Sylvia Plath und Ted Hughes: Du sagst es. Connie Palmen

Eine Frau beißt einen Mann in die Wange bis das Blut läuft.

Ist das Liebe?

So jedenfalls lernt sich im Buch von Connie Palmen eines der berühmtesten Liebespaare der modernen Literatur kennen.

Das Buch ist der fiktive Bericht einer leidenschaftlichen Liebesgeschichte, einer Ehe, einer Selbsttötung: aus der Sicht des männlichen Protagonisten, Ted Hughes. Hughes selbst hat in der Realität zur Beziehung zwischen Plath und ihm  geschwiegen. Im Archiv befindet sich allerdings eine versiegelte Kiste, die laut Testament erst 2023 geöffnet werden kann…

Warum ist diese Konstellation interessant?

Nach Plath’s Suizid im Jahr 1963 galt sie als Märtyrerin, Hughes als Verräter. Ihre Beziehung wurde in den Medien und von ihren Freunden immer wieder thematisiert, dabei mit großem Detailreichtum an die Öffentlichkeit gebracht.

Funktioniert die Fiktion?

Das Buch ist auf den ersten Blick eines: verblüffend überzeugend. Man nimmt Palmen die Stimme ab, die sie Hughes in den Mund legt.

„Es dauerte nicht lange, bis sie mir so vertraute, dass ich allmählich Risse in der Rüstung ihrer trügerischen Aufgeregtheit anbringen konnte. Weil sie auf meine Stimme reagierte wie ein neugeborenes Lamm auf das Blöken des Mutterschafs, konnte ich sie nach zwei missglückten Versuchen vollständig in Hypnose versetzen. Verdauung, Blutkreislauf, Atmung und schließlich ihre Träume – ich konnte sie mit meiner Stimme lenken.“

Dann, während des Weiterlesens, kommt die Frage auf, ob denn wirklich Sylvia Plath derart kindlich, so verängstigt, so hysterisch gewesen sein kann.

Noch später überzeugt mich dann der subtile Weg, auf welchem Palmen thematisiert, wie wenig Hughes seine Affairen infrage stellt und seine Rolle als Vaterfigur und Gottvater. Palmen läßt ihn fest davon ausgehen, dass dies seine Rollen in der Beziehung zu seiner Frau waren, ebenso selbstverständlich, dass seine Verhältnisse zu anderen Frauen notwendig waren.

Wer war Sylvia Plath?

Sie war eine amerikanische Schriftstellerin, geboren 1932, gestorben 1963. Als Plaths Hauptwerk gilt ihre Lyrik, insbesondere der nachgelassene Band „Ariel“ sowie ihr Roman „Die Glasglocke“. Ihre Werke werden zumeist im Kontext ihrer Lebensgeschichte gesehen und gelten als Bekenntnisliteratur. Ihr literarischer Erfolg setzte nach ihrem Suizid mit der Veröffentlichung nachgelassener Gedichte sowie der US-Publikation ihres Romans in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren ein. Plath wurde zu einer Symbolfigur der Frauenbewegung stilisiert und ihre Lebensgeschichte als Spiegelbild der Rolle der Frau in der Gesellschaft verstanden.

Tot geboren

Diese Gedichte leben nicht: eine traurige Diagnose.
Ihre Zehen und Finger sind richtig ausgebildet,
ihre kleinen Stirnen vor Konzentration gewölbt.
Sie haben es nie geschafft, umherzugehen wie Leute,
doch nicht etwa aus Mangel an Mutterliebe.

Ich begreife nicht, was aus ihnen geworden ist!
In Form und Zahl und allen Teilen sind sie gelungen.
Sie liegen so lieb in der Pökelflüssigkeit!
Sie lächeln und lächeln und lächeln mich an.
Und trotzdem füllen sich die Lungen nicht,
fangen die Herzen nicht an zu schlagen.

Sie sind keine Schweine, nicht einmal Fische,
obwohl sie etwas Schweinisches und Fischiges an sich haben –
es wäre besser, sie wären am Leben und wären diese Tiere.
Doch sie sind tot, und ihre Mutter ist halb tot vor Qual,
und sie starren nur dumm und sprechen nicht von ihr.

(Sylvia Plath, Stillborn, in der Übersetzung von Johannes Beilharz)

… und wer Ted Hughes?

Ted Hughes, 1930 bis 1998 war ein englischer Dichter und Schriftsteller. Er veröffentlichte angesehene Gedichtbände – der bedeutendste war „Crow“. Von 1984 bis zu seinem Tod war Hughes der von der britischen Königin berufene Nationaldichter Englands.

Last Letter

What happened that night, inside your hours
Is as unknown as if it never happened.
What accumulation of your whole life,
Like effort unconscious, like birth
Pushing through the membrane of each slow second
Into the next, happened
Only as if it could not happen
As if it was not Happening.

(Ted, Hughes, Strophe aus Last Letter, Informationen und Video zur Entdeckung des Gedichts auf dieser Seite…)

 

Gelesen habe ich die deutsche Übersetzung des niederländischen Originals. Mehr zur Autorin Connie Palmen hier…