Playback. Raymond Chandler

Verlässliche Krimis – Raymond Chandler mit Private Eye Philip Marlowe. Das weiß man aus den Verfilmungen mit Humphrey Bogart in der Rolle des Detektivs. Und die zugrunde liegenden Bücher bestätigen den Eindruck.

Keine schöne Welt, die Raymond Chandler beschreibt im schönen Kalifornien. Viel Alkohol, viel Gewalt, die Polizei korrupt, die Reichen und Mächtigen über dem Gesetz, verbaler Schlagabtausch statt Gespräche, Liebe beschränkt auf das Körperliche, die Anständigen sterben zuerst.

„Playback“ ist der letzte Philip Marlowe. Chandler hat ihn 1958 geschrieben.

Er passt sehr gut in die Reihe der sogenannten „hard-boiled“ Krimis mit ihrer Brutalität, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit:
„He had stood by the sink in his kitchen and knotted the rubber tube around his arm, then clenched his fist to make the vein stand out, then shot a syringe full of morphine sulphate into his blood stream. (…) Then he had laid the syringe down and released the knotted tube. It wouldn’t be long, not a shot directly into the blood stream. The he had gone out to his privy and stood on the seat and knotted the wire around his throat. By that time he would be dizzy. He could stand there and wait until his knees went slack and the weight of his body took care of the rest. He would know nothing. He would already be asleep.
I closed the door on him. I didn’t go back into the house. As I went along the side towards Polton’s Lane, that handsome residential street, the parrot inside the shack heard me and screeched ‚Quién es? Quién es? Quién es?‘
Who is it? Nobody, friend. Just a footfall in the night.
I walked softly, going away.“

Zugleich hat er aber überraschende, versöhnliche, sogar optimistische Töne, die in den anderen Romanen fast völlig fehlen:
„‚How can such a hard man be so gentle?‘ she asked wonderingly.
‚If I wasn’t hard, I wouldn’t be alive. If I couldn’t ever be gentle, I wouldn’t deserve to be alive.'“

Und ein Happy End?

Gelesen habe ich eine Penguin Ausgabe von 1963. Er ist unter demselben Titel auch in deutsch zu bekommen, nicht nur antiquarisch.

 

Krimi: A Right to Die. Rex Stout

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Ich weiß nicht, ob ich mich schon positiv über einen Krimi von Rex Stout geäußert habe. Wenn nein: Auch dieser Nero Wolfe-Roman hält sein gewohnt hohes, durchaus literarisches Niveau mit dynamischem Jazz-Age-Stil, guten Charakteren, spannendem Plot.

Was diesen Krimi besonders macht, ist, dass der Hauptverdächtige (und Klient von Wolfe und damit nicht der Täter) ein afro-amerikanischer Bürgerrechtler ist. Auf dem glatten Parkett der Beziehungen zwischen Weißen und Farbigen in den USA bewegt sich Rex Stout recht gewandt, ohne es sich immer einfach zu machen:
Out of eight people, at nine o‘ clock in the evening, you would expect at least two or three to be thirsty enough or bushed enough to want a drink, but they all said no. It couldn’t have been because of my manners, offering to serve people of an inferior race. First, two of them were white, and second, when I consider myself superior to anyone, as I frequently do, I need a better reason than his skin.

Oder:
„I’m going to tell you something my wife said the other day. We were discussing the trial (…) and we got to talking about you, and she said, ‚I wish he was a Negro‘.“ He smiled. „Now there’s a compliment.“
Wolfe grunted. „If I were, Mr Goodwin would have to be one too.“

Gelesen habe ich die englische Taschenbuchausgabe von 1974. Antiquarisch vielleicht zu bekommen ist eine deutschsprachige Ausgabe unter dem wie so oft eigenwilligen Titel „Wenn Licht ins Dunkle fällt“ aus dem Jahr 1967.

Nero Wolfe im Werbe-Milieu: Before Midnight. Rex Stout

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Nach längerer Zeit habe ich wieder einen Nero Wolfe-Krimi von Rex Stout gelesen. Er ist unter dem Titel „Vor Mitternacht“ auch in Deutsch erschienen. Allerdings bekommt man ihn – wie auch (fast?) alle anderen seiner Bücher – nur noch antiquarisch. Erstaunlich, dass ein echter Klassiker der Krimi-Autoren hierzulande so vernachlässigt ist. Und dabei sind die Nero Wolfe-Romane literarisch durchaus anspruchsvoll geschrieben, witzig und spannend, mit interessanten und gut konstruierten Plots. Fehlt Blut und Brutalität, um aktuell verlegt zu werden? Before Midnight spielt in der Welt von Kosmetik- und Werbeunternehmen, wo der eine oder andere Machtkampf tobt, persönliche Eitelkeiten gepflegt werden und auch gehörig Dreck an den Stecken klebt. Die zwei Morde, zu denen dies führt, löst Nero Wolfe mit Intelligenz, aber vor allem, weil ihn die Ereignisse überholen und kaum noch eine andere Lösung bleibt.