.“

Soviel zum Drumherum.

Der erste Band umfasst die Zeit von seiner Geburt 1931 bis zu seinem Ausstieg bei Christie’s 1967. Der Klappentext gibt eine recht gute Zusammenfassung: „Outsider is the life of a child, boy, adolescent, student and young man in London between the Great Depression of the 30s and the sudden prosperity and social changes of the 60s, affected by the moral attitudes of the day, by the Blitz, post-war austerity and the new freedoms of the later 50s that were resisted with such obstinacy by the old regime. It is about education in the almost forgotten sense of the pursuit of learning for its own sake. It is about the imposed experiences of school and National Service and the chosen experience of being a student at the Courtauld Institute under Johannes Wilde and Anthony Blunt. It is about sex, pre-pubertal, in adolescence and in early adulthood, and the price to be paid for it. It is about art and the art market in the turbulent years of its change from the pursuit of well-connected gentleman to the professional occupation of experts.“

So etwas wie diese Autobiographie habe ich noch nicht gelesen. Was für ein unmittelbares, direktes, ungeschöntes und vorbehaltloses Panorama der Zeit! Was für ein Selbstbewusstsein, sich selbst so ins Auge zu sehen und das Gesehene und Erlebte aufzuschreiben. Den Anspruch, den er als Kunsthistoriker und -kritiker hatte, wendet er auch auf seine Memoiren an: „(…) if I did not tell the whole truth it would not be truth at all. (…) approaching my eightieth year and old enough to be neither embarrassed nor ashamed, I no longer feel the need for reticence.“

Seine Erfahrungen im Courtauld-Institut und bei Christie’s sind faszinierend und bringen einen ins Grübeln. „Macht und Mensch“ ist immer wieder eine ungünstige Kombination, auch in der scheinbar erhabenen und zivilisierten Arena der Hochkultur, zumal wenn sie durch grundsätzliche Interessenkonflikte noch virulenter gemacht wird.

Seine Ausflüge ins sehr Private sind bestimmt nichts für jeden Leser. Dessen war sich Sewell bewusst:
„I have dug deep into indiscretion and some may say that I have dug deeper into prurience; perhaps I have, but again it is for the benefit of readers who are troubled by their private natures and feel that they alone are driven so. I have no doubt that many who admire me – my ‚doting elderlies‘, as an old woman friend once dubbed them – will be disgusted. So be it – truth is nothing if not whole.“

Der Guardian hat aber für mich recht, wenn er in seiner – auch sonst sehr lesenswerten – Rezension schreibt: „Outsider is a delicious read.“

The Seven Dials Mystery. Agatha Christie

In dieser Detektivgeschichte ist einiges los: Sieben Uhren ticken im Schlafzimmer eines jungen Mannes, der sich selbst getötet hat.

Sein Freund kann später sterbend nur noch „seven dials“ flüstern und so Jimmy Thesiger und Lady Eileen Brent auf die Spur eines zweifelhaften Nachtcubs in Soho führen… Außerdem kommen sieben Maskierte vor, die in einem versteckten Hinterzimmer planen, wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu stehlen und den nächsten Mord zu begehen… oder ist alles doch ganz anders?

Ein äußerst interessanter Aspekt der Krimis von Christie aus den Goldenen Zwanziger besteht darin, dass sie die Möglichkeiten, Persönlichkeiten und Entwicklungen junger Frauen durchspielt. Hierbei gibt sie ihren Protagonistinnen verschiedene gesellschaftliche und soziale Positionen, die die Atmosphäre der 1920er Jahre gekonnt einfangen:

  • In „The Seven Dials Mystery“ (1929) ist die Hauptfigur die Tochter eines Lords: „Bundle’s temperament was certainly not inherited from her father, whose prevailing characteristic was a wholly amiable inertia. As Bill Eversleigh had very justly remarked, the grass never did grow under Bundle’s feet.“ Nach vielen Abenteuern, in denen sie großen Mut beweist, heiratet sie einen adligen jungen Mann.
  • „The Secret of Chimneys“ (1925) hat als weibliche Protagonistin eine Adlige, die schließlich Königin eines Balkan-Staats wird: „Virginia Revel was just twenty-seven. She was tall and of an exquisite slimness – indeed, a poem might have been written to her slimness.“
  • Im wunderbaren Krimi „The Man in the Brown Suit“ (1924), der viel von einer James-Bond-Story hat, spielt Anne Beddingfeld die Hauptrolle. Sie ist die verarmte Tochter eines Professors, die sich brennend nach Abenteuern sehnt: „I’d always longed for adventures. You see, my life had such a dreadful sameness. My father, Professor Beddingfeld, was one of England’s greatest living authorities on Primitive Man. (…) Papa did not care for modern man – even Neolithic Man he despised as a mere herder of cattle, and he did not rise to enthusiasm until he reached the Mausterian period. (…)  it fell to me to undertake the practical side of living. I hate Palaeolithic Man and I always reflected what a fortunate circumstance it was that they became extinct in remote Ages .“ Trotz der Heirat mit einem vermögenden Mann, wählt sie ein Leben außerhalb gesellschaftlicher Konventionen auf einer einsamen Insel in Afrika.
  • Eine einfache Frau aus dem Mittelstand, die viele Jahre eine alte Dame gepflegt hatte, kommt in „The Mystery of the Blue Train“ (1928) zu Geld und beginnt das Leben zu genießen. Obwohl sie über 30 Jahre alt ist, wird sie in spannende Abenteuer verwickelt: „Autumn, yes, it was autumn for her. She who had never known spring or summer, and would never know them now. Something she had lost never could be given to her again. These years of servitude in St. Mary Mead – and all the while life passing by.“

Immer wieder verblüffend ist der präzise Blick, den Christie auf ihre Zeitgenossen und deren Aktivitäten wirft. Sie fängt hierbei die Essenz einer Zeit ebenso ein, wie viele Details in Wortwahl, Gesprächsthemen und typischen Settings. Auch heute sind ihre Detektivgeschichten aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts deshalb eine spannende, vergnügliche und informative Lektüre.

Hier geht es zu den besonderen Krimi-Tipps von Markus und Louisa.

Und hier finden sich andere Krimis, die wir besprochen haben.

Deutschland in Gefahr: Wie ein schwacher Staat unsere Sicherheit aufs Spiel setzt. Rainer Wendt

Endlich einmal ein Bestseller in diesem Blog! Steht schon auf dem Einband!! Schon die 3. Auflage noch im Erscheinungsjahr!!!
Das Thema: Sicherheit in Deutschland und die Aufgabe des Staats, diese zu gewährleisten. Das Fazit des Autoren Rainer Wendt, Präsident der Deutschen Polizeigewerkschaft: Es steht zunehmend schlechter um die Sicherheit; der sich selbst schwächende deutsche Staat lässt dies zu.

Wendt kommt vom Fach: Er hat Polizei gelernt, war lange aktiv, bevor er in die Polizeigewerkschaft wechselte. Er hat Meinungen und äußert sie offen. Er bietet Reibungsfläche, denn vor eine unbegrenzte Auswahl von Grautönen gestellt, neigt er zu weiß oder schwarz. Wobei die Farbe Weiß in der Regel für die Polizei vorgesehen ist, die verantwortungsbewusst und kompetent trotz widriger Umstände ihr Möglichstes tut. Er adressiert ein aktuelles Thema vor dem Hintergrund von Asylbewerbern und illegaler Immigration, von AfD und Terrorismus, vor einer hoch emotionalen Öffentlichkeit in Deutschland. Dies alles erklärt, warum das Buch ein Bestseller ist. Und es erklärt auch, warum viele Rezensenten sich sehr positiv äußern: Endlich ein Fachmann, der die Dinge beim Namen nennt – sollte Pflichtlektüre für alle Bürger werden. 46 von aktuell 67 Rezensenten bei Amazon geben 5 von 5 Sternen.

Zornig ist Wendt, sarkastisch, besserwisserisch. Polemisch schreibt er, durchaus populistisch, mit so einfachen Sätzen, dass er wirklich für alle zu lesen und zu verstehen ist. In Wikipedia wird er beschrieben als „schillernd, polternd, populistisch, konservativ, medial allgegenwärtig und vor allem polarisierend“.

Sachlich ist er damit nicht und bietet seinen Lesern nie die Möglichkeit, sich eine eigene Meinung auf Basis solider Fakten und ausgewogener Argumentation zu bilden. Damit klärt Wendt nicht auf, er macht Stimmung. Quellen und Zahlen kommen fast nicht vor. Man kann ihm glauben, aber nur aus dem Bauch heraus – es sei denn, man macht sich die Mühe, selbst zu forschen und zu analysieren. Das hätte doch aber der Fachmann Wendt selber viel leichter leisten können.

Hier einige Beispiele für Darstellungen von Wendt:
„Und diejenigen, die die Polizei jahrzehntelang geschwächt, beschimpft und in ihren Wirkungsmöglichkeiten bekämpft haben, sind jetzt wieder die ersten, die ihr Versagen und Unfähigkeit vorwerfen. Das alte Spiel, durchschaubar, jämmerlich und verantwortunglos.“
„Beispiel Hauptstadt: Mit todernstem Gesicht und staatstragender Miene verkündet der Regierende Bürgermeister, dass man jetzt mehr Personal braucht. (…) Donnerwetter, da ist ja in den vergangenen zwanzig Jahren ein richtig kluger Gedanke gereift. In der Bundespolizei nicht besser. (…) Seit Jahren ein Personalfehl von rund 3000 Stellen. Und jetzt: trara! 3000 neue Stellen beschlossen.“
„Die öffentliche Diskussion um das Zeigen der Deutschlandfahne zur Zeit der Europameisterschaft im Fußball hat die deutsche Diskussionskultur in all ihrer Lächerlichkeit verdeutlicht. (…) Jetzt soll auch die Bevölkerung selbst ihr Land nicht mehr lieben und achten dürfen, wenn sie nicht in die Nähe von Nazis und Rassisten gerückt werden wollen. Das ist gefährliches Absurdistan und das meinen manche richtig ernst.“

Diese fehlende Sachlichkeit ist zu bedauern. Denn viele von Wendts Beobachtungen sind sicherlich richtig und viele seiner Vorschläge sind zumindest überlegenswert, wenn es um Stärkung von Polizei und Justiz geht, um klarere Regeln und Verfahrensweisen bei Zuwanderung und Asyl, die dann auch eingehalten werden. Dabei muss man seiner Anregung, dem angeblichen Mehrheitswillen zu folgen und zukünftig den Bundespräsidenten direkt wählen zu lassen, allerdings vielleicht nicht unbedingt folgen.

Bluestockings – The Remarkable Story of the First Women to Fight for an Education. Jane Robinson

Bluestockings erzählt die Geschichte von universitärer Bildung für Frauen in Grossbritanien. Das Buch von Robinson geht dieser in 10 Kapiteln nach. Nicht nur ziehen sich negative Bewertungen weiblicher Intelligenz durch die öffentliche Disskussion im 19. Jahrhundert. Bildung für Frauen wurde auch als schädlich für die Gesellschaft angesehen: Die Energie, die das Denken benötigt, fehlt dann dem Uterus, um gesunde Kinder empfangen und gebären zu können. Also: entweder gebären oder denken: „(…) no woman could follow a course of higher education without running some risk of becoming sterile.“

Die Bezeichnung Blaustrümpfe / Bluestockings

Der erste Blaustrumpf war ein Mann: Benjamin Stillingfleet tauchte derart bekleidet im Kreis der gelehrten Diskussionsrunde auf, die sich regelmäßig zu intellektuellen Gesprächen im Haus von Elisabeth Montagu in Mayfair traf. Das war 1765 (nicht ungewöhnlich) und die meisten Mitglieder waren Frauen (sehr ungewöhnlich): „Stillingfleet’s tendency to eccentricity was shared by other members of the group. The very idea of a female’s opinion actually mattering to the intelligentsia was unconventional, for a start.“

Die ersten Frauen-Colleges

In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Mädchen zunehmend zu Prüfungen der Ausbildungsinstitute in ihrer Region zugelassen. Aus heutiger Sicht wirken die Prüfungsthemen ambitioniert. Hier als Beispiel die Themen von Edith Class aus Leeds, die 1909 Botanik studierte : „It expects candidates to cope with a panoply of questions, from the nature of sin, or Macchiavellianism, to the American system of taxation; to be able to draw a map of Queensland, Australia, labelling its railways and rivers; and to compose essays on military training, spelling reform, or Florence Nightingale.“

Aus Mädchenschulen, die auf die Aufnahmeprüfungen der Universitäten vorbereiten oder eine Alternative sein sollten, entwickelten sich erste Frauen-Colleges: z. B.

  • Benslow House in 1869, daraus wurde 1873 Girton College in Cambridge
  • 1879 Somerville Hall und Lady Margaret Hall in Oxford
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Universitätsabschlüsse für Frauen

Bereits ab 1830 haben einzelne Bildungseinrichtungen Frauen zu Vorlesungen zugelassen. Bereits? Ja, denn Cambridge als letzte  (Oxford 1920) Universität in GB erteilte Studentinnen erst 1948 offizielle Abschlüsse. Sowohl die Zulassung von Studentinnen zu Vorlesungen wie auch die Möglichkeit, Prüfungen abzulegen, wurden an vielen britischen Universitäten durch heftige Proteste der männlichen Studenten begleitet, erschwert und verhindert. Bei diesen Protesten wurden Steine geworfen und Strohpuppen bekleidet mit Frauen-Unterwäsche verbrannt. Eine amüsante literarische Darstellung dieser Auseinandersetzungen bietet „Gaudy Night“, der Krimi von Dorothy L. Sayers, deutsch unter dem Titel  „Aufruhr in Oxford“ zu haben und sehr nett verfilmt 1987 mit Peter Petherbridge und Harriet Walter.

Trotz Studium kaum Berufsaussichten

Auch nach einem Studium, welches mit brilliantem Ergebnis abgeschlossen wurde, gab es nur wenige Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen. Die offensichtlichste Lösung war es, Lehrerin zu werden oder sogar eine eigene Schule zu gründen. Gesellschaftlich erwartet wurde eher, dass die universitäre Ausbildung dann in der Erziehung der eigenen Kinder Früchte tragen würde.

Am Anfang des Buchs bietet eine chronologische Übersicht über alle entscheidenden Meilensteine einen praktischen Einstieg in das Thema. Außerdem verfügt das Buch über eine gute Bibliografie.

Das Buch selbst ist eine gründliche Darstellung aller relevanten Fakten und Entwicklungsphasen. Ein reines Vergnügen ist die Lektüre allerdings nicht. Zum einen möglicherweise, da die Geschichte vom Zugang von Mädchen und Frauen zu Bildung nicht immer heiter war, zum anderen jedoch auch, da dem Buch ein paar Funken Witz bestimmt gut getan hätten. Auch eine weniger detailbezogene Erzählweise hätte das Lesevergnügen gefördert. Für einen vergnüglichen Einstieg in die Thematik bleibt dann ja dennoch „Gaudy Night“.

Naked emperors: Criticisms of English contemporary art. Brian Sewell

Balsam für die geschundenen Nerven und Minderwertigkeitskomplexe all derer, die mit zeitgenössischer Kunst wenig anfangen können und oft von Kunstverständigen und Künstlern als Ignoranten und Banausen apostrophiert werden. Biestig für die zeitgenössischen Künstler und ihre Förderer, die sich von einem kompetenten und eloquenten Kritiker konfrontiert sehen. Für alle gemeinsam aber ein Buch, das hält, was es verspricht: Kritische Äußerungen über die englische zeitgenössische Kunst.

Wie das Foto erkennen lässt, war der 2015 verstorbene Sewell jemand, dem man durchaus selbst-ironische Tendenzen unterstellen kann. Kunst hingegen nahm er sehr ernst. Und das nahm man ihm übel. 1994 hielten es 35 (!) Protagonisten der zeitgenössischen Kunst für an der Zeit, ihm in einem offenen Brief an den „Evening Standard“ (für den Sewell als Kunstkritiker tätig war) vorzuwerfen: „homophobia“, „misogyny“, „demagogy“, „hypocrisy“, „artistic prejudice“, „formulaic insults“ und „predictable scurrility“.

Offensichtlich wurde Sewell als Kritiker sehr ernst genommen, ein verstecktes Kompliment immerhin. Mit einigen der Vorwürfe hatten die Kritiker des Kritikers auch bestimmt recht. Entkräftet haben sie seine Kritik an ihrer Kunst und ihrem Kunstverständnis damit allerdings nicht. Eingeschüchtert haben sie Sewell bestimmt nicht, denn der kritisierte emsig und jetzt noch vielbeachteter weiter.

Ein Ergebnis ist die Zusammenstellung von Artikeln Brian Sewells, die alle im „London Evening Standard“ erschienen sind. Sie sind allesamt auf hohem sprachlichen und auch intellektuellem Niveau auf den Punkt geschrieben, voll wunderbarer Formulierungen, erfrischend boshaft und keinesfalls anbetend Heiligen-verehrend.

Nein, die englische moderne Kunst hat wirklich keinen Fan an Brian Sewell. Dafür aber hat er gute Gründe, die er immer wieder beredt (und ziemlich unwidersprochen) darlegt.

Zu seinen kritischen Argumenten über zeitgenössische Künstler gehört vor allem, dass viele von ihnen letztlich nichts anderes tun, als immer wieder das umgedrehte Urinal von Marcel Duchamps von vor über einhundert Jahren zu kopieren, mit dem dieser damals seine Zeitgenossen provozieren wollte. Auch kritisiert er die Ideenarmut vieler Künstler, die über Jahrzehnte nicht mehr als eine einzige Idee zu variieren scheinen. Und er bedauert, dass echte handwerkliche Kunstfertigkeit nichts mehr gilt.

Den Förderern dieser Kunst wirft er Selbstbereicherung und Volksverdummung vor. In England (und sicherlich nicht nur dort) schiebt sich anscheinend eine recht kleine Clique von Museumsdirektoren und Kuratoren, gemeinnützigen Institutionen, Galeristen, Sammlern und Künstlern wechselseitig die monetären Schneebälle zu.

Dabei findet er nicht alles uniform schlecht, sondern differenziert und nuanciert. Tracy Emin, Damien Hirst, die Chapman Brothers und Lucian Freud zum Beispiel werden jeweils sehr anders von ihm beurteilt. Auch die großen Promotoren der englischen modernen Kunst, die Werbegröße Charles Saatchi und der Tate-Chef Nicholas Serota, werden nicht nur kritisiert, sondern auch in Teilaspekten positiv gewürdigt.

Sewell zu zitieren ist nicht leicht: Die Auswahl ist zu schwierig wegen der Fülle prägnanter Zitate. Zu einer Retrospektive englischer Kunst der Jahre 1965-1975 in der Whitechapel Gallery schreibt er im Jahr 2000:
„In revisiting this pretentious and dull trivia, the Whitechapel Gallery reminds us how arid it all was to both eye and intellect, and how utterly familiar it is, partly because the work of those contributing artists who are still alive has changed so little in the passage of a generation, and partly because so much of what they did has been done again and again by student imitators imitating imitations. It is all very well to argue that art must be disassociated from the skills of art, but to disassociate so far that the skills become disreputable, their exercise clear proof that the practitioner is not an artist, results in visual mayhem (…).“

Oder in einem Artikel von 1999:
„For twenty years I have locked horns with successive chairmen, panjandrums, secretaries and Councillors of the Arts Council, probing their Byzantine methods of selection and appointment, their often outrageous exploitation of appointment for professional advantage, and their buddy-boy and back-scratching patronage and subsidy, and with every poke and prod the stink of corruption has oozed froms this long-standing midden.“

Eine beeindruckende Sammlung knackig-kompetenter Kritiken. Nur das Cover ist völlig unvorteilhaft fad.
Naked Emperors: Criticisms of English Contemporary Art

Gut getroffen und fair – glaube ich – ist sein Nachruf im Guardian.

Die Cambridge-Morde. Dilwyn Rees

„Prehistoric and early Wales“, „The prehistoric chamber tombs of England and Wales“, „The Greeks until Alexander“ und dann das: „The Cambridge murders“ – „Die Cambridge-Morde“, der Erstlingskrimi von Glyn Daniel, unter dem Pseudonym Dilwyn Rees veröffentlicht, erschienen 1945.

Glyn Daniel steht in der langen Reihe von Universitätsdozenten aus Cambridge und Oxford (Tolkien, um nur einen zu nennen!), die sich auch leichterer Literatur zugewendet haben. Er selbst war als Fellow des renommierten St. John’s College – 10 Nobelpreise, das bekommen manche Länder nicht zusammen! – an der Universität Cambridge als Disney Professor of Archaeology tätig und saß damit auf einem der gewichtigsten archäologischen Lehrstühle überhaupt. Seine Hobbies hat er beschrieben als „field archaeology, travel , and wine-tasting (all three mainly in France), golf and squash (both of which I do badly), music – and detective fiction.“ Das Bild zeigt ihn obenauf in situ bei seinem ersten Hobby.

Detective fiction kann er gut, auch wenn er nicht mehr sehr bekannt hierfür ist (und auch damals nicht sehr bekannt war).

Für „The Cambridge murders“ ist es wichtig, dass Daniel am St. John’s College war. Denn nicht nur widmet er den Krimi „To the Master and Fellows – and more particularly the Dean – of my own College, the College of St John the Evangelist“, die Handlung spielt auch recht offensichtlich in diesem College. Die Camouflage eines Fisher College (Thomas Fisher war einer der Gründer von  St. John’s), das zwischen Trinity und St John’s College liegen soll, ist schnell durchschaut, spätestens beim Blick auf den dem Krimi vorgeschalteten Lageplan des angeblich Fisher College.

Der Krimi hat Daniel wohl beim Schreiben bereits viel Vergnügen gemacht und macht auch beim Lesen Spaß, wie sich bereits am ersten Satz ahnen lässt:
„To those who were educated in the older and more beautiful of the two ancient Universities there is no need to explain that Fisher College lies between Trinity and St John’s (…).“
Er ist dynamisch und spannend geschrieben und mit genügend Lokalkolorit ausgestattet. Der Plot ist ganz schön verwickelt mit vielen Verdächtigen und noch mehr Spuren, die allesamt anscheinend ins Nichts (und auch nach Frankreich) führen. Held der Geschichte: der Archäologieprofessor von St. John’s (Ähnlichkeiten mit dem Autoren sind wahrscheinlich rein zufälliger Natur, denn „Every character in this book is entirely fictitious and no reference whatever is intended to any living person.“)

Erstaunlich, aber nicht ungerechtfertigt: Sein zweiter Krimi, „Welcome death“, wurde sogar ins Deutsche übersetzt. Und zumindest in Englisch sind beide – sogar als Hörbuch! – immer noch passabel zu bekommen.