Das Land, wo die Zitronen blühen. Helena Attlee

Das Land, wo die Zitronen blühen – ein Goethe-Zitat als Titel. Aber dennoch: Dieses Buch gibt es nur in englischer Sprache. So heißt es also „The land where lemons grow“, geschrieben von Helena Attlee, erschienen 2014.
Früchte, Blüten und Blätter der Orange (Citrus ×sinensis)

Das ideale Buch für die vergangenen Tage in Deutschland mit Temperaturen um die 40°C. Ein Zitronensorbet dazu – oder auch nur eisgekühltes Wasser mit Zitronen- und Orangenscheiben darin – dann noch ein Liegestuhl im Schatten – schon kann’s losgehen.
Zitrusvielfalt – Zitruseinheit – Zitrustage

Helena Attlee ist im englischsprachigen Raum als Spezialistin für Gärten bekannt. Gärten in der Provence, in Japan, in England, in Wales: Hierzu gibt es jeweils ein einschlägiges Buch. Und natürlich auch über Gärten in Italien in gleich mehreren verschiedenen Büchern.
LITERARY FESTIVAL: Helena Attlee - Northcote | Luxury Hotel and ...

„Das Land, wo die Zitronen blühen“ fällt dabei etwas aus dem Rahmen. Zwar geht es natürlich auch um Gärten, denn dort wachsen die entsprechenden Zitrusbäume. Viel mehr geht es aber um Botanik, Kulturgeschichte, Olfaktorik. Außerdem ums Reisen in Italien. Und ganz besonders um Küche. Abgerundet mit etwas Geschichte: politisch, medizinisch, kriminologisch, sprachlich. Einem Hauch Literatur. Und einer Prise Autobiographie.
Citron | Leonardi, Vincenzo | V&A Search the Collections

Alles aufs angenehmste durchmischt. Kein Aspekt wird zuviel (ganz sicher nicht zu viel: die Illustrationen – keine einzige!!!! bei diesem Thema!!!! das gleichen wir in diesem Blog mal schnell aus!!!!!). Die Autorin gönnt sich den Luxus, eine klare Struktur zu haben und ihr nicht zu folgen. Ein Buch also erfrischend ohne jede Pedanterie. Eher spielerisch. Jedenfalls genießend. Immer mit dem Duft von Zitrusblüten.
Bergamot - MasterLin

Jetzt weiß ich, was es mit Bergamotte auf sich hat. Mir ist vertraut, wie ein Campari Orange richtig auf italienisch heißt und warum dieses Getränk einen doppelten Bezug zu Zitrusfrüchten hat. Ich könnte (theoretisch) Zitronat herstellen. Ich weiß Bescheid über die Ursprünge der Mafia auf Sizilien. Ich kenne mich mit Chinotto aus. Ich kann erklären, warum welche Zitrusfrucht für das jüdische Sukkothfest verwendet wird und welche Konsequenzen das für ihre Ernte hat. Mir ist bekannt, wo die besten handgemachten Zitrusmarmeladen hergestellt werden. Ich kann erklären, warum die Äpfel der Hesperiden gar keine Äpfel waren. Und mir ist nicht verborgen, dass all die vielen Zitruspflanzen nicht aus Europa stammen, sondern aus Asien.
Chinotto Sparkling Soda Bottles by Niasca Portofino (pack of 4 ...

Ein anregendes Buch also, mit Vergnügen zu lesen. Und danach: ab nach Italien!
wo die Zitronen blühen? - Goethe | werbung | Reiseposter, Italien ...

H wie Habicht. Helen MacDonald

Die Bestseller und der Blogger

Die Verlage tun einiges, um dieses Buch – „H wie Habicht“ von Helen Macdonald – ramschig zu machen. Die englische Ausgabe prahlt mit „Costa Book of the Year“ auf dem Cover (Costa ist eine britische Coffee-To-Go-Kette). Die deutsche hält da mit: „Spiegel-Bestseller“, werden wir informiert. Für Leser wie mich, bei denen Bestsellerlisten ein skeptisches Lächeln im Gesicht auslösen, ist das natürlich nichts.
Falconer and Author Helen Macdonald on Dialogue - YouTube

Gekauft und gelesen habe ich es aber dann doch, allerdings erst, als es nicht mehr auf den Bestsellerlisten war (und obendrein gebraucht – reduziert das finanzielle Risiko, ein Buch gekauft zu haben, das mir dann wie erwartet nicht gefällt…). Gereizt hat mich das Thema: Mensch schafft sich einen Habicht an, richtet ihn zur Jagd ab und lernt sich dadurch selber besser kennen. Und die Kombination mit dem Bestsellertum: Wie kann so etwas in den Mainstream gelangen?

Helen Macdonald: Schreiberin von Naturthemen

Helen Macdonald, Jahrgang 1970, ist Wissenschaftshistorikerin an der Universität Cambridge und schreibt offensichtlich gerne über Naturthemen, insbesondere Greifvögel. Vor ihrem Habichtbuch, erschienen 2014, hat sie bereits eines über Falken geschrieben.
Helen Macdonald on What Falconry Can Teach Us About Our ...

„H wie Habicht“ ist, wie ich finde, ein sehr seltsames und äußerst bemerkenswertes Buch.

Autobiographie und Biographie und Kulturgeschichte und Ornithologie und….

  • Es ist ganz offensichtlich autobiographisch: Es geht um die Autorin selbst in dem Jahr nach dem Tod ihres Vaters, der eine große Rolle in ihrem Leben gespielt hat. Zusätzlich ist es auch fremd-biographisch: In diese Autobiographie eingewoben ist die Lebengeschichte von T.H. White, der heute am meisten  durch seine Bücher über die Artussage bekannt ist, ebenfalls einen Habicht abrichtete und darüber auch ein Buch geschrieben hat, welches Macdonald schon in jungen Jahren erstmalig las. White wird von Macdonald als psychisch schwer angeschlagen, fast pathologisch geschildert, eine weitere Parallele zu ihrer eigenen Verfassung nach dem Tod ihres Vaters. Beide werden außerdem  grundsätzlich als Menschen beschrieben, die eher für sich sind, keine Herdentiere.
  • Ornithologisch ist das Buch: Man erfährt viel über Habichte. Und kulturgeschichtlich , denn man lernt auch eine Menge über Falknerei in der Geschichte und in verschiedenen Kulturkreisen.

Die Autorin und der Habicht: eine gelungene Koexistenz

  • Das Buch kommt mit wenig aus. Zwei Hauptpersonen: Macdonald und White. Jeweils dazu: ein Habicht. Andere Menschen tauchen auf, aber immer nur vorübergehend, unwesentlich, Statisten. Auch der Plot ist einfachst: Vater gestorben – jungen Habicht gekauft und abgerichtet – gemeinsame Jagderlebnisse – vorübergehende Abgabe des Habichts zur Mauser.
  • Macdonald entgeht jeglicher Gefahr, den Habicht zu vermenschlichen. Ja, er (genauer: sie, mit Namen Mabel) ist ihr Gegenüber, ihre Partnerin in diesem Buch. Aber der Habicht ist eine Persönlichkeit für sich, definitiv kein Mensch, ganz anders, ganz Habicht. Diesen Greifvogel für sich zu lassen, ihn nicht zu vereinnahmen, ist vielleicht die größte Leistung von Macdonald in diesem Buch.

Schwebende Intensität

  • Getragen wird alles durch die Intensität, mit der Macdonald schreibt. Alles ist sehr real, unmittelbar. Man sieht den Habicht quasi vor sich, spürt sein Gewicht, seine Kraft, sieht seine Augen, seinen Schnabel, seine Klauen. Ebenso real sind erstaunlicherweise die Gedanken von Macdonald, ihre Gefühle, ihr Verhältnis zum Habicht, ihr Nachdenken über sich, das Leben, die Umwelt, ihren Vater.
  • So real dies alles ist, so schwebend, so atmosphärisch bleibt es gleichzeitig. Alles ist wie in einem Morgennebel im Herbst im Fenland um Cambridge, wenn man mit sich und seinem Habicht allein ist, es riecht nach Holzfeuer und feuchtem Laub.

Ach so, fast vergessen, Empfehlung natürlich. Ist doch klar. Sonst hätte das Buch doch nicht den Samuel-Johnson-Preis gewonnen.

How to Train Your Raptor | The New Yorker

Tiere als Architekten: Bauen und die Evolution der Intelligenz. James R. Gould und Carol Grant Gould

Tier und Intelligenz?

Wie einzigartig ist eigentlich der Mensch? Intelligenz, Bewußtsein, Sprache, Fähigkeit zu Sozialverhalten, Planung der Zukunft, Gestaltung seiner Umwelt, Sinn für Ästhetik, das macht doch den Menschen aus, macht ihn besonders, hebt ihn über die Tierwelt hinaus, oder?

Wer all das weiter glauben und unterschreiben möchte, sollte das Buch der beiden Experten zu Evolution und Tierverhalten lieber nicht lesen.

Die Autoren

James Gould ist Professor für Ökologie und Evolutionäre Biologie in Princeton. Seine Frau Carol Grant Gould ist als Wissenschaftsjournalistin spezialisiert auf Bücher über Tierverhalten für die breitere Öffentlichkeit. Ihr Buch über „Animal Architects“ erschien 2007. Englisch muss man können, um es zu lesen. Noch kein deutsch-sprachiger Verlag hat es übersetzt.

Tiere als Baumeister

Erstaunlich viele Tiere bauen. Recht spontan fallen einem Spinnen ein, Wespen und Bienen, Ameisen und Termiten, Vögel mit ihren Nestern, Biber mit ihren Dämmen. All diese Beispiele (und natürlich einige mehr) beleuchten auch die beiden Goulds.
Der Laubenvogel („Bowerbird“) und sexuelle Selektion | BIRDS ...

Das Fazit der Autoren

Viele Verhaltensmuster dieser Tiere basieren auf Instinkten und quasi vorgegebenen Programmen (wie auch beim Menschen). Andere Verhalten dagegen lassen sich nicht erklären, ohne auf Intelligenz, Bewußtsein, Planung und sogar ästhetisches Empfinden zurückzugreifen. Honigbienen verwenden Sprache, Termiten bauen Gebäude von einer Größe und Komplexität, wie sie – relativ zur Körpergröße – von Menschen nicht erreicht werden, Laubenvögel gestalten ihre Balzplätze offensichtlich ästhetisch, Biber berücksichtigen die möglichen Pegelstände ihrer aquatischen Umwelt bei der Gestaltung ihrer Bauten und Dämme.
Biber

Der Mensch mit seinem aussergewöhnlich hohen Quotienten aus Gehirn- und Körpervolumen unterscheidet sich damit nur graduell von anderen Tieren, nicht aber prinzipiell.

Meine Meinung zum Buch

Gut und eingängig beschrieben – gelegentlich amüsant, etwas häufiger vielleicht zu wissenschaftsschreibelastig – nachvollziehbar strukturiert – immer fundiert, beschreiben die beiden  Goulds, wie beeindruckend die Tierwelt sein kann. Wer die etwas wenigen und tristen Illustrationen durch Besseres ergänzen möchte, kann auf ein Buch des Naturfotografen Ingo Arndt mit dem netten Titel „ArchitekTier“ zurückgreifen.

Ein durchaus lohnendes Buch, nicht nur für Imker und Arachnophile.
Net-casting Spider (Deinopis subrufa) [Bushpea 8/10] Large

Die Erfindung der Naturwissenschaften. David Wootton

Lieber nicht lesen?

Die Penguin-Ausgabe zählt 769 Seiten. Obendrein in Englisch, da sich noch keiner an eine Übersetzung herangewagt zu haben scheint… Rezensenten verwenden Begriffe wie „truly learned“, „deeply erudite“, „in (…) convincing detail“, „masterly account“, „magisterial“. Die Erwartung ist völlig klar: David Woottons Buch über die Erfindung der Naturwissenschaften – „the invention of science“ – ist nur etwas für die ganz und gar Hartgesottenen unter den Lesern (und Leserinnen), mit einer Menge Zeit, guten Nerven, Durchhaltevermögen. Viele Details. Viele Zitate. Viele Fußnoten. Viel zu viel.
Cundill Prize 2016 Finalist David Wootton - YouTube

Oder doch?

Und doch, da gibt es noch die anderen Schlagworte: „marvellous“, „fresh and compelling“, „gripping“, „to savour, to enjoy and to remember“, „beautifully written“. Also doch zumindest ein Hauch von Lesespaß zwischen all dem akademisch Beschwerten? Oder vielleicht sogar – verwegener Gedanke – vor allem ein Lese- und Denkspaß?

Gekauft habe ich den Wälzer, weil er mir empfohlen wurde. Dicke Bücher schrecken mich nicht. Außerdem lese ich sehr gerne Bücher von Simon Schama. Und der ist auch ganz unverschämt wissensschwer und bildungseitel.
Rhodri Marsden's Interesting Objects: Kepler's model of the ...

Schama und Wootton: Vielwisser, Querdenker, Welterklärer

Apropos Schama. Der Vergleich ist nämlich gar nicht schlecht. Beide Autoren, Schama und Wootton, haben neben ihren Belesenheit vier Dinge gemeinsam: Sie denken erstens offensichtlich gerne, meistens selbst und bevorzugt quer. Sie schaffen es zweitens, in all den Details Strukturen, Muster, Linien zu entdecken, die so intuitiv und so frappierend sind, dass einem gelegentlich der Mund offen steht, um mit dem Denken nachzukommen. Drittens sind sie keine Fachidioten, sondern stellen fachübergreifend immer mehrere Disziplinen zueinander in Bezug. Zuletzt, viertens, schreiben beide viel.  Für ihre Bücher braucht man meist eine Stütze und eine Transporthilfe. Andererseits: Warum kurz, wenn man soviel Interessantes und Neues zu sagen hat?

Also dann doch: Die Erfindung der Naturwissenschaften

Ich möchte gar nicht den Versuch machen, das Buch zusammenzufassen oder einige Inhalte exemplarisch hervorzuheben. Es ist tatsächlich eine exzellente Darstellung, wie, wodurch und durch wen im Zeitraum von 1572 (Tycho Brahe sieht eine Nova, einen neuen Stern) bis 1704 (die „Opticks“ von Newton werden veröffentlicht) eine Revolution der Naturwissenschaften stattfindet. Wie diese Revolution zugleich eine Art zu Denken und ein Vokabular einführt, das wir heute noch, völlig selbstverständlich, genauso verwenden. Wie letztlich unsere heutige Moderne entsteht. Dabei wird mit Vorurteilen, Selbstverständlichkeiten, Denkfehlern aufgeräumt, dass es einem ganz luftig im Kopf zumute wird. Trotz all der Details, die einem in demselben herumschwirren.
Image - Tycho Brahe in his observatory at the Castle of Ur

Mein Fazit

Toll. Die Zeit, dieses Buch zu lesen, sollte man sich nehmen. Man bekommt fast ein wenig Hochachtung vor dem Menschen und seinen geistigen Fähigkeiten, so mangelhaft sie auch sind, und versteht sich selbst und seine Umwelt hinterher besser. Mehr kann man von einem Buch doch eigentlich nicht verlangen, oder?

Etwas zu lesen zum Schluss

Ach so, vielleicht doch noch ein, zwei Zitate.

Eines von Descartes:
„Right understanding [unser Common Sense oder der gemeine Menschenverstand] is the most equally divided thing in the World; for every one beleeves himself so well stor’d with it, that even those who in all other things are the hardest to be pleas’d, seldom desire more of it than they have.“

Das andere von Wootton:
„(…) clocks provided an inpersonal mechanism for the coordination of community services (the saying of the offices in monasteries and cathedrals, the opening and closing of markets in town and cities). Egalitarian communities (cities, monasteries and cathedral chapters all chose their leaders through elections) are governed by the clock, while despotisms are not; clocks were given prominent, public places in monasteries, cathedrals and town halls, but they were slower to establish themselves in royal palaces. (…) These factors (…) were absent in China, and hence the Chinese admired clockwork but had no use for it.“
Daran kann man denken, sobald der eigene Chef (oder die eigene Chefin) einem den Terminplan ruiniert.
100 Years Carnegie: Newton: the Crucial Experiment

George Stubbs and the wide creation. Robin Blake

Bei einer Umfrage in Deutschland nach britischen Malern würde George Stubbs bestimmt weder gestützt noch ungestützt tolle Werte bekommen. In England sieht das schon besser aus, aber auch hier taucht er wahrscheinlich nicht unter den Top10 auf (auch wenn Jonathan Jones in seiner neuen Geschichte der britischen Kunst in sogar aufs Cover hebt! – siehe unseren Blogbeitrag).

George Stubbs – Tiermaler par excellence

Diese Beobachtung ist für George Stubbs, *1724, † 1806, durchaus typisch sogar zu seinen Lebzeiten.

Einerseits war er unter ferner liefen. Die Sujets, die er häufig malte, fallen in die Kategorie „Sonderinteressen“, meistens Tiere, vor allem Pferde. „Horse painter“ würden viele Engländer wahrscheinlich spontan über ihn sagen. Dabei hat er auch andere Tiere gemalt, Zebras, Nashörner, Affen, Kängurus und Elche.
Rhinoceros | Art UK Government puts export ban on George Stubbs' kangaroo and dingo ...Amazon.com: George Stubbs A Zebra, 1763 90x72 [Kitchen]: Prints ...
Das bringt einen natürlich nicht nach vorn in den Charts. Vorn, dort fand man im 18. Jahrhundert Historienmaler oder auch Porträtisten, die Maler der Großen, der staatstragenden Kunst, Maler wie Joshua Reynolds oder Thomas Gainsborough. Geholfen hat bestimmt nicht, dass Stubbs immer bodenständig war, pflichtbewusst, zurückhaltend. Kein Mann der Fassade mit überbordendem Sendebedürfnis und Sendungsbewußtsein.

Andererseits war er schon der Beste. George IV., als er noch Prinzregent war und George Augustus hieß, beauftragte Stubbs. Der sonstige Hochadel, angemessen stolz auf seine Pferdezucht und die hochdekorierten Rennpferde , kam um ihn nicht herum. In der Society of Artists, einem Vorläufer und dann Konkurrenten  der Royal Academy, war er eines der prominentesten Mitglieder. Und immerhin, eines seiner Gemälde, „Gimcrack mit einem Reitknecht auf Newmarket Heath“ erzielte bei einer Auktion den Preis von 48 Mio. $. Nicht schlecht für einen Tiermaler.
Gimcrack mit einem Reitknecht auf Newmarket Heath (George Stubbs)

Robin Blake – sensibler Biograph mit Augenmaß

Mit Robin Blake hat Stubbs endlich den richtigen Biographen gefunden. Er versteht etwas von Kunst – eine seiner anderen Biographien behandelt Anthony van Dyck. Rennpferde sind ihm eine Herzensangelegenheit. Er kann schreiben: Es ist beeindruckend, wie Blake immer wieder Dinge auf den Punkt bringt und mit wie wenigen Strichen er Atmosphäre und Charaktere schafft. Und er forscht gerne: Unter anderem ist es Blake gelungen, beim Durchstöbern von Kirchenbüchern herauszufinden, dass Stubbs bereits in jungen Jahren geheiratet hat, was vorher keiner bemerkt zu haben scheint.
Biography

Kleine Anmerkung zwischendurch: Die Ausgabe seiner Stubbs-Biographie von Ramdom House ist eigentlich ein Skandal und hat Blake nicht verdient. Selten habe ich Illustrationen so erbärmlicher Druckqualität gesehen. Ich frage mich tatsächlich, ob die sich etwas dabei gedacht haben?!

Anatomische Studien an Pferden

Schwer zu vergessen ist Blakes Schilderung davon, wie Stubbs von 1756 – 1759 in Horkstow, einem kleinen Ort in Lincolnshire, anatomische Pionierarbeit an Pferden leistet. Mit seiner Lebensgefährtin und Haushaltsperle – damals noch keine 20 Jahre alt – wuchtet er gemeinsam Pferdeleichen ins Obergeschoss, hängt eine faszinierende Vorrichtung an die Decke, um darin das Pferd in lebensechte Position zu bringen. Der Grund? Sicherlich Neugier, aber auch das Grundbedürfnis, so naturgetreu wie möglich zu malen. Und dafür muß man halt die Natur studieren. Gründlich. So wie schon Leonardo da Vinci, der in dieser Beziehung in Stubbs einen Nachfolger gefunden hat.
The first anatomical table of the skeleton of the horse by George ...

Stubbs, Erasmus von Rotterdam, Humbletonian und Herakles

Zuletzt möchte ich noch versuchen, eine Verbindung zwischen diesen etwas disparaten Namen herzustellen.

Erasmus von Rotterdam brauche ich, weil ich über ihn meinen letzten Blogbeitrag geschrieben habe (und weil er überhaupt nichts mit Stubbs gemein hat). Erasmus hat sich – unbescheiden wie er war – ganz gerne mit Herakles vergleichen. Seine extrem zeitaufwändige und nervenaufreibende Herausgeber-Arbeit an den Werken des heiligen Hieronymus hat er daher mit dem Begriff „die Mühen des Herakles“ bezeichnet.

Stubbs brauche ich natürlich auch, denn um ihn geht es hier. Blake berichtet über ihn: „Stubbs’s attachment to Hercules was great and long-lasting.“ Auch hat Stubbs drei große, leider verschollene, Gemälde mit dem griechischen Halbgott gemalt.

So weit, so gesichert.

Spekulativ wird es jetzt. Stubbs hat ein schon damals sehr umstrittenes Bild gemalt. Es zeigt eines der berühmtesten Rennpferde seiner Zeit – Name: Humbletonian – unmittelbar nach dem Gewinn eines der berühmtesten Pferderennen überhaupt. Das Bild ist so umstritten, weil Humbletonian erschöpft gezeigt wird, völlig erledigt nach einem Galopprennen über vier Meilen. So malt man keine Helden.
Hambletonian', Rubbing Down | Art UK

Humbletonian ist so erschöpft wie ein anderer Held, wie Herakles in einer der berühmtesten Skulpturen der Antike, dem Herakles Farnese. Er kann nicht mehr nach seinen zwölf Heldentaten, den Mühen des Herakles. Ein Kraftprotz, der nicht mehr kann und nicht mehr will und der vielleicht auch nicht weiß, wofür das alles gut gewesen ist.
Farnese Hercules | Hendrick Goltzius | 17.37.59 | Work of Art ...

Und damit hat sich der Kreis geschlossen.
George Stubbs – Wikipedia

The seabird’s cry: The lives and loves of puffins, gannets and other ocean voyagers. Adam Nicolson

„for an albatross to travel a thousand miles in its chosen wind is no more work than the effort made by a man watching cricket in a deckchair for a summer afternoon.“

Der erste Eindruck

Der Einband ist natürlich ein Hingucker. Ein Papageitaucher, Sympathieträger schlechthin in der Kategorie der Seevögel, schaut den Leser-in-spe an, groß und in Farbe. Was für ein Schnabel, was für Füße.
Dazu passend die verkaufsfördernden Zitate. Die Financial Times übernimmt den Schnabel-Part: „Extraordinary … nothing less than a masterpiece.“ Für die Füße der Observer: „A gorgeous book, a poetic, soaring exploration … Generous and beautifully composed.“
Aus dem Leben der Papageitaucher | Entdecken Sie Algarve

Auch grottenschlechte Bücher haben euphorische Zitate. Nicht alle jedoch haben einen Papageitaucher auf dem Cover. Hier kann man unbedenklich seiner Sympathie folgen.
Zumal Adam Nicolson – wie ich finde zurecht – den Ruf genießt, ausgezeichnete Bücher zu einer erstaunlichen Bandbreite an Themen zu schreiben. In diesem Blog schon besprochen sein Buch über Homer. Ebenfalls erwähnen möchte ich z.B. sein beeindruckendes und berührendes Buch über den englischen Landadel über die Jahrhunderte am Beispiel ausgewählter Familien – „The gentry: stories of the English“.
Six Questions For Adam Nicolson — The Island Review

Der Inhalt

Nicolson schreibt elf Kapitel. Zehn davon widmen sich je einer Art der Seevögel. Der freundliche Papageitaucher vom Einband ist mit dabei, ebenso zum Beispiel Albatross, Sturmvogel, Möwe und Kormoran. Das letzte Kapitel greift den Buchtitel „The seabird’s cry“ wieder auf.

In den Kapiteln lernt man die Seevögel mit ihren ganz spezifischen Eigenschaften und Angewohnheiten, ihrem Lebensraum und ihrer Geschichte kennen. Der Daily Telegraph bemerkt passend: „he nails their personalities perfectly“.
Royal albatros/toroa: New Zealand sea and shore birds

Das Besondere

Drei Punkte möchte ich besonders hervorheben.

  • Nicolson macht immer wieder überzeugend deutlich, dass Seevögel intelligent sind – sicherlich auf eine andere Art und Weise intelligent als der Mensch, aber unzweifelhaft intelligent. Sie sind keine rein instinkt-getriebenen Automata, sondern Lebewesen, die offensichtlich Entscheidungen treffen und auch über erkennbare Individualität verfügen.
  • Nicolson verwebt in seinen Kapiteln naturwissenschaftliche Erkenntnisse, eigene Beobachtungen und Erfahrungen, historische Darstellungen, kulturwissenschaftliche Anmerkungen und auch Dichtung auf unauffällige, leichtgängige Weise zu sehr atmosphärischen, nuancenreichen, vieldimensionalen Porträts.
  • Schwarz-weiß malt Nicolson nicht. Weder ist die Natur, hier: die Seevögel,  wirklich immer nett, schön, paradiesisch: Manche Küken sterben vor Hunger oder werden von ihren Geschwistern getötet. Das liest man nicht gerne.
    Noch sind die Menschen immer nur naturzerstörerische Finsterlinge (wenn das auch sicherlich überwiegend zutrifft…). Natur- und Artenschutzbemühungen werden erwähnt. Allerdings ebenfalls die leichtfertige und beiläufige Grausamkeit, die einige ornithologische Experimente billigend in Kauf nehmen.
    In einem Fall werden Natur und Mensch sogar kombiniert. Einem Mann, der einen verletzten Vogel retten möchte, zerstört dieser Vogel ein Auge.

Die Hochachtung

Was nach jedem Kapitel bleibt, ist Staunen und Hochachtung. Für Seevögel, die an der Ostküste Nordamerikas ausgesetzt zu ihrem Nest in England zurückfinden, die mehr als 100 Meter tief tauchen, die enge Bindungen zu ihren meist lebenslangen Partnern aufbauen, die jahrelang lernen, bevor sie Küken in die Welt setzen.

Und Freude darüber, dass jemand ihnen ein so gelungenes, erfreuliches Buch widmet.

Footsteps in the Forest. Sandra Knapp

Footsteps in the forest erzählt die Geschichte des unbekannten Entdeckers der Evolutionstheorie auf seiner ersten Reise, die ihn nach Südamerika führte.

Alfred Russel Wallace (1823-1913) schrieb im Fieberwahn seine Erkenntnisse auf, schickte aus Indonesien einen Brief mit diesem Inhalt an Darwin nach England, der daraufhin den Schreck seines Lebens bekam: Da stand doch tatsächlich all das, was er sich seit Jahren nicht traute, aufs Papier zu bringen!! Das war der Anstoß, für die „Entstehung der Arten durch natürliche Selektion“. Also ohne Wallace vielleicht nicht dieses berühmte Buch Darwins.

Der andere Entdecker der Evolutionstheorie im Pech

Wallace ist ein interessante Figur: talentiert, ein self-made man, der nicht aus der gebildeten englischen Oberschicht kam, der sich sein Geld verdienen musste, ein hervorragender Sammler und Präparator von Tieren, der oft Pech im Leben hatte. Nicht nur, weil Darwin für zwei Jahrhunderte den Ruhm für die Evolutionstheorie bekam. Und er nicht.

Reise ins Amazonas-Becken

Der Untertitel erklärt, worum es im Buch geht „Alfred Russel Wallace in the Amazon“: In seinen noch jungen Jahren ging Wallace nach Südamerika mit dem Ziel, dort Vögel zu fangen, auszustopfen und diese dann in England wieder zu verkaufen. Er drang in vier Jahren weit ins Inland vor, fertigte Karten des Rio Negro und des Amazonas an, studierte Fische und Palmenarten. Als er 1852 zurück nach England fuhr, ging mit dem Schiff, das ihn selbst transportierte, auch seine Sammlung unter. Er behielt sein Leben und einen kleinen Metallkoffer, mit ein paar Zeichnungen…

Verriss – ab in die Mülltonne

Wallace scheint nicht nur ein tapferer Mann, nicht nur ein interessanter, sondern auch noch ein netter gewesen zu sein.

Von all dem zeigt das Buch: nichts.

Das beste dieses Buchs – neben seinem Protagonisten – ist sein Einband. Der Rest ist einfach langweilig. Geschrieben hat es eine Spezialistin für Pflanzen am Natural History Museum in London. Diese reiht Auszüge aus Wallace´ Tagebuch aneinander. Ihre Überleitungen sind in der Regel so: „As he went further and further up the Rio Negro and then the Rio Vaupés, he discovered more and more to fascinate him.“ Da möchte man doch fast antworten: is that so?

Das hat aber Alfred Russel Wallace nicht geholfen. Dem Buch auch nicht.

Definitiv keine Empfehlung.

Am Anfang war kein Mond. Thomas de Padova

Der Untertitel beschreibt, worum es in diesem Buch von Thomas de Padova geht:
„40 Science-Storys, wie unser Sonnensystem entstand und das Leben auf die Erde kam“.
Der Weg von der Erde zum Mond wird immer weiter - WELT

Eigentlich würde ich ein Buch mit dem Begriff „Science-Storys“ eher nicht in die Hand nehmen. Dieser Fall ist eine Ausnahme. Es ist mir empfohlen worden. Außerdem habe ich schon ein anderes Buch von de Padova gelesen (auch in diesem Blog besprochen!) und gut gefunden.

Ich bin froh, der Empfehlung gefolgt zu sein. Man lernt viel in diesem Buch. Durch die Aufteilung der Inhalte in 40 Kapitel von jeweils ca. 5 Seiten Länge sind die Häppchen auch für Wenig- oder Langsam-Leser sehr leicht verdaubar. Der unterhaltsame, erzählfreudige, unprätentiöse Schreibstil von de Padova hilft zusätzlich. Und die Fotos, die jeweils am Anfang der Kapitel stehen, machen ohnehin neugierig und Lust aufs Lesen.

Beeindruckt haben mich zum Beispiel Kapitel 18. Weihnachten auf dem Eis und 19. Ein Stein für Weise. In ihnen geht es um Stein ALH84001. Gefunden wurde er in der Antarktis kurz nach Weihnachten 1984. Optisch macht er nicht viel her.  Seine Geschichte aber schon, denn es handelt sich um einen sehr besonderen Meteoriten.

  • Alter: ca. 4,5 Milliarden Jahre.
  • Herkunft: Mars.
  • Reisebeschreibung: vor ca. 15 Millionen Jahre durch einen Meteoriteneinschlag vom Mars abgesprengt, dann ca. 13.000 Jahre unterwegs bis zur Landung im äußersten Süden der Erde.
    The ALH 84001 Meteorite

Die diversen Marsroboter haben noch nichts vergleichbar Altes direkt auf dem Mars entdeckt. Obendrein enthält ALH84001 einige Bestandteile, die vielleicht auf Leben auf dem Mars hindeuten. Und vorher hatte keiner gedacht, dass ein Brocken vom Mars überhaupt seinen Weg über die etwa 60 Millionen Kilometer bis zur Erde finden könnte….

Beschrieben wird dies durch de Padova in einer Mischung aus Reisebericht und Wissenschaftskrimi mit den großen Augen eines neugierigen Menschen. Das macht viel Spaß.

„Am Anfang war kein Mond“ gibt es schon seit 2004. Damit ist es im Vergleich zu diesem 4,5 Milliarden Jahre alten Stein vom Mars immer noch tagaktuell. Es gibt viel in ihm zu entdecken.

Der Gesang des Dodo: eine Reise durch die Evolution der Inselwelten. David Quammen

Bei diesem Buch über die Biogeographie von Inseln – also über ein Sonderanwendungsfeld der Evolution – bin ich noch unschlüssig, wie gut es mir gefallen hat. Vielleicht ist es daher am Besten, meine zu heterogenen Eindrücke zu schildern.
Galapagos Venture | Intrepid Travel

Der Autor

David Quammen, Jahrgang 1948,  ist ein typischer amerikanischer Vielschreiber, spezialisiert auf Themen der Naturgeschichte. Hierfür hat er zahlreiche Preise bekommen und wurde unter anderem als „one of the most eloquent and intelligent writers on natural history at work today“ bezeichnet.
David Quammen's Biography.

Das Thema seines Buches

Wie wirken sich Inseln auf Artenreichtum, Evolution, Artensterben aus? Außerdem: Wenn man die Fragmente von Lebensräumen auf dem Festland auch als Inseln begreift (und sie zeigen alle Symptome von Inseln), was heißt das eigentlich für die Perspektive des Lebens global?
Quammens Beispiele reichen von Mauritius mit dem Dodo und dem Mauritiusfalken über Madagaskar mit seinen Lemuren, gefolgt von Indonesien und Neuguinea mit Komodo-Waranen und Paradiesvögeln, danach Galapagos mit Schildkröten und Finken bis zu Wasserschlangen im Süden der Vereinigten Staaten.
Indri Lemur | Sean Crane Photography
Seine Schlussfolgerung: Allein schon durch die fortschreitende Fragmentierung von Lebensräumen ist gesichert, dass wir ein Artensterben befördern, wie es das seit dem Aussterben der Dinosaurier nicht mehr gegeben hat.

Stärken von Buch und Autor

Quammens Buch beeindruckt durch eine ganze Reihe von Aspekten:

  • Quammen hat wissenschaftlich eine Menge Tiefgang. Er hat sehr viel über sein Thema gelesen, auch ältere Forschungsliteratur. Damit qualifiziert er sich nicht nur als natur-, sondern auch als wissenschaftsgeschichtlicher Autor.
  • Quammen reist gerne. Viele Orte (in diesem Fall: viele Inseln), die biogeographisch besonders relevant sind, hat er für dieses Buch selbst bereist. Das hilft ihm dabei, sehr lebendig und auch autobiographisch zu schreiben. In Teilen liest sich Der Gesang des Dodo wie ein erweiterter Reisebericht.
  • Quammen kann gut schreiben und strukturieren. Locker, spannend, flüssig, mitreißend – Der Gesang des Dodo ist extrem lesefreundlich geschrieben. Zugleich schafft es Quammen, den grundsätzlich chronologischen Aufbau des Buchs von der Forschung Darwins und Wallaces bis hin zur Gegenwart multidimensional aufzulockern: die Orte wechseln, mal führt er ein Interview mit einem Wissenschaftlicher, mal gibt es einen ereignisreichen Reisepart, dann rezipiert er die Denkrichtung der Forschung.
  • Quammen kann Inhalte vermitteln. Nach dem Lesen des Buchs hat man als Leser schon den Eindruck, substanziell viel über Biogeographie, Evolution, Artensterben gelernt zu haben, und das mit einigem Genuss.
  • Quammen nimmt sich die Zeit und den Platz, Sachverhalte ausführlich zu erklären und mit Beispielen zu hinterlegen.
    Wie das Leben lieben lernte - ZDFmediathek

Nicht ganz so überzeugend

Auf der anderen Seite drängen sich zwei Punkte auf:

  • Immer wieder einmal kam mir der Gedanke, dass man dasselbe nicht schlechter auch kürzer hätte schreiben können. Die englische Taschenbuchausgabe kommt auf 700 Seiten, die deutsche Übersetzung sogar auf 900. Das ist schon ein fast bibelartiges Format….
  • Und dann noch typisch amerikanisch: Abgesehen von Darwin und Wallace, den beiden Briten, um die man beim Thema Evolution wirklich nicht herum kommt, kommen ausschließlich amerikanische Wissenschaftler vor. Es ist sicherlich gut, dass es all diese Wissenschaftler gibt und bestimmt leisten sie Großes, andererseits ist hochklassige Wissenschaft nicht auf die USA und Menschen mit amerikanischer Staatsbürgerschaft beschränkt. Da liest sich Quammens Buch gelegentlich etwas scheuklappig oder gar provinziell.

Macht unter dem Strich

Lesen und dabei Zeit mitbringen.

First dodo skeleton to come up for sale in 100 years to be ...

Federn: Die Evolution eines Naturwunders. Thor Hanson

Auch Federn kann man wiederverwenden. Und so habe ich dieses Buch über Federn, erschienen im Jahr 2011, denn auch zum zweiten Mal gelesen. So etwas tue ich nicht oft und fast nur, wenn ich das Buch in guter Erinnerung habe.
Feathers: The Evolution of a Natural Miracle by Thor Hanson

Zugegeben, beim ersten Lesen hat es mir etwas besser gefallen, aber da war ja alles ganz neu und überraschend, so wie wenn man Federn das erste Mal genauer betrachtet, fasziniert davon, dass es so etwas Einfach-Kompliziertes natürlich gibt, etwas so Leichtes und Flexibles, das gleichzeitig so robust und stabil ist.

Thor Hanson, ein schreib-freudiger Biologe, schreibt äußerst lesefreundlich, locker, interessant, witzig, abwechslungsreich. Man merkt ihm die Begeisterung für sein Thema an, so sehr, dass sie sogar überspringt.
Thor Hanson – Town Hall Seattle

Sein Thema behandelt er in allen fedrigen Facetten: Evolution der Feder? Klar. Wachstum, Pflege, Ersatz von Federn? Auch drin. Kulturgeschichte der Feder? Sicher. Die Feder in der Mode? Schon kulturgeschichtlich abgedeckt. Besondere Federvarianten bei besonderen Vögeln? Selbstverständlich. Vergleich mit Versuchen des Menschen, sie nachzubauen? Natürlich. Der Gefahr eines buntgemischten Allerleis entgeht Hanson, indem er geschickt Überkapitel bildet:

  • Evolution mit allem zu Fossilien und frühen Vögeln
  • Fluff über die Isolier-Eigenschaft der Federn bei Hitze und Kälte
  • Flight darüber, wie toll sich mit Federn fliegen läßt
  • Fancy behandelt besonders auffällige Gefieder wie das der Paradiesvögel und ist damit unmittelbar bei der Menschenmode
  • Function beschreibt u.a. die Feder als Schreibinstrument.
    Ein Wunder der Evolution: Wie die Natur die Feder erfand ...

Außerdem bindet er alles dadurch zusammen, dass er immer wieder eigene Erlebnisse einbaut, sein eigenes ganz persönliches Staunen über ein tatsächlich geniales Wunderwerk der Evolution.

Gute Nachricht nebenbei: Seit 2016 gibt es das Buch auf deutsch.
Zweite gute Nachricht – es ist ja Weihnachten: Thor Hanson hat ebenso gute Bücher geschrieben über The Triumph of Seeds: How Grains, Nuts, Kernels, Pulses, and Pips Conquered the Plant Kingdom and Shaped Human History (noch nicht übersetzt) und Buzz: The Nature and Necessity of Bees (ebenfalls noch auf der Warteliste).
Dritte gute Nachricht – kann man ja nicht genug von haben: Es gibt eine beeindruckende deutsche Website mit (fast) allen Federn sehr vieler, nicht nur in Deutschland heimischer Vögel.