An unsuitable job for a woman. P.D. James

Eine Liebeserklärung für Cambridge. Nicht das Normalste der Welt für jemanden, dessen Leben 1920 in Oxford beginnt und 2014 dort endet.

Eine Krimi, der in Cambridge und Umgebung spielt. Auch eher selten, wenn man an die lange Reihe gewaltsamer Tode der Inspector Morse, Inspector Lewis, Inspector….-Krimis denkt – alle spielen in Oxford.

Eine Detektivin als Heldin. Daran hat man sich natürlich mittlerweile einigermaßen gewöhnt. Aber – wie der Buchtitel schon sagt – ob das wirklich so der richtige Job ist für eine Frau?

P.D. James ist hinreichend bekannt. Auch dieser Blog hat schon ein Buch von ihr besprochen: „Shroud for a nightingale„.

Dieser Krimi, Anfang der 70er Jahre geschrieben, hat, im Unterschied zu denen mit Inspector Dalgliesh, den Vorteil einer sympathischen Hauptperson. Unerfahren, aber keinesfalls unbedarft. Nett, aber nicht leicht über den Tisch zu ziehen. Ehrlich, aber überhaupt nicht naiv. Unverdrossen, auch wenn das Leben nicht nur gut mit ihr umspringt. „Resilient“ ist wahrscheinlich heute der relevante Begriff aus der Managementliteratur.

Spannend ist er sowieso. Da kann man sich auf James verlassen. Literarisch recht ambitioniert auch. Der Plot vielleicht einen Hauch zu sorgfältig komponiert. Hier merkt man einen leichten Hang zum Mikromanagement. Überflüssig das Aufeinandertreffen der neuen Detektin mit dem Inspector aller vorherigen James-Krimis, Dalgliesh. Und dass alle irgendwie etwas zu verbergen haben oder gar Dreck am Stecken klebt…, und dass dieser Dreck umso klebriger wird und umso schlechter riecht, je weiter oben auf der sozialen Skala sich die relevante Person befindet – vielleicht ist das so in England?

Ein Klassiker der britischen Kriminalliteratur. Und das durchaus zurecht.

Wie ein Hauch im Wind. Josphine Tey

Über Titelübersetzungen hatte ich mich ja schon geäußert. Das Original von Josephine Tey: „To love and be wise“. Zugleich bin ich sehr überrascht, dass diese Autorin überhaupt übersetzt worden ist – ich hatte noch nie etwas über sie gehört, bis ich las, dass P.D. James von ihr viel gelernt habe.

Josephine Tey, *1896, †1952, war eine Theater- und Krimiautorin, beides unter Pseudonym. Ihr richtiger Name: Elizabeth Mackintosh. Sie zählt gemeinsam mit Agatha Christie, Dorothy L. Sayers, Ngaio Marsh zurecht zur Kategorie des „klassischen“ britischen Kriminalromans. Einer ihrer Krimis wurde einmal zum besten Kriminalroman aller Zeiten gekürt.

Zwischenzeitlich habe ich drei ihrer Krimis gelesen: „Miss Pym disposes“ („Tod im College“) von 1946, „The singing sands“ („Der singende Sand“) von 1952 und „To love and be wise“ von 1950. Für mich bisher die Krimi-Entdeckung des Jahres. Souveräner Stil, viel Humor, ordentlich Spannung. Genügend Selbstbewusstsein, um die Regeln des Krimischreibens nicht immer einhalten zu müssen. Ausgezeichnete, fein umrissene, glaubhafte und eindrückliche Charaktere. Dialoge auf den Punkt. Vielleicht hätte Jane Austen so Krimis geschrieben, wenn sie welche geschrieben und im 20. Jahrhundert gelebt hätte.

Der Beginn von „To love and be wise“:
„Grant paused with his foot on the lowest step, and listened to the shrieking from the floor above. As well as the shrieks there was a dull continuous roar; an elemental sound, like a forest fire or a river in spate. As his reluctant legs bore him upwards he arrived at the inevitable deduction: the party was being a success.“

Der San Francisco Chronicle: „Nobody can beat Miss Tey at characterisation or elegance of style: this novel’s a beauty.“

Stimmt.

Tod im weißen Häubchen. P.D. James

„Tod im weißen Häubchen“, was für eine peinliche Titelübersetzung….. Ob sich Krimis mit solchen eher spießig-dümmlichen Titeln tatsächlich im deutschsprachigen Raum besser verkaufen? Oder ob sich die Verlage für irgendetwas heimlich rächen wollen? Auf Englisch heißt dieser 1971 erschienene Roman von P.D. James „Shroud for a nightingale“ – „Leichentuch für eine Nachtigall“. Warum wäre das nicht gegangen?

Erstaunlicherweise hat sich dieser Blog, der ja durchaus viele Krimis und ihre Autoren bespricht, bisher nie mit P.D. (Phyllis Dorothy) James befasst. Dabei zählt sie, geboren 1920, gestorben 2014, zu den klassischen englischen Autoren klassischer englischer Krimis mit Fokus auf gut konstruiertem Plot, stimmigen Charakteren und echter Detektivarbeit, bei denen auch der Leser eine Chance hat, den Mörder/die Mörderin zu enttarnen. Wichtig für James: Sie hat sowohl für den britischen National Health Service als auch für das Innenministerium, Schwerpunkte Forensik und Polizeibehörde, gearbeitet. Diese Erfahrungen spiegeln sich immer wieder in ihren Romanen und lassen sie oft sehr authentisch wirken. Eine gute Darstellung über James‘ Leben und Werk findet sich – wie so oft – im britischen Guardian. Ebenfalls zu empfehlen der ausgezeichnete Nachruf im ebenfalls britischen Economist.

„Shroud for a nightingale“ ist einer der besten Krimis von James. Nicht nur ist der Plot wirklich ausgezeichnet konstruiert mit einer überraschenden Auflösung zum Schluss (auf die man aber hätte kommen können). Besonders bemerkenswert sind die Charaktere: Das gute Dutzend der Hauptpersonen wird sehr sorgfältig, stimmig und dreidimensional beschrieben. Alle, inkl. Täter/in werden als menschliche Personen greifbar und nachvollziehbar. Sogar die wörtliche Rede ist jeweils spezifisch auf den Charakter abgestimmt. Der Krimi ist spannend: wenn auch nicht so, dass man es nicht mehr aushalten kann. Er ist unheimlich: englischer Winter, Sturm, Nacht und Nebel. Und er ist ironisch: hochachtungsvolle Referenzerweisung ist offenbar nicht die Sache von James.

Ein Beispiel für den Stil von James:
„(…) Alderman Kealey looked as perky as a terrier. He was a ginger-haired, foxy little man, bandy as a jockey and wearing a plaid suit, the awfulness of its pattern emphasized by the excellence of its cut. It gave him an anthropomorphic appearance, like an animal in a child’s comic; and Dlagliesh almost expected himself shaking a paw.“
 

Wer’s noch nicht gelesen hat, sollte dies bald nachholen. Oder die gute Verfilmung von 1984 mit Roy Marsden als Adam Dalgliesh anschauen, die sich sehr eng ans Buch lehnt (mit Ausnahme von Marsden, der nicht recht an die Beschreibung des Ermittlers im Buch heranreicht….). Oder beides.