Alexander der Große: Sohn der Götter. Alan Fildes und Joann Fletcher

Offensichtlich ein Buch, das man lesen sollte in den heutigen Zeiten, denn Alexander der Große war immer ein Vorbild für Regenten mit großem Anspruch, egal ob sie Cäsar, Napoleon oder anders hießen und heißen. Einen Aspekt wollten sie jedoch nie kopieren: Alexander starb im Alter von nur 32 Jahren.

Die Geschichte Alexanders des Großen ist schnell erzählt. Geburt als Sohn des Makedonenkönigs Philipp II, der schon damit begonnen hatte, aus dem völlig unbedeutenden Makedonien eine Militärmacht zu machen – Erziehung unter anderem durch Aristoteles – durch militärische Eroberung Aufbau des damals größten Weltreichs aller Zeiten (Griechenland, der gesamte nahe und mittlere Osten, Teile Indiens und Afghanistans, Ägypten, Libyen….), erste Rebellionen auch von seinen Freunden und Vertrauten, Tod im Jahr 323 vor unserer Zeitrechnung, Beerdigung in Alexandria. Mit ihm endete eine Epoche. Er begründete mit dem Hellenismus eine neue: kosmopolitisch, griechisch-geprägt, in seinem gesamten Herrschaftsgebiet. Danach übernahmen die Römer.

Die für den Erfolg wichtige mythische Überhöhung gibt es auch: Philipp II. war gar nicht sein Vater, sondern Zeus selbst; seine Mutter war eine Nachfahrin Achills; die Götter waren für ihn, wie die Orakel bestätigten; die Ägypter verehrten ihn sogar als Gott; er selbst fand das wohl recht angemessen und nachvollziehbar.

Und die Machtgeschichte obendrein. Sie ist so, wie solche Machtgeschichten meistens sind. Loyal gegenüber seinen Freunden und gegenüber Gegnern, die sich eines Besseren besannen – erbarmungslos gegenüber illoyalen Freunden und allen anderen, die sich ihm in den Weg stellten – bereit, große Opfer bei Soldaten und Zivilbevölkerung in Kauf zu nehmen.

Immerhin scheint er auch belesen, gebildet, intelligent und intellektuell neugierig gewesen zu sein. Und er hatte nie den Anspruch, eroberten anderen Kulturen seine eigene aufzuzwingen, im Gegenteil, er übernahm auch Sitten von ihnen. Das wiederum machte ihn bei seinen eigenen Makedonen etwas unbeliebt.

Faszinierend ist die Biographie Alexanders des Großen allemal. Er war noch blutjung, als er mit seinen Eroberungen begann. Er besiegte Weltreiche und Hochkulturen. Er kam in ferne, unbekannte Länder, die noch nicht einmal die Götter vorher erreicht hatten. Plus eine ordentliche Portion Sex and Crime.

Das Buch von Fildes und Fletcher ist bunt und ordentlich. Die Biographie wird in Kapiteln abgepackt, die jeweils auf zwei oder drei Seiten passen. Es gibt viele farbige Illustrationen. Die Sätze sind kurz und verständlich. Die Herangehensweise ist deskriptiv. Die Person Alexanders wird dabei als Held und Identifikationsfigur dargestellt (so wie das auch Karl May gemacht hätte), problematisiert und in einen größeren Kontext eingeordnet wird sie nicht. Eigentlich erzählen die beiden nur die antiken Quellen nach. Und eigentlich ist das zu wenig: Alexander selbst war da intellektueller.

Die Dichtungen des Kallimachos. Übertragen, eingeleitet, erklärt von Ernst Howald und Emil Staiger

Mit diesem griechisch-sprachigen Autoren kann man heute nun wirklich niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Kallimachos. Kenne ich nicht. Oder wenn ich schon von ihm gehört haben sollte: Verstaubt, kryptisch, abstrus. Ohnehin und bestimmt zurecht schon lange, lange tot.

Lange tot ist richtig: Kallimachos lebte im vierten und dritten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Geboren wurde er in Kyrene im heutigen Libyen, gelebt und gestorben ist er im ägyptischen Alexandria, gesprochen und geschrieben hat er in griechisch.

Für das westliche Abendland ist er wichtig, denn er arbeitete unter zwei ptolemäischen Pharaonen in Alexandria an der berühmten Bibliothek. Sein Hauptwerk (nur Fragmente noch vorhanden): der 120-bändige Autorenkatalog jeweils mit Kurzbiographie und Werkverzeichnis, der erste „wissenschaftliche“ Bibliothekskatalog. Ohne ihn wären viele antike Autoren wahrscheinlich nicht überliefert worden. Und ohne diese Autoren hätte sich das Abendland wahrscheinlich sehr anders entwickelt. Abgesehen davon, dass er selbst mit seinen Werken eine lange Reihe von Dichtern – beginnend mit Catull, Properz – sehr stark beeinflusst hat.

Pech hatte er: Eigentlich war er prädestiniert, Bibliotheksdirektor zu werden, aber wahrscheinlich wurde ihm sein Schüler vorgezogen. Um ein Haar wäre er selbst dem Vergessen anheimgefallen, den nur jeweils eine einzige mittelalterliche Handschrift hat zwei seiner Werke überliefert. Hinzugekommen sind zum Glück dann noch etliche Papyri mit Fragmenten auch anderer Werke.
P.Oxy. XI 1362

Der Dichter Kallimachos steht für kurze Werke. Er war immer gegen lange Epen in der homerischen Tradition. In seinen Worten: „μέγα βιβλίον μέγα κακόν – großes Buch, großes Übel“. Er steht für Sorgfalt und Eleganz beim Schreiben, für umfassende Gelehrtheit ohne Detail-Pedanterie, für Ironie und Witz und Parodie, für subtile Anspielungen im Kreis seiner Kollegen an der Bibliothek.

Aus meiner Sicht am leichtesten zugänglich sind seine sechs Götterhymnen, die auch am besten überliefert sind. Sie stehen in der Tradition Homers, dem auch einige Hymnen zugeschrieben wurden, aber sie sind in ihrem Charakter zutiefst hellenistisch-zeitgenössisch. Für mich dabei der Renner die Nummer 5, der Hymnus auf das Bad der Pallas. Unmittelbar packend, unterhaltsam, formvollendet, inklusive der Geschichte des Sehers Teiresias, der von Athena seines Augenlichts beraubt wird, da er sie nackt beim Bad sieht. Amüsanter die Nummer 3 auf Artemis, die als Baby auf dem Schoss ihres Vaters Zeus ihn komplett um den Finger wickelt.

Als Zitat etwas für die heutigen Manager aus der Nummer 1 auf Zeus:
„ἑσπέριος κεῖνός γε τελεῖ τά κεν ἦρι νοήσῃ,
ἑσπέριος τὰ μέγιστα, τὰ μείονα δ‘, εὖτε νοήσῃ.
οἳ δὲ τὰ μὲν πλειῶνι, τὰ δ‘ οὐχ ἑνί, τῶν δ‘ ἀπὸ πάμπαν
αὐτὸς ἄνην ἐκόλουσας, ἐνέκλασσας δὲ μενοινήν.“

„Abends führt er zu Ende, was er am Morgen bedachte,
Nur das Schwerste am Abend, das Leichtre, sobald er’s bedachte.
Andre brauchen ein Jahr und mehr, ja gänzlich verhinderst
Du Vollendung des öftern und brichst auseinander ihr Planen.“

Die Ausgabe von Howald und Staiger von 1955 ist  sehr zu empfehlen vor allem wegen der guten und lesbaren Erläuterungen, aber auch wegen der gelungenen, wenn auch altertümlichen Übersetzung im Versmaß.