Occidentalism: The West in the Eyes of Its Enemies. Ian Buruma und Avishai Margalit

Schon im Jahr 2004 erschienen, ist dieses Buch über den sogenannten Okzidentalismus von Buruma und Margalit vor dem Hintergrund von islamistischem Terror, Selbstmordattentätern, populistischen/reaktionären Regierungen in Teilen Europas …. fortgesetzt und zunehmend relevant. Aber nicht nur die Aktualität des Themas, sondern auch die Qualität machen dieses Buch sehr empfehlenswert.

Der Begriff „Okzidentalismus“ ist – anders als Orientalismus – nicht etabliert und sprachlich leider auch nicht glücklich gewählt. Die Autoren definieren ihn so: „The dehumanizing picture of the West painted by ist enemies is what we have called Occidentalism.“  Eigentlich müsste man also wohl von „Anti-Okzidentalismus“ sprechen. Ziel der Autoren ist es, die Vorurteilscluster des Okzidentalismus herauszuarbeiten und seine historischen Wurzeln nachzuzeichnen. Der „Westen“ ist dabei definiert als die liberalen Demokratien weltweit, also auch zum Beispiel Indonesien und die Philippinen.

Frappierend, wie gut es den Autoren gelingt, deutlich zu machen, dass diese Wurzeln nicht im Islam liegen oder in Regionen weit weg von uns. Sie finden die Wurzeln hier in Europa; von hier wurde er exportiert, aufgegriffen und vielfältig entwickelt.

Ebenfalls frappierend die historischen Beispiele. Nicht nur der heutige Islamismus gehört dazu, sondern auch der Nationalsozialismus in Deutschland; Entwicklungen in Russland fallen in die Kategorie; Personen wie Wagner und Marx zeigen deutliche Symptome.

Das Buch ist nach wesentlichen Gruppierungen von Ideen des Okzidentalismus gegliedert: „The Occidental City“, „Heroes and Merchants“, „Mind of the West“, „Wrath of God“ and „Seeds of Revolution“. Hierbei ist es jeweils sehr hilfreich, dass Personen, die die jeweils relevante Erscheinungsform der okzidentalistischen Ideologie stark geprägt haben – für den Islamismus zum Beispiel Osama bin Laden oder Sayyid Qutb, auch in Originalzitaten zu Wort kommen.

Buruma und Margalit schreiben in erster Linie journalistisch, in zweiter als Historiker und Ideengeschichtler. Das macht ihr Buch sehr gut lesbar und gewährleistet – wenn auch gelegentlich etwas zugespitzt und vereinfachend – Substanz.

Eine Leseprobe aus dem Kapitel über „The Occidental City“:
„By the time the Khmer Rouge had done their work and left Phnom Penh a ghost town (…) more than two million people had been murdered or worked to death. (…) Like the Al Qaeda raid on New York’s twin towers, it was an actual as well as a symbolic revenge. Phnom Penh, to the Khmer Rouge, was evil, inauthentic, capitalist, ethnically mixed, Westernized, degenerate, and compromised by colonialism. City people did not have to be treated with humanity, since they had already lost their souls. (…) by smashing the wicked city, the Khmer Rouge would restore purity and virtue to the ancient land.“

Gelesen habe ich die erste Auflage von 2004. Das Buch erschien 2005 auch in deutscher Übersetzung. Der deutsche Klappentext beschreibt es zutreffend als „Ein provokatives Buch, in bester aufklärerischer Tradition.“