Bei einer Umfrage in Deutschland nach britischen Malern würde George Stubbs bestimmt weder gestützt noch ungestützt tolle Werte bekommen. In England sieht das schon besser aus, aber auch hier taucht er wahrscheinlich nicht unter den Top10 auf (auch wenn Jonathan Jones in seiner neuen Geschichte der britischen Kunst in sogar aufs Cover hebt! – siehe unseren Blogbeitrag).
George Stubbs – Tiermaler par excellence
Diese Beobachtung ist für George Stubbs, *1724, † 1806, durchaus typisch sogar zu seinen Lebzeiten.
Einerseits war er unter ferner liefen. Die Sujets, die er häufig malte, fallen in die Kategorie „Sonderinteressen“, meistens Tiere, vor allem Pferde. „Horse painter“ würden viele Engländer wahrscheinlich spontan über ihn sagen. Dabei hat er auch andere Tiere gemalt, Zebras, Nashörner, Affen, Kängurus und Elche.
Das bringt einen natürlich nicht nach vorn in den Charts. Vorn, dort fand man im 18. Jahrhundert Historienmaler oder auch Porträtisten, die Maler der Großen, der staatstragenden Kunst, Maler wie Joshua Reynolds oder Thomas Gainsborough. Geholfen hat bestimmt nicht, dass Stubbs immer bodenständig war, pflichtbewusst, zurückhaltend. Kein Mann der Fassade mit überbordendem Sendebedürfnis und Sendungsbewußtsein.
Andererseits war er schon der Beste. George IV., als er noch Prinzregent war und George Augustus hieß, beauftragte Stubbs. Der sonstige Hochadel, angemessen stolz auf seine Pferdezucht und die hochdekorierten Rennpferde , kam um ihn nicht herum. In der Society of Artists, einem Vorläufer und dann Konkurrenten der Royal Academy, war er eines der prominentesten Mitglieder. Und immerhin, eines seiner Gemälde, „Gimcrack mit einem Reitknecht auf Newmarket Heath“ erzielte bei einer Auktion den Preis von 48 Mio. $. Nicht schlecht für einen Tiermaler.
Robin Blake – sensibler Biograph mit Augenmaß
Mit Robin Blake hat Stubbs endlich den richtigen Biographen gefunden. Er versteht etwas von Kunst – eine seiner anderen Biographien behandelt Anthony van Dyck. Rennpferde sind ihm eine Herzensangelegenheit. Er kann schreiben: Es ist beeindruckend, wie Blake immer wieder Dinge auf den Punkt bringt und mit wie wenigen Strichen er Atmosphäre und Charaktere schafft. Und er forscht gerne: Unter anderem ist es Blake gelungen, beim Durchstöbern von Kirchenbüchern herauszufinden, dass Stubbs bereits in jungen Jahren geheiratet hat, was vorher keiner bemerkt zu haben scheint.
Kleine Anmerkung zwischendurch: Die Ausgabe seiner Stubbs-Biographie von Ramdom House ist eigentlich ein Skandal und hat Blake nicht verdient. Selten habe ich Illustrationen so erbärmlicher Druckqualität gesehen. Ich frage mich tatsächlich, ob die sich etwas dabei gedacht haben?!
Anatomische Studien an Pferden
Schwer zu vergessen ist Blakes Schilderung davon, wie Stubbs von 1756 – 1759 in Horkstow, einem kleinen Ort in Lincolnshire, anatomische Pionierarbeit an Pferden leistet. Mit seiner Lebensgefährtin und Haushaltsperle – damals noch keine 20 Jahre alt – wuchtet er gemeinsam Pferdeleichen ins Obergeschoss, hängt eine faszinierende Vorrichtung an die Decke, um darin das Pferd in lebensechte Position zu bringen. Der Grund? Sicherlich Neugier, aber auch das Grundbedürfnis, so naturgetreu wie möglich zu malen. Und dafür muß man halt die Natur studieren. Gründlich. So wie schon Leonardo da Vinci, der in dieser Beziehung in Stubbs einen Nachfolger gefunden hat.
Stubbs, Erasmus von Rotterdam, Humbletonian und Herakles
Zuletzt möchte ich noch versuchen, eine Verbindung zwischen diesen etwas disparaten Namen herzustellen.
Erasmus von Rotterdam brauche ich, weil ich über ihn meinen letzten Blogbeitrag geschrieben habe (und weil er überhaupt nichts mit Stubbs gemein hat). Erasmus hat sich – unbescheiden wie er war – ganz gerne mit Herakles vergleichen. Seine extrem zeitaufwändige und nervenaufreibende Herausgeber-Arbeit an den Werken des heiligen Hieronymus hat er daher mit dem Begriff „die Mühen des Herakles“ bezeichnet.
Stubbs brauche ich natürlich auch, denn um ihn geht es hier. Blake berichtet über ihn: „Stubbs’s attachment to Hercules was great and long-lasting.“ Auch hat Stubbs drei große, leider verschollene, Gemälde mit dem griechischen Halbgott gemalt.
So weit, so gesichert.
Spekulativ wird es jetzt. Stubbs hat ein schon damals sehr umstrittenes Bild gemalt. Es zeigt eines der berühmtesten Rennpferde seiner Zeit – Name: Humbletonian – unmittelbar nach dem Gewinn eines der berühmtesten Pferderennen überhaupt. Das Bild ist so umstritten, weil Humbletonian erschöpft gezeigt wird, völlig erledigt nach einem Galopprennen über vier Meilen. So malt man keine Helden.
Humbletonian ist so erschöpft wie ein anderer Held, wie Herakles in einer der berühmtesten Skulpturen der Antike, dem Herakles Farnese. Er kann nicht mehr nach seinen zwölf Heldentaten, den Mühen des Herakles. Ein Kraftprotz, der nicht mehr kann und nicht mehr will und der vielleicht auch nicht weiß, wofür das alles gut gewesen ist.
Und damit hat sich der Kreis geschlossen.