Meine Bücher des Jahres 2018

Nach der Hitliste für 2017 jetzt zum zweiten Mal meine ganz persönliche Auswahl der besten, bewegendsten, überzeugendsten, beeindruckendsten Bücher, die ich im vergangenen Jahr gelesen habe.

Starten tue ich mit Dichtung:
Auch wenn ich das Buch noch nicht ganz fertig gelesen habe, hat sich die Classical Chinese poetry: An anthology von David Hinton bereits den Spitzenplatz gesichert. Hinton schafft es besser als die anderen Übersetzer, die ich bisher gelesen habe, klassische chinesische Gedichte so zu übertragen, dass man sie mit Gewinn und Genuß liest, ohne dass das wichtige Offene, Unbestimmte, Unklare, Ungesagte des chinesischen Originals dabei verloren geht. Die Gedichte bleiben bei Hinton letztlich chinesisch.
Ein Beispiel eines Zen-Buddhismus-affinen Dichters der Tang-Dynastie, der unter dem Namen „Kalter Berg“ läuft (aber bestimmt nicht so hieß, wenn es überhaupt eine einzelne Person gewesen ist):
„No one knows this
Mountain I inhabit:

Deep in white clouds,
Forever empty, silent.“

Ausführliche Besprechung folgt.

Nächste Kategorie, Sachbuch:
Mit Abstand vorne das neue Buch von Katrina van Grouw „Unnatural Selection“ über die Evolution domestizierter Tiere durch selektive Zucht. Klingt spröde, ist aber hoch-faszinierend, wenn einen Evolution auch nur ein wenig interessiert. Zusätzlicher Pluspunkt: Die wirklich exzellenten von der Autorin selbst gezeichneten Illustrationen.

Für mich eine wichtige Buchgattung, die Krimis:
Meine Entdeckung des Jahres war Josephine Tey, von der ich vorher noch nie etwas gehört hatte.  Unter all ihren Büchern für mich am Besten zwei davon, „The Franchise Affair“ und „Miss Pym disposes“. Tey hat sich getraut, ausgetretetene Krimi-Pfade zu verlassen, schreibt anspruchsvoll-belletristisch, bleibt dabei spannend und ist zum Glück nie brutal. Beide Krimis habe ich gar nicht besprochen, dafür aber einen dritten: „To love and be wise“.

Biographie?
Zwei Gewinner, weil beide ganz verschieden sind und jeweils ganz anders als andere Biographien.
Jonathan Spence hat mit „Emperor of China: Self-Portrait of K’ang-hsi“ eine als Autobiographie getarnte Biographie fast nur aus Originalzitaten Kangxis geschrieben und wirkt dabei völlig authentisch. Nicht zu vergessen: Kangxi ist ein überaus dankbares Subjekt dieser Biographie, ein differenzierter, nachdenklicher, intelligenter und selbstkritischer Mensch.
Christopher de Hamel dagegen hat gleich mehrere Biographien geschrieben, zwölf genau genommen, und zwar von mittelalterlichen Handschriften. Tolle Idee, toll umgesetzt. Der Titel: „Meetings with remarkable manuscripts“.

Und in der Belletristik?
Keine Überraschung hier, ein Literatur-Nobelpreisträger: Kazuo Ishiguros „The remains of the day“. Ganz großes vorsichtiges, subtiles, stilistisch und menschlich brillantes Kino.

Und das soll dann auch als Liste für dieses Mal reichen.

Bleiben die Fotos der glücklichen Gewinner:
David Hinton:
Translator David Hinton Takes on the I Ching | Books | Seven Days ...

Katrina van Grouw:
Unnatural Selection: An interview with Katrina van Grouw - Hoopoe ...

Josephine Tey:

Jonathan Spence:
Jonathan Spence Named 39th Jefferson Lecturer in the Humanities ...

Christopher de Hamel:
The Telegraph ~ Christopher de Hamel

Und Kazuo Ishiguro:
Kazuo Ishiguro wins Nobel Prize for Literature / Boing Boing

Viel Lesespaß in 2019!

 

Wie ein Hauch im Wind. Josphine Tey

Über Titelübersetzungen hatte ich mich ja schon geäußert. Das Original von Josephine Tey: „To love and be wise“. Zugleich bin ich sehr überrascht, dass diese Autorin überhaupt übersetzt worden ist – ich hatte noch nie etwas über sie gehört, bis ich las, dass P.D. James von ihr viel gelernt habe.

Josephine Tey, *1896, †1952, war eine Theater- und Krimiautorin, beides unter Pseudonym. Ihr richtiger Name: Elizabeth Mackintosh. Sie zählt gemeinsam mit Agatha Christie, Dorothy L. Sayers, Ngaio Marsh zurecht zur Kategorie des „klassischen“ britischen Kriminalromans. Einer ihrer Krimis wurde einmal zum besten Kriminalroman aller Zeiten gekürt.

Zwischenzeitlich habe ich drei ihrer Krimis gelesen: „Miss Pym disposes“ („Tod im College“) von 1946, „The singing sands“ („Der singende Sand“) von 1952 und „To love and be wise“ von 1950. Für mich bisher die Krimi-Entdeckung des Jahres. Souveräner Stil, viel Humor, ordentlich Spannung. Genügend Selbstbewusstsein, um die Regeln des Krimischreibens nicht immer einhalten zu müssen. Ausgezeichnete, fein umrissene, glaubhafte und eindrückliche Charaktere. Dialoge auf den Punkt. Vielleicht hätte Jane Austen so Krimis geschrieben, wenn sie welche geschrieben und im 20. Jahrhundert gelebt hätte.

Der Beginn von „To love and be wise“:
„Grant paused with his foot on the lowest step, and listened to the shrieking from the floor above. As well as the shrieks there was a dull continuous roar; an elemental sound, like a forest fire or a river in spate. As his reluctant legs bore him upwards he arrived at the inevitable deduction: the party was being a success.“

Der San Francisco Chronicle: „Nobody can beat Miss Tey at characterisation or elegance of style: this novel’s a beauty.“

Stimmt.