Textkünste: Buchrevolution um 1500. Hrsg. von Ulrich Johannes Schneider

„Buchrevolution um 1500“: ein ausgesprochen aktuelles Thema, natürlich nicht wegen der Jahreszahl 1500, sondern wegen der aktuellen Buchrevolution rund ums digitalisierte Lesen. Erster Blick ins Buch: prima, offensichtlich keine Kosten und Mühen gescheut. Das Impressum verrät: erschienen 2016, also sogar obendrein ganz frisch und zeitgenössisch. Das wird bestimmt gut.

Allerdings ist das Buch als Ausstellungskatalog und -begleitung unter der Ägide der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft und zweier Universitäten, Leipzig und Lyon, entstanden. Beginnende Skepsis. Wahrscheinlich doch so ein verstaubtes Elaborat deutschen universitären Schreibens. Da springt sofort eine Rezension in der Neuen Rundschau in die Bresche, endend mit: „Ein – zu guter Letzt – Wort an die Adresse der Stiftung Buchkunst: Das hier gehört zu den schönsten Büchern des Jahres! Es sollte unbedingt von Ihnen prämiert werden“.

Also, wie fand ich das Buch?
Fazit nach dem Lesen:
Das Thema ist so spannend und interessant, wie die Innengestaltung des Buchs aufwändig und gelungen ist. Die Texte des Buches sind so uninspiriert wie der Einband. Maximal.

Anfangs orientierte sich die Seitengestaltung von gedruckten Büchern am Erscheinungsbild von Handschriften. Zum Teil wurden sogar auch farbige Initialen ergänzt. Mitunter wurde auf Pergament gedruckt. Besser lesbar als Handschriften waren die Drucke (besonders für alternde Leser mit schwächeren Augen), günstiger in der Verbreitung, einfacher zu korrigieren.

Nachteile hatte der Buchdruck leider auch: Die Berufe der Schreiber und Illuminatoren begannen auszusterben. Unikate wurden durch „Massen“-Produkte ersetzt. Die Flexibilität des Schreibers zu sehr aufwändigen und filigranen Seitengestaltungen tat sich schwer gegen die ökonomischen Vereinfachungstendenzen der Buchdruckereien.

Aus der Fülle der Entwicklungen im ersten Jahrhundert des Buchdrucks greift „Textkunst“ einige wenige Themen heraus, vor allem die Gestaltung von Absätzen und Überschriften sowie die Einbindung von Illustrationen. Interessant sind dabei einige Beobachtungen wie die überraschend späte Erfindung von Seitenzahl und Titelblatt.

Ausgezeichnet und zahlreich sind die illustrativen Reproduktionen aus frühen gedruckten Büchern. Schade, dass ich die Ausstellung in Leipzig verpasst habe.

Aber vor allem schade, dass in so gut wie keinem der Aufsätze des Buches ein revolutionärer Funken überspringen mag. Beschreibend, betulich, vorsichtig, relativierend, fremdwortverliebt, satzbau-ungetümlich. Fast gänzlich ohne roten Faden, ohne Einordnung in den größeren historisch-kulturellen Kontext, ohne faszinierende Anekdoten über einzelne bahnbrechende Druckereien, ohne Blick auf das Ganze. Das Vorurteil sieht sich bestätigt: Faszinierend zu schreiben lernen deutsche Wissenschaftler nicht. Fans gewinnt man anders.

Trotzdem: Wegen des ausgezeichneten Bildmaterials ist das Buch nützlich – ein Hauch von Empfehlung.