Whistler and his Mother. Sarah Walden

Der Maler James McNeill Whistler (1834-1903) hätte niemals auch nur geahnt, dass eines seiner Werke zum bekanntesten Bild in Amerika werden würde, gewürdigt von einem breiten Publikum und abgebildet auf einer Briefmarke. Gewollt hätte er das wohl in dieser Weise auch nicht.

Die Briefmarke zeigt das Bild von Whistlers Mutter leicht vereinfacht: da sitzt sie und schaut nach links. Ins Leere. Dieses Schauen ins Leere war vermutlich für die Grafiker der Briefmarke derart unerträglich, dass diese am linken Briefmarkenrand eine Vase mit Blumen dazu erfanden.

Was war nun mit der Leere, der Berühmtheit und mit Whistlers „Mutter“ überhaupt?

In ihrem Buch beschreibt Walden den Künstler als brillianten Eklektizisten, der sich – ohne besonders intellektuell oder gebildet zu sein – aus den verschiedensten Quellen Anregungen holte und diese zu einem neuen hamonischen Ganzen verarbeitete. Sie beschreibt ihn auch als einen schlechten Handwerker, der die technischen, materiellen Grundlagen von Malerei kaum beherrschte. Hierzu ist Walden besonders autorisiert, da sie es war, die das Bild der Mutter für den Louvre aufwändig restaurierte.

Whistlers Bild gelangt nach seinem Tod  zu ungeheurer Berühmtheit in den USA, da es als die Quintessenz von Mutterliebe, Patriotismus und amerikanischem Protestantismus gesehen wurde. Es hing endlos reproduziert in amerikanischen Wohnungen, fand später – bis heute – seinen Weg auf Postkarten, T-Shirts und in Comics. Zu dieser Zeit war das Bild stark gelblich verfärbt und besaß eine weiche, warme Ausstrahlung.

Was Whistler wollte

Der originale Titel des Bildes gibt einen Hinweis darauf, was Whistler gewollt haben könnte: nicht „Mother“ hieß es, Whistler nannte sein Bild „Arrangement in Grey and Black“. Die rauhe Textur der Leinwand, die tiefen flüssigen Schwarztöne in Kombination mit Blau und Weiß, die unbestimmten Umrisse waren ihm wichtig. In einigen Aspekten wie der Komposition und der Suche nach tintigem, tiefem, weichem Schwarz ließ er sich durch japanische Kunst anregen. Das Bild war laut Walden ganz und gar anders als es damalige Sehgewohnheiten erwarteten. Nüchtern, kalt und vibrierend und vor allem erschreckend modern.

Die Such nach dem Original

Sarah Walden beschreibt wie Whistler mit unsicheren Malmethoden experimentierte, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Wie sich bereits kurz nach der Fertigstellung 1871 die Wirkung der Farben veränderte und Whistler immer wieder neue Farbaufträge ergänzte, die die ursprüngliche Oberfläche veränderten. Nachdem Frankreich das Bild gekauft hatte, ließ Whistler es neu rahmen. Danach wurde die Oberfläche durch Hitze geglättet. Der hierdurch ausgelöste chemische Prozess bewirkte die Verbindung von Originalfarbe und Übermalungen. Unumkehrbar. Walden skizziert in ihrem Buch die Überlegungen dazu, wie viel oder wie wenig eine Restauratorin leisten kann, damit möglichst viel von demjenigen erhalten werden kann, was ein Künstler intendiert hatte. Und Restauratoren nicht ein völlig neues Bild erschaffen mit neuer Farbe und einer neuen Wirkung auf die Betrachtenden, die ursprünglich nicht beabsichtigt war.

Der Klappentext: „James McNeill Whistler was the most flamboyant and controversial painter of his generation. Oscar Wilde, Proust, Monet and Manet belonged to his circle of friends (…). With his mistresses, quick wit and flawed genius, he let a chaotic life. He turned out his long-standing girlfriend when his mother came from America to live with him in Chelsea. (…) Then suddenly, from this uneasy co-habitation a touching masterpiece appeared. Alongside Leonardo´s Mona Lisa and Botticelli´s Birth of Venus it became one of the best known female images in the world.“

Helene Schjerfbeck – Die Malerin aus Finnland. Barbara Beuys

Da bleibt einem ja doch der Atem weg: Ein Ölbild gemalt von der 18jährigen Helene Schjerfbeck, es zeigt einen verwundeten Soldaten im Schnee liegend. Sehr beeindruckend! Helene Schjerfbeck? Hatte ich vorher noch nie gehört.

 

Keine Bilder von ihr hatte ich vor Augen. Und das trotz einer Ausstellung in der Schirn vor einigen Jahren…

Das Verdienst dieser Biografie von Barbara Beuys ist es, eine ganz beeindruckende Malerin auch in Deutschland bekannter zu machen. Schjerfbeck hat von 1862 bis 1946 gelebt. Sie hat in Finnland, anderen skandinavischen Ländern und  Frankreich viele Preise gewonnen.

Bildergebnis für helene schjerfbeck

 

Die Malerin: toll.

Die Biografie: nicht so sehr. Aber vielleicht liegt das auch an meinen eigenen Ansprüchen an gute Biografien. Ich möchte gerne mehr als ein erzähltes Leben, von den Eltern bis zum Grab. Mehr als Anekdoten aus dem Leben. Mehr als Zitate aus Briefen. Barbara Beuys hat eine sehr gut lesbare, interessante Biografie geschrieben, die sich gut wegschmökern läßt. Sie gibt außerdem einen guten Zugang zur finnischen Geschichte. Wer von uns ist hierin schon ganz firm? Weitere Informationen zur Malerin bietet auch FemBio.

Bildergebnis für helene schjerfbeck

Dass meine Lieblingsbiografien eher von Lyndall Gordon geschrieben sind, ist eine andere Sache. Aber empfehlen kann ich doch sehr – und sei es nur des Kontrastes wegen – ihre Biografien zu Viginia Woolf und zu Henry James.

front cover of Virginia Woolf: A Writer's Life,

Laura Knight – in the open air. Elisabeth Knowles

Laura Knight (1877-1970) war eine britische Malerin. Sie genoss in England großen Ruhm, war eines der wenigen weiblichen Mitglieder der Royal Society. Was ist heute an ihr noch interessant?

Knight hat unter den widrigsten Bedingungen gerne im Freien gemalt. Ihre besten Bilder geben vibrierendes Licht wider. Die für mich schönsten Bilder dieser Art hat Knight zwischen 1915 und 1921 in Cornwall gemalt.

Zu dem äußerst faszinierenden Selbstporträt „Self Portrait/The Model“ von 1913 gibt es eine kluge und faszinierende Interpretation in Simon Schamas „The face of Britain“. Einen weiteren interessanten Aspekt ihres Werkes stellen die Kriegsbilder aus der Zeit des zweiten Weltkriegs dar. Sie zeigen Frauen in Fabrikhallen, Frauen an Fallschirmen und die Angeklagten der Nürnberger Prozesse.

Viele ihrer Sujets und die entsprechenden Bilder gefallen mir allerdings gar nicht. Weder Ballett- noch Zigeuner-Bilder Knights können mich in den Bann ziehen. Das Alterswerk zeigt einige fast asiatisch anmutende Werke in Grautönen von Landschaften im Morgenneben, die mich durch ihre reduzierte Gestaltung überzeugen.

Insgesamt ist das Buch die Nacherzählung von Laura Knights Leben, gespickt mit Hinweisen auf Werke, Freunde und Ausstellungen. Gefehlt haben mir Werk-Analysen und die Einordnung in den kunsthistorischen Kontext.

Gelesen habe ich die Ausgabe von 2013.