Shared Lives – Growing up in 50s Cape Town. Lyndall Gordon

Ein Buch über Südafrika, über junge Frauen, über Möglichkeiten zu leben und über den Umgang mit Erinnerung… „Shared Lives – Growing up in 50s Cape Town“ von Lyndall Gordon ist ein  Buch zwischen Geplauder und Tragik.

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Worum geht es in „Shared Lives“?

Es geht um die Geschichte einer Gruppe junger Mädchen, die im Kapstadt der 50er Jahre aufwuchsen. Und im Hintergrund wie eine Kulisse, vor der sich das Leben der jungen Frauen abspielt, steht die Apartheitspolitik und stehen die Werte der jüdischen Gemeinde in Kapstadt.

Lyndall Gordon fragt sich und ihre Protagonistinnen, wie es für diese jungen Frauen wohl möglich sein kann, eigene Entscheidungen für das eigene Leben zu treffen, wenn andere – die weiße Gesellschaftsschicht, die jüdische Gemeinde, die eigenen Eltern , die Schulkameradinnen – nachdrücklich darauf bestehen, bereits zu wissen, wie diese Entscheidungen getroffen werden müssen. Früh heiraten ist eine dieser scheinbar selbstverständlichen bereits getroffenen Lebensentscheidungen.

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Wie erzält Lyndall Gordon dies?

Die Autorin verwendet eigene Erinnerungen, persönliche Tagebuchaufzeichnungen, Briefe der Freundinnen, Berichte von Ehemännern, Freunden, Dienstmädchen, Tanten, Müttern. Mit Hilfe dieser Bausteine erzählt sie chronologisch und kommt zum Ende des Buchs im Heute an.

Die so erzielte Erzählweise nutzt viele Perspektiven, führt handelnde Personen oft nur mit wenigen Charakterisierungen ein.

„As late as 1965, to become aware of the persistence of a life of one´s own was to be spoilt. This was the judgement of Uncle Louis in his deck-chair at Muizenberg. Uncle Louis said how much I had let myself go. A wife should not lose interest in her appearance.“

Diese Erzählweise spiegelt außerdem die zweite inhaltliche Frage Gordons: wie kann ein Mensch beschrieben werden, wie seine/ihre Motive, wie ist eine „wahre“ biografische Annäherung möglich? Und was bleibt von einem faszinierenden Menschen nach dem Tod? Woran kann die Erinnerung sich halten, womit festhalten, was diesen Menschen ausgemacht hat?

„We paused to look through the mist at the slow-moving river. I thought: I´ve become a listener to women and am learning something about their lives.“

Gordon, die Expertin für Biografien

Ihre hochkomplexen Methoden, sich dem Leben berühmter Schriftstellerinnen und Schriftsteller anzunähern, verwendet die Autorin nun für das Leben der Freundinnen und die eigene Erinnerung. Diesmal geht es nicht um Viginia Woolf oder Henry James, deren Biografien Gordon einige Berühmtheit gebracht haben. In „Shared Lives“ stehen erwachsen werdende Frauen aus Südafrika im Zentrum sowie deren Versuche, selbst bestimmte oder wenigstens erfüllte Lebenswege zu gehen.

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Zitat aus Wikipedia: Born in Cape Town, Lyndall Gordon was an undergraduate at the University of Cape Town, then a doctoral student at Columbia University in New York City. Gordon is the author of Eliot’s Early Years (1977), which won the British Academy’s Rose Mary Crawshay Prize;[3] Virginia Woolf: A Writer’s Life (1984), which won the James Tait Black Memorial Prize; Charlotte Brontë: A Passionate Life (1994), winner of the Cheltenham Prize for Literature; and Vindication: A Life of Mary Wollstonecraft, shortlisted for the BBC Four Samuel Johnson Prize. Her most recent publication is Lives Like Loaded Guns: Emily Dickinson and her Family’s Feuds (2010), which has overturned the established assumptions about the poet’s life.

Zu Südafrika haben wir auch ein Buch über Kap-holländische Häuser besprochen sowie eines über die Kolonial-Geschichte Südafrikas.

Südafrika: Cape Dutch Homesteads. David Goldblatt, Margaret Courtney-Clark

Südafrika: Cape Dutch Homesteads von David Goldblatt und Margaret Courtney-Clark. Wunderschön sind die Kap-holländischen weißen Häuser wie sie in der Landschaft liegen, von großen Bäumen umgeben und eingebettet in Weingärten.

Cape Dutch Homesteads

Gebaut von Sklaven

So schön, dass man darüber fast vergessen könnte, dass diese Häuser, gebaut zwischen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und 1800 als die Briten die Macht am Kap übernahmen, durch Sklaven gebaut wurden und der Wohlstand ihrer Besitzer durch die Arbeit von Sklaven entstand.

Architektur am Kap

Die Architektur dieser Häuser ist etwas ganz besonderes: in ihnen verschmelzen kulturelle Einflüssen aus den Niederlanden und aus Indonesien und Indien. Später hinterließen auch Ideen des europäischen Klassizismus ihre architektonischen Spuren an diesen Häusern. Es waren in der Regel malaiische Handwerker, die die schönen weißen Giebel formten; sie waren berühmt für ihr Geschick. Die Abtrennung zwischen formellem und informellem Wohnbereich zum Beispiel, der Screen, wurde aus Asien übernommen.

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Das wunderbare Buch von 1981 ist schon etwas älter und fasst den damaligen Forschungsstand knapp sowie gründlich zusammen. Sein großen Charme liegt darin, dass Goldblatt und Courtney-Clarke Fotografen sind, deren wunderbar stimmungsvolle Fotos durch einen gut verständlichen Text von John Kench ergänzt werden.  Das Buch enthält ausführliche Porträts von neun Häusern, in welchen deren wechselvolle Geschichte und heutige Bewohner vorgestellt werden, außerdem eine Einleitung und ein Nachwort mit dem thematischen Schwerpunkt Restaurierung.

Vergehendes Erbe

Um 1900 gab es noch 3000 Häuser dieser Art. Heute sind es nur noch etwas 300, die ein gutes Bild davon geben, wie damals in der Kap-Region von den „freien Bürgern“ gebaut und gelebt wurde. Die etwa 150jährige Geschichte dieser erstaunlichen Architekturen vermitteln die vielen Fotos sowie der ausgezeichnete Text anschaulich.

Good Hope – South Africa and the Netherlands from 1600. Martine Gosselink

Diese Geschichte Südafrikas ist etwas ganz Besonderes: sie bietet einen einfachen Einstieg ins Thema, verständliche Texte und interessante Bilder. Sie ist umfassend und fundiert, leistet eine multiperspektivische Annäherung.  Aus meiner Sicht ist „Good Hope“ ein durch und durch modernes Buch in Aufmachung, Themen und Inhalten. Erstaunlich gut. Verblüffend gut lesbar.

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Das Buch räumt auf mit dem Mythos eines leeren Landes, das durch die Holländer besiedelt wurde. Es erklärt, dass Sklaverei von Anfang an eine tragende Säule der Gesellschaft in Südafrika war. Eine besondere Leistung liegt darin, nachvollziehbar zu erklären, wie organisatorische Regelungen ganz unterschiedlicher Art zu verschiedenen Zeiten im Zusammenleben zwischen Weißen und Nicht-Weißen die Voraussetzung für Ausbeutung waren. „Good Hope“ macht deutlich, wie Europäer bereit waren, zu ihrem eigenen Vorteil jenseits von christlichem Glauben und Moral dem Antrieb der Gewinnmaximierung zu folgen. Und dies unabhängig von ihren jeweiligen Herkunftsländern. Link zum Video hier.

Aufbau von „Good Hope“

Das Buch ist chronologisch aufgebaut, beginnt mit der Bevölkerung Südafrikas, bevor Europäer sich dort niederließen, und endet in der heutigen Zeit. Viele kurze Texte sind in 21 thematische Kapitel sortiert. Jeder dieser Kurztexte ist in sich abgeschlossen. Deshalb kann man das Buch gut nach eigenen Vorlieben kreuz und quer lesen. Es hat 375 Seiten, hiervor zeigen über die Hälfte Abbildungen. Eine Fülle von Autorinnen und Autoren aus Südafrika und den Niederlanden eröffnet den Lesern den Blick auf historische, kulturelle und politische Aspekte.Bildergebnis für Good Hope South Africa and the Netherlands from 1600

Kapitel von „Good Hope“ (Auswahl)

  • The world the Dutch invaded: pre-colonial South Africa
  • Home from home: the colonists settle in
  • Slavery in South Africa
  • The early Muslim comminity
  • State, church and the people: the Dutch role in apartheid
  • Afrikaans: a language on the move

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Der Untertitel legt nahe, dass es nur um diejenigen Bereiche der gemeinsamen Geschichte geht, die Südafrika und die Niederlande teilen. Ja und nein. Ja, diese Beziehung von 1600 bis heute ist der inhaltliche Fokus des Buchs. Nein, denn auch andere Bereiche werden ausreichend deutlich erklärt, so z. B. die Rolle Englands in Südafrika oder die wechselvolle Geschichte von Transvaal, der Goldrausch und die Entdeckung von Diamanten.

„In the geopolitical flux of the twenty-first-century world it is intriguing to think about how colonial communities changed metropolitical societies. Some historians and political theorists have observed the profound influence that colonies and settlements in far-flung places have had on European countries, their knowledge, cultures, worldviews and power structures.“

„Good Hope“ ist durch das niederländische Rijksmuseum 2017 als Ausstellungskatalog der gleichnamigen Ausstellung herausgegeben worden. Material zur Ausstellung auf der Seite des Museums hier. Editiert wurde das Buch von Martine Gosselink, Maria Holtrop und Robert Ross.