Becoming. Michelle Obama

Während ich die ersten Seiten über ihre Kindheit las, habe ich gedacht, doch so eine Biografie aus dem politischen Establishment, die zu viele Menschen gegengelesen haben, um alles auszumerzen, was irgendjemanden stören könnte…. und um noch einzufügen, was für irgendeinen potitischen Zweck noch fehlen könnte…

BECOMING - Obama, Michelle

Ist auch so, aber auch doch nicht: Im Nachhinein fand ich den ersten Teil genau richtig und hilfreich, um diese First Lady der USA besser zu verstehen: die schwarze Frau des ersten schwarzen Präsidenten, eine berufstätige Mutter, eine hochintelligente, Harvard-studierte Anwältin mit eigenen Ansichten.

Die Biografie ist in drei Teile aufgeteilt

  • Becoming, über Elternhaus, Kindheit, Schulzeit und Studium bis hin zur ersten lukrativen Stelle als Anwältin
  • Becoming us, über die Entstehung der Beziehung zu Barack Obama, die Ehe, die beiden Töchter, Einstieg Barack Obamas in die Politik und Michelle Obamas Versuch, einen sinnstiftenden Beruf zu finden und damit auch Geld zu verdienen
  • Becoming more, über den Einzug der Familie Obama in das Weiße Haus, nachdem Barack Obama die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, das Leben als First Lady, als Familie im Weißen Haus bis zum Auszug daraus, nachdem die zweite Amtszeit zu Ende gegangen war und Donald Trump die Wahl gewonnen hatte.

Im Fokus die Themen Erziehung, Bildung und Kinder

Vielleicht kein Wunder, die Botschaft: prinzipiell hat  jedes Kind es in sich, mehr aus sich zu machen, es zu schaffen, aus Armut und beengenden Verhältnissen herauszukommen, wenn, wenn, wenn es die notwendige Förderung und Ermutigung erhält.

BECOMING! Michelle Obama's Memoir to arrive in November - WuzupNigeria

Eine Stimme finden

Immer wieder auch Reflexionen darüber, was sie als prominente schwarze Frau, später als First Lady auslöst: Abwehr, Verachtung, aber auch Ängste vor der „aggressiven“ schwarzen Frau. Deshalb sieht Michelle Obama „Becoming“ auch als eine Geschichte darüber, wie eine schwarze Frau aus armen Verhältnissen und einer schlechten Wohngegend ihre Stimme findet. Den Mut zu sprechen, auch wenn sie oft die einzige Frau im Raum voller weißer Amerikaner ist, die einzige schwarze Frau. Wer ihr auf diesem Weg Mut gegeben und Selbstbewußtsein vermittelt hat, erzählt sie packend und anschaulich. Die vielen Menschen, die unterstützend waren – unter anderem Mutter und Vater – erhalten Raum in dieser Geschichte. Wie sie sagt: sie und ihr Mann waren unter den 44 Paaren, die das Weiße Haus bewohnten, unter den 11, die dies für eine zweite Amtszeit taten und – das einzige schwarze Präsidenten-Paar.

Michelle Obama als aktive Wahlkämpferin für ihren Mann

„I was a child of the mainstream, and this was an asset. Barack sometimes referred to me as “Joe Public”, asking me to weigh in on campaign slogans and strategies, knowing that I kept myself happily steeped in popular culture. (…) All of this is to say that I saw ways to connect with Americans that Barack and his West Wing advisers didn´t fully recognize, at least initially. Rather than doing interviews with big newspapers or cable news outlets, I began sitting down with influential “mommy bloggers” who reached an enormous and dialed-in audience of women.”

Didn't think about Barack Obama as someone I'd want to date ...

Im dritten Teil erklärt „Becoming“ die Funktion Michelle Obamas während der Wahlkämpfe um das Präsidentenamt und berichtet vom Alltagsleben im Weißen Haus. Sie selbst hat ihre Rolle als First Lady dazu genutzt, die Medien, welche sie auf Schritt und Tritt verfolgten, mit Vorsatz an diejenigen Orte zu führen, die ihr wichtig waren: arme Vororte, Schulen, Krankenhäusen für Kriegsveteranen. So hat sie sozialen Themen durch die eigene Person zu einer medialen Aufmerksamkeit verschafft, die sonst unmöglich gewesen wäre.

“When the weather was nice (in einer unterprivilegierten Gegend), the gangs got more active and the shooting got worse. (…) Sometimes, they (die Schulkinder aus diesem Gebiet) told me, taking the safest path home meant walking right down the middle of the street as cars sped past them on both sides. Doing so gave them a better view of any escalating fights or possible shooters. And it gave them more time to run. (…) America is not a simple place. Its contradictions set me spinning. I’d found myself at Democratic fund-raisers held in vast Manhattan penthouses, sipping wine with wealthy women who would claim to be passionate about education and children’s issues and then lean in conspiratorially to tell me that their Wall Street husbands would never vote for anyone who even thought about raising their taxes.”

Mein Fazit: unbedingt lesenswert, nicht nur für Frauen, für Politikinteressierte, für Amerika-Enttäuschte.

M Train. Patti Smith

“M Train” der Punk-Rockerin Patti Smith ist eine Sammlung von Kurzgeschichten.

M Train als Buch

Wenn Rick, der Nachtclub-Betreiber (Humphrey Bogart) aus „Casablanca“, Gedichte  hätte, so wären sie wohl ähnlich ausgefallen. Themen von Abschied, Verlust und Tod in einer lakonischen Alltagssprache.

Bildergebnis für M Train. Patti Smith

In Reisen um die Welt und auf Spaziergängen in der Umgebung ihrer New Yorker Wohnung spürt die Ich-Erzählerin jenen insubstanziellen Dingen nach, die das Leben kostbar machen. Sie verliert hierbei Besitztümer, Menschen und ein Café. Sie gewinnt Erlebnisse, emotionale Bereicherung, vielleicht ein Stück Selbsterkenntnis:

„After a brief rest I counted out my money, took what I needed, and stuffed the rest in a handwoven cotton sock with a tiny rose embroidered on the ankle. I hit the street and chose a well-situated bench as to clock the area. I watched as men periodically emerged from one of two hotels and headed down the same street. At midmorning I discreetly tailed one through a winding side street to a café that, despite its modest appearance, seemed the heart of the coffee action.”

Die Titel der Geschichten lauten entsprechend

  • Clock with no Hands
  • How I Lost the Wind-up Bird
  • Her Name was Sandy
  • Valley of the Lost oder
  • How Linden Kills the Things She Loves
  • usw.

Das verbindende Element aller Geschichten ist guter schwarzer Kaffee. Illustriert werden sie durch Schwarzweiß-Drucke von Polaroid-Fotos, die Patti Smith an den Orten ihrer Erforschungen gemacht hat.

Meine Sache ist das Buch nicht wirklich, dennoch habe ich es in seiner melancholischen Abgeklärtheit genossen. Vielleicht hätte ich noch mehr Freude daran gehabt, wenn es tatsächlich Ricks Gedichte mit dem Leitmotiv Whiskey gewesen wären…

Goodreads sagt zu „M Train“ dies: „From the National Book Award-winning author of Just Kids: an unforgettable odyssey into the mind of this legendary artist, told through the prism of cafés and haunts she has visited and worked in around the world.

M Train is a journey through eighteen „stations.“ It begins in the tiny Greenwich Village café where Smith goes every morning for black coffee, ruminates on the world as it is and the world as it was, and writes in her notebook. We then travel, through prose that shifts fluidly between dreams and reality, past and present, across a landscape of creative aspirations and inspirations: from Frida Kahlo’s Casa Azul in Mexico, to a meeting of an Arctic explorer’s society in Berlin; from the ramshackle seaside bungalow in New York’s Far Rockaway that Smith buys just before Hurricane Sandy hits, to the graves of Genet, Plath, Rimbaud, and Mishima. Woven throughout are reflections on the writer’s craft and on artistic creation, alongside signature memories including her life in Michigan with her husband, guitarist Fred Sonic Smith, whose untimely death was an irremediable loss.“

Whistler and his Mother. Sarah Walden

Der Maler James McNeill Whistler (1834-1903) hätte niemals auch nur geahnt, dass eines seiner Werke zum bekanntesten Bild in Amerika werden würde, gewürdigt von einem breiten Publikum und abgebildet auf einer Briefmarke. Gewollt hätte er das wohl in dieser Weise auch nicht.

Die Briefmarke zeigt das Bild von Whistlers Mutter leicht vereinfacht: da sitzt sie und schaut nach links. Ins Leere. Dieses Schauen ins Leere war vermutlich für die Grafiker der Briefmarke derart unerträglich, dass diese am linken Briefmarkenrand eine Vase mit Blumen dazu erfanden.

Was war nun mit der Leere, der Berühmtheit und mit Whistlers „Mutter“ überhaupt?

In ihrem Buch beschreibt Walden den Künstler als brillianten Eklektizisten, der sich – ohne besonders intellektuell oder gebildet zu sein – aus den verschiedensten Quellen Anregungen holte und diese zu einem neuen hamonischen Ganzen verarbeitete. Sie beschreibt ihn auch als einen schlechten Handwerker, der die technischen, materiellen Grundlagen von Malerei kaum beherrschte. Hierzu ist Walden besonders autorisiert, da sie es war, die das Bild der Mutter für den Louvre aufwändig restaurierte.

Whistlers Bild gelangt nach seinem Tod  zu ungeheurer Berühmtheit in den USA, da es als die Quintessenz von Mutterliebe, Patriotismus und amerikanischem Protestantismus gesehen wurde. Es hing endlos reproduziert in amerikanischen Wohnungen, fand später – bis heute – seinen Weg auf Postkarten, T-Shirts und in Comics. Zu dieser Zeit war das Bild stark gelblich verfärbt und besaß eine weiche, warme Ausstrahlung.

Was Whistler wollte

Der originale Titel des Bildes gibt einen Hinweis darauf, was Whistler gewollt haben könnte: nicht „Mother“ hieß es, Whistler nannte sein Bild „Arrangement in Grey and Black“. Die rauhe Textur der Leinwand, die tiefen flüssigen Schwarztöne in Kombination mit Blau und Weiß, die unbestimmten Umrisse waren ihm wichtig. In einigen Aspekten wie der Komposition und der Suche nach tintigem, tiefem, weichem Schwarz ließ er sich durch japanische Kunst anregen. Das Bild war laut Walden ganz und gar anders als es damalige Sehgewohnheiten erwarteten. Nüchtern, kalt und vibrierend und vor allem erschreckend modern.

Die Such nach dem Original

Sarah Walden beschreibt wie Whistler mit unsicheren Malmethoden experimentierte, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Wie sich bereits kurz nach der Fertigstellung 1871 die Wirkung der Farben veränderte und Whistler immer wieder neue Farbaufträge ergänzte, die die ursprüngliche Oberfläche veränderten. Nachdem Frankreich das Bild gekauft hatte, ließ Whistler es neu rahmen. Danach wurde die Oberfläche durch Hitze geglättet. Der hierdurch ausgelöste chemische Prozess bewirkte die Verbindung von Originalfarbe und Übermalungen. Unumkehrbar. Walden skizziert in ihrem Buch die Überlegungen dazu, wie viel oder wie wenig eine Restauratorin leisten kann, damit möglichst viel von demjenigen erhalten werden kann, was ein Künstler intendiert hatte. Und Restauratoren nicht ein völlig neues Bild erschaffen mit neuer Farbe und einer neuen Wirkung auf die Betrachtenden, die ursprünglich nicht beabsichtigt war.

Der Klappentext: „James McNeill Whistler was the most flamboyant and controversial painter of his generation. Oscar Wilde, Proust, Monet and Manet belonged to his circle of friends (…). With his mistresses, quick wit and flawed genius, he let a chaotic life. He turned out his long-standing girlfriend when his mother came from America to live with him in Chelsea. (…) Then suddenly, from this uneasy co-habitation a touching masterpiece appeared. Alongside Leonardo´s Mona Lisa and Botticelli´s Birth of Venus it became one of the best known female images in the world.“