Für jeden etwas dabei in diesem Buch über die bewegte Geschichte der ägyptischen Obelisken: Das alte Ägypten und Kleopatra, das alte Rom mit Cäsar und Augustus, die Kirche mit ihren Päpsten, Bernini und Elefanten, Napoleon und seine Abenteuer im Orient, die Ingenieursmeisterleistungen und -Katastrophen der Italiener, Franzosen, Engländer und Amerikaner, die bürokratischen Freuden Ägyptens. Alles umrahmt, beschattet, gestützt von Obelisken und illustriert mit vielen guten Bildern.
Bob Brier ist Ägyptologe in den Vereinigten Staaten und ein echter Vielschreiber. Er schreibt gut lesbar, spannend, journalistisch. Vor allem hat er immer den Blick auf Stoffe, die sich gut verkaufen: Pyramiden, Mumien, Tutankhamun. Ab und zu – wie in seinem Buch über Tutankhamun – triumphiert die Liebe zur Sensationsgeschichte dann auch einmal über die wissenschaftliche Seriosität.
Die Geschichte der Obelisken erzählt Brier mit vielen interessanten Anekdoten und – nachvollziehbar – einem starken Fokus auf die Ingenieurskunst, die über die Jahrtausende eingesetzt wurde, um die riesigen, mehrere Hundert Tonnen schweren Obelisken zu meißeln, bewegen, transportieren und aufzurichten. Dabei ist es sehr faszinierend zu lesen, dass die Ägypter ihre Obelisken einfach vertikal auf Podeste gesetzt haben, ohne Mörtel, ohne alles, mit Stabilität über Tausende von Jahren. Danach hat sich das keiner mehr getraut. Auch beeindruckend: In der frühen Neuzeit sind die Ingenieure um Haaresbreite an dem gescheitert, was die Ägypter und Römer per Routine geschafft haben…
Etwas dünn wird Brier, wenn es darum geht zu erklären, was denn eigentlich die Bedeutung der Obelisken ausmachte – eigentlich erstaunlich bei einem Ägyptologen. Bei diesem Thema kann beispielsweise „Landscape and Memory“ von Simon Schama im Kapitel „Streams of Consciousness“ aushelfen (überhaupt ein erheblich substanzielleres und mindestens genauso gut geschriebenes Buch wie das von Brier…): „(…) that the obelisks were objects of religious adoration for the Egyptians, rays of the sun symbolized by pointed columns of stone.“
Als Leseprobe eine Passage über den Obelisken vom Luxor-Tempel, den die Franzosen nach Paris zur Place de la Concorde gebracht haben: „When the obelisk reached the center of gravity of the pivot point the restraining system was activated to slow ist descent. (…). Fifteen minutes later, it was safely resting on a platform built to receive it. With the obelisk down, Lebas, for the first time, could see the top of the pedestal and made a wonderful discovery. Pharaohs frequently chiseled out the names of previous owners on monuments they wanted to claim as their own, and Ramses was one of the most enthusiastic practitioners, so he knew it could happen to him. Before he erected his pair of obelisks in front of the Luxor Temple, he carved his name on the tops of the pedestals so that when the obelisks rested on the pedestal they covered the names and no one could get to them. It worked.“
Gelesen habe ich die noch nicht übersetzte Erstausgabe von 2016.