Frauen der 1920er: Flappers – Six Women of a Dangerous Generation. Judith Mackrell

Ein wunderbares Buch über die 20er Jahre! Klug, wissensreich, spannend, anrührend und  – all dies und außerdem auf eine ungewöhnliche Weise erzählt.

Weshalb wurden in den Goldenen 20ern in New York fast täglich neue Cocktails  erfunden? Die Antwort hierauf und auf viele andere Fragen bietet „Flappers“ (Auflösung auch am Ende des Beitrags).
Das Buch ist so gut wie sein Cover. Am Beispiel von sechs Frauen, zeigt Mackrell wie Frauen nach dem 1. Weltkrieg begannen, neue, eigene Wege zu gehen, wodurch sie ermutigt wurden und welche Erfolge sie hatten. Und wie ihr Leben später weiter ging als die Zwanziger Jahre vorbei waren.

Ein Flapper ist das englische Äquivalent der Garsonne: Flappers were a generation of young Western women in the 1920s who wore short skirts, bobbed their hair, listened to jazz, and flaunted their disdain for what was then considered acceptable behavior. Flappers were seen as brash for wearing excessive makeup, drinking, treating sex in a casual manner, smoking, driving automobiles, and otherwise flouting social and sexual norms. Flappers had their origins in the liberal period of the Roaring Twenties, the social, political turbulence and increased transatlantic cultural exchange that followed the end of World War I, as well as the export of American jazz culture to Europe.“ So Wikipedia.

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Mackrell stellt dieses sechs Frauen in den Mittelpunkt ihres Buchs: Diana Cooper, Nancy Cunard, Tamara de Lempicka, Tallulah Bankhead (hier Eindrücke aus Movie Legends), Zelda Fitzgerald und Josephine Baker (Tanz-Video). Für sie alle waren die Zwanziger eine Zeit außergewöhnlicher individueller Entwicklungsmöglichkeiten. Als eine Gruppe von Frauen sind sie repräsentativ für ihre Zeit. Sie waren ambitioniert, waren (zeitweise) äußerst erfolgreich, lebten einen Teil ihres Lebens in Paris und genossen einen hohen Bekanntheitsgrad.

Über diese sechs Frauen schrieben bereits zu Lebzeiten Buchautoren und Journalisten, Fotografen, Filmemacher und Bildhauer machten ihre Gesichter bekannt. So wurden sie zu Vorbildern und Rollenmodellen für Tausende von jungen Frauen: „All these women lived many of their private moments on the public stage. Having made their names as writers, painters or performers, as well as popular celebrities, the things they said and did, the clothes they wore, were routinely reported in the press and had a widespread impact on other women. Yet stylish, talented and extraordinary as these six were, to imagine their lives now one has to look past the glamour and glare of their fame.“

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Möglich wurde dieser große Bekanntheitsgrad erst durch das sich schnell verbreitende Kino und die Werbung, die sich zum ersten Mal an eine große Zahl junger Frauen mit eigenem Einkommen richtete. Die Erzählform des Buchs besteht in sechs Kurzbiografien, die erklären, wie es sechs junge Frauen geschaft haben, ungewöhnliche Entscheidungen zu treffen. Danach kommen wieder sechs Kurzbiografien, die zeigen, wie ihr Leben weiterging. Eine Auswahl aus den vielen Faken, die die Autorin wie nebenbei für ein besseres Verständnis der Zeit mitliefert:

  • Morphium wurde als Stärkungs- und Beruhigungsmittel zunächst während des 1. Weltkriegs den Soldaten an der Front geschickt. Wie ein Medikament wurde es dann auch von zivilen Personen genutzt.
  • Haschisch wurde in den 20ern als Party-Droge oft in Kugelform verwendet und in Cocktails aufgelöst.
  • Cocktails wurden in New York täglich neu erfunden, um durch ihre intensiv schmeckenden Zutaten den unangenehmen Geschmack des schwarz-gebrannten Alkohols zu überdecken. Es herrschte ja Prohibition.

Und nach den Goldenen Zwanzigern? „This book ends on the cusp of the old and the new decade. It was the point at which the experimental party spirit of the Twenties was coming into collision with economic crisis, with the extreme politics of communism and fascism and the gathering clouds of war. And just as this moment heralded the the winding down of the jazz age, so too it marked the end of the flapper era.“

Einfach toll und sehr lesenswert!

The Seven Dials Mystery. Agatha Christie

In dieser Detektivgeschichte ist einiges los: Sieben Uhren ticken im Schlafzimmer eines jungen Mannes, der sich selbst getötet hat.

Sein Freund kann später sterbend nur noch „seven dials“ flüstern und so Jimmy Thesiger und Lady Eileen Brent auf die Spur eines zweifelhaften Nachtcubs in Soho führen… Außerdem kommen sieben Maskierte vor, die in einem versteckten Hinterzimmer planen, wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu stehlen und den nächsten Mord zu begehen… oder ist alles doch ganz anders?

Ein äußerst interessanter Aspekt der Krimis von Christie aus den Goldenen Zwanziger besteht darin, dass sie die Möglichkeiten, Persönlichkeiten und Entwicklungen junger Frauen durchspielt. Hierbei gibt sie ihren Protagonistinnen verschiedene gesellschaftliche und soziale Positionen, die die Atmosphäre der 1920er Jahre gekonnt einfangen:

  • In „The Seven Dials Mystery“ (1929) ist die Hauptfigur die Tochter eines Lords: „Bundle’s temperament was certainly not inherited from her father, whose prevailing characteristic was a wholly amiable inertia. As Bill Eversleigh had very justly remarked, the grass never did grow under Bundle’s feet.“ Nach vielen Abenteuern, in denen sie großen Mut beweist, heiratet sie einen adligen jungen Mann.
  • „The Secret of Chimneys“ (1925) hat als weibliche Protagonistin eine Adlige, die schließlich Königin eines Balkan-Staats wird: „Virginia Revel was just twenty-seven. She was tall and of an exquisite slimness – indeed, a poem might have been written to her slimness.“
  • Im wunderbaren Krimi „The Man in the Brown Suit“ (1924), der viel von einer James-Bond-Story hat, spielt Anne Beddingfeld die Hauptrolle. Sie ist die verarmte Tochter eines Professors, die sich brennend nach Abenteuern sehnt: „I’d always longed for adventures. You see, my life had such a dreadful sameness. My father, Professor Beddingfeld, was one of England’s greatest living authorities on Primitive Man. (…) Papa did not care for modern man – even Neolithic Man he despised as a mere herder of cattle, and he did not rise to enthusiasm until he reached the Mausterian period. (…)  it fell to me to undertake the practical side of living. I hate Palaeolithic Man and I always reflected what a fortunate circumstance it was that they became extinct in remote Ages .“ Trotz der Heirat mit einem vermögenden Mann, wählt sie ein Leben außerhalb gesellschaftlicher Konventionen auf einer einsamen Insel in Afrika.
  • Eine einfache Frau aus dem Mittelstand, die viele Jahre eine alte Dame gepflegt hatte, kommt in „The Mystery of the Blue Train“ (1928) zu Geld und beginnt das Leben zu genießen. Obwohl sie über 30 Jahre alt ist, wird sie in spannende Abenteuer verwickelt: „Autumn, yes, it was autumn for her. She who had never known spring or summer, and would never know them now. Something she had lost never could be given to her again. These years of servitude in St. Mary Mead – and all the while life passing by.“

Immer wieder verblüffend ist der präzise Blick, den Christie auf ihre Zeitgenossen und deren Aktivitäten wirft. Sie fängt hierbei die Essenz einer Zeit ebenso ein, wie viele Details in Wortwahl, Gesprächsthemen und typischen Settings. Auch heute sind ihre Detektivgeschichten aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts deshalb eine spannende, vergnügliche und informative Lektüre.

Hier geht es zu den besonderen Krimi-Tipps von Markus und Louisa.

Und hier finden sich andere Krimis, die wir besprochen haben.

Zerrissene Fäden – Die Zerstörung der jüdischen Modeindustrie in Deutschland und Österreich. Roberta S. Kremer

Wer an die Goldenen Zwanziger Jahre denkt, hat Cocktails, Autos und Lebenslust als Assoziationen. Dazu gehört auch elegante Kleidung. Wer an die Nachkriegszeit denkt, denkt auch an den Mangel an Kleidung. Dieses Buch beschreibt, wie die fantastische Mode der 20er auch ein Verdienst der vielen jüdischen Modemacher und Designer in Deutschland und Österreich war. Eine wichtige Rolle bei der Ausprägung des typischen Stils spielten auch die großen Kaufhäuser, die häufig im Besitz jüdischer Geschäftsleute waren. Während des Nationalsozialismus wurde die Mode-Branche systematisch „arisiert“. Die proklamierte Forderung der Nationalsozialisten war, dass Deutsche nur Kleidung tragen sollten, die ausschließlich von Deutschen gefertigt wurde. Der Effekt: jüdische Unternehmer wurden enteignet, deutsche Geschäftsleute übernahmen und ließen dann häufig ihre Waren durch jüdische Gefangene in  Konzentrationslagern nähen.

Zerrissene Fäden geht auf die Suche nach den jüdischen Protagonisten der deutschen und österreichischen Mode in den 1920er und 30er Jahren. In kurzen, klar umrissenen Kapiteln zeichnet das Buch die Geschichte von Juden und ihrem Beitrag zur Mode nach. Der Text ist packend geschrieben; jedes Kapitel ist mit vielen Fotos und Illustrationen angereichert. Ausgabe von 2013.