Charles Darwin, einer der beiden Erfinder der Evolutionstheorie, erfreut sich unverändert großer Aufmerksamkeit, wie man nicht nur an der stetig wachsenden Anzahl von Biographien über ihn ablesen kann. In diese lange Reihe gehört seit 2001 auch dieses Buch über Darwin und die Humanität, seine Tochter und seine Familie, das ich letztens antiquarisch gekauft habe (obwohl es auch neu zu bekommen ist).
Vor die Frage gestellt: Sollte ich dieses Buch lesen, wenn ich schon eine andere oder noch keine Biographie Darwins gelesen habe? lautet meine Antwort: Ja.
Sie deckt alles ab, was man in einer Biographie über einen Forscher erwartet, inklusive seiner wesentlichen Veröffentlichungen. Sie ist sehr gut geschrieben und liest sich erfreulich flüssig. Sie ist von einem Ururenkel Darwins geschrieben und beinhaltet daher einiges an sonst nicht bekannter Familien-Folklore. Sie bietet eine ungewöhnliche Perspektive durch den starken Fokus einerseits auf Darwins Tochter Annie, die mit 10 Jahren wahrscheinlich an Tuberkulose gestorben ist, und andererseits auf die gesamte engere Darwin-Familie, die in anderen Biographien stärker in den Hintergrund tritt.
Vor allem ist das Buch aber bemerkenswert durch seine ausgesprochen warmherzige, menschliche und vorsichtige Schreibweise, die die Humanität Darwins und sein Denken über die Bedeutung des menschlichen Daseins sehr differenziert herausarbeitet – in den Worten Keynes‘: „This book explores Darwin’s life with his family and his thinking about human nature in the interweavings around Annie and her memory.“
Aufhänger des Buchs ist die Schreibbox Annies, die Keynes zufällig findet. In ihr finden sich Schreibmaterialien, Handarbeiten und auch die sehr berührenden Tagebucheinträge Darwins aus der Phase, in der Annie bereits sehr krank war. Es endet mit einem Zitat aus dem Erinnerungsschreiben, das Darwin eine Woche nach Annies Tod für sich selbst und seine Familie geschrieben hat: „Forty-five years before (vor ihrem eigenen Tod), Emma had gathered her keepsakes of Annie and put them away for herself. When Etty found Annie’s writing case after her mother’s death, and saw her sister’s things for the first time since their childhood, recollections of Annie came back to her with ’strange vividness‘. The words Charles used in his memorial of Annie to catch his memories of her work in the same way. ‚ She held herself upright, and often threw her head a little backwards, as if she defied the world in her joyousness.'“
Das Buch ist 2002 auch in deutscher Sprache erschienen und sehr günstig antiquarisch zu bekommen.
Es gibt also keinen Grund zu zögern.