Ich habe keine Feinde, ich kenne keinen Hass. Liu Xiaobo

Vor wenigen Tagen ist der chinesische Dissident und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo gestorben. Dies habe ich zum Anlass genommen, diesen Band mit ausgewählten Schriften und Gedichten zu lesen, der erstmals 2011 erschienen ist.

Liu Xiaobo, geboren 1955, war einer der Protagonisten der Studentenproteste auf dem Tiananmen-Platz von 1989. Im Jahr 2008 verfasste er mit anderen gemeinsam die Charta 08, in der unter anderem Demokratie, Rechtsstaat, Meinungsfreiheit für China gefordert werden. Daraufhin wurde er verhaftet, ein Jahr später zu elf Jahren Gefängnis verurteilt und starb jetzt an einer Krebserkrankung. Der Friedensnobelpreis wurde ihm 2010 verliehen. Eine Entgegennahme des Preises wurde vom chinesischen Staat verhindert.

Was ich gelesen habe, hat mich sehr beeindruckt, auch die Gedichte, von denen ich vorher nicht einmal wusste, dass er welche geschrieben hat. Liu war sehr deutlich und klar und auf den Punkt, in seiner Kritik am aktuellen chinesischen politischen System und der herrschenden materialistischen Kultur, in seinen Zielvorstellungen, in seiner Gewaltfreiheit, in der Zurücknahme seiner eigenen Person, auch in einer gewissen Bescheidenheit. Dabei neigt er deutlich dazu, Negatives zu betonen, ist also – wie er auch selbst sagt – nicht ausgewogen und emotional. Differenziert ist er allerdings, sehr gebildet, sehr intelligent, nicht naiv, nicht zynisch, sondern freundlich, beharrlich, bereit für die Konsequenzen dessen, was er für richtig und notwendig hält. Dass ihn die chinesische Regierung und die chinesischen Behörden als Gefahr einstuften, ist leicht nachzuvollziehen.

Die Schriften umfassen ein weites Feld: Politik, Kultur, auch dokumentarische Schriften wie die Ankündigung des Hungerstreiks 1989, die Charta 08, seine Verteidigung vor Gericht, das Urteil gegen ihn. Und eben auch Gedichte, vor Allem an seine Frau. Hieraus aus ein Zitat:
„Liebe
schließ dich nicht zu
du sollst nicht allein
der Verlierer Verzweiflung beneiden
öffne die Tür
nimm auch mich als Verlierer
mach mich
zum traurigen Grund weiterzuleben
lass den stillen Rauch deiner Zigarette
zwischen uns steigen“