Dieses Buch über Cixi, die letzte Herrscherin Chinas vor dem Ende des Kaiserreichs und dem Beginn des Kommunismus, habe ich mit großer Überraschung und viel Vergnügen gelesen.
Meine Erwartung war bereits recht hoch. Hatte ich doch früher schon ein anderes Buch der Autorin, „Wilde Schwäne, Die Frauen meiner Familie“, gelesen, ebenfalls eine Biographie, jedoch in diesem Fall über ihre eigene Familie. Damals fand ich, dass Jung Chang sehr informativ, einfühlsam und flott schreibt, und mir vorgenommen, bei Gelegenheit ein weiteres ihrer Bücher zu lesen.
Das Buch über Cixi, erschienen in englischer Sprache im Jahr 2013 (die deutsche Übersetzung folgte bereits 2014), beschäftigt sich mit einer Frau, die für mich bisher eher negativ besetzt war, die – wie ich dachte und andernorts gelesen hatte – viel mit dem Scheitern zu tun hatte: Unter ihr ging es richtig bergab mit dem chinesischen Kaiserreich, intrigant, brutal und rücksichtslos, der Tradition verhaftet, eine Feindin jeglicher Modernisierung. Ein echtes Anti-Vorbild. Auch der aktuelle Wikipedia-Beitrag über die Qing-Dynastie widerspricht hier nicht….
Diese Sperrigkeit wurde vielleicht noch verstärkt, da Cixi auf praktisch keinem ihrer Fotos lächelt, und durch ihren Namen, bei dem man in Deutschland nicht so genau weiß, ob „Zicksi“ (?) oder „Kicksi“ (?) ein schlechter Scherz sein soll oder ernst gemeint ist. Man redet mal besser nicht über sie, bevor man den Namen eventuell falsch ausspricht.
Nach dem Lesen dieses Buchs ist mein Bild Cixis deutlich anders. Nicht erfahren habe ich darin, dass die richtige Aussprache ihres Namens eine andere ist: 慈禧 spricht sich „zöchi“ aus, die erste Silbe mit der Stimme nach oben, die zweite erst tief, dann nach oben gezogen. Klingt ganz interessant. Die beiden Silben ihres Namens bedeuten „barmherzig, freundlich“ und „Glück“ – das wiederum steht auch im Buch.
Sehr überrascht war ich davon, dass Cixi – geboren 1835, gestorben 1908 – tatsächlich sehr viel dafür getan hat, China zu modernisieren. Sie hat vorangetrieben, dass Elektrizität, die Eisenbahn, Telegraphen und andere Erfindungen nach China kamen. Einige der unerfreulichsten körperlichen Strafen wurden von ihr abgeschafft und auch das Binden der Füße bei Frauen beendet. Sie war politisch sehr gewieft, obwohl sie als Frau de iure nicht regieren durfte. Meinungs- und Pressefreiheit wurden von ihr unterstützt und gefördert. Sogar die Umwandlung des Kaiserreichs in eine konstitutionelle Monarchie mit recht weitgehendem Wahlrecht hat sie auf den Weg gebracht – allerdings kam dann ihr Tod und anschließend die chinesische Republik dazwischen.
Eine Heilige war sie damit trotzdem nicht. Sie beging eine Reihe von fatalen Fehlern während des Boxeraufstands. Auch hat sie schon das eine oder andere Leben auf der Gewissen. Sicherlich aber viel weniger, als sonst damals bei Kaisers üblich (auch zum Beispiel bei deutschen Kaisers, die in China nicht gerade zur Imagepflege unterwegs waren….).
Eine sehr beeindruckende und auch sehr faszinierende Persönlichkeit also. Leider teilte sie lange das Schicksal vieler einflußreicher Frauen. Bereits zu Lebzeiten wollte man ihr viel Übles nachsagen, nicht nur in China. Und für die Chefs der chinesischen Republik und anschließend der heutigen Volksrepublik China musste sie als Feindbild herhalten und wurde nach Kräften schlecht gemacht.
Jung Chang hat sich die Mühe gemacht, umfangreiche Quellenforschung zu betreiben und dieses Bild gerade zu rücken. Das ist ihr gelungen, auch wenn einige andere Forscher (weniger: Forscherinnen) ihren Schlussfolgerungen widersprechen. Und außerdem hat sie eine sehr vielschichtige, spannende und faszinierende Biographie über eine der einflußreichsten Persönlichkeiten Chinas geschrieben.
Wer mehr über China lesen möchte, kann auch hier schauen.