Hawkwood: diabolical Englishman. Frances Stonor Saunders

Vermutlich gäbe es bei der Quizfrage, wer denn Hawkwood sei, nicht sehr viele Gewinner. Viele ratlose Gesichter, und auch der Einsatz eines Jokers würde wohl nicht helfen.

Dabei haben viele bereits ein Bild von ihm gesehen, fast alle, die bereits einmal in Florenz im Dom waren. Übersehen haben kann man es auch eigentlich nicht mit seinen mehr als 7 x 4 Quadratmetern!

John Hawkwood, * um 1320, † 1394, war ein englischer Söldnerführer, der vor allem in Italien aktiv war. Da sich Italiener mit der Aussprache seines Namens schwer taten – ‚H‘ und ‚W‘ sind traditionell keine Stärken -, lief er dort unter dem Namen Giovanni Acuto oder latinisiert Ioannes Acutus (siehe auch die Inschrift auf dem Fresko oben).

Hawkwood war während seiner Zeit so erfolgreich und berühmt oder vielleicht eher berüchtigt, dass er letztlich für alle auf ihn folgenden Söldnerführer Italiens (Jobbezeichnung: Condottiere) stilbildend wurde.  Grundlogik: Es geht nie um die Sache, sondern immer um den eigenen Vorteil; immer loyal, bis ein anderer mehr bietet. Dabei scheint Hawkwood trotz der geographischen Ferne immer seine Loyalität gegenüber dem englischen Königshaus gewahrt zu haben.

Soweit verstanden, aber andererseits: Was geht mich ein Söldnerführer des 14. Jahrhunderts in Italien an?

  • Dramatisch viel natürlich nicht, man lebt auch ohne Kenntnis Hawkwoods nicht schlecht.
  • Wenn man jedoch zum Beispiel gern nach Italien in die Toskana reist, erklärt einem die Geschichte Hawkwoods, warum Florenz, Siena, Lucca, Pisa als Städte so sind, wie sie sind, so eigenständig, wehrhaft, monolithisch, gegeneinander.
  • Man erfährt nebenbei viel über die traditionelle Zurückhaltung, die es zwischen England und Frankreich gibt, denn man befindet sich mitten im Hundertjährigen Krieg.
  • Kirchengeschichtlich kommt man ebenfalls weiter, denn die Päpste waren in diesem Krieg auch fleißig beteiligt. Obendrein lernt man über das Exil der Päpste in Avignon und das abendländische Schisma in der katholischen Kirche mit jeweils mehr als einem (immer moralisch zweifelhaften) Papst pro Zeiteinheit.
  • Außerdem, wenn man einmal das Söldnerprinzip verstanden hat, kann man auch die Risiken und Nebenwirkungen verstehen, die damit auch in heutiger Zeit verbunden sind, wenn Staaten Söldner für die etwas schmutzigeren Dinge des Kriegslebens einsetzen, um es dann selber nicht gewesen zu sein.

Und das Buch von Frances Stonor Saunders?

  • Ist ausgesprochen flott geschrieben. Man legt es nicht leicht aus der Hand!
  • Verwebt äußerst gelungen Biographie Hawkwoods mit der Geschichte seiner Zeit und der Kulturgeschichte des späten Mittelalters.
  • Ist alles andere als trocken, sondern bietet Mittelalter in Reinkultur, inkl. der Dinge, die nicht gut riechen. Stonor Saunders zeigt – zurecht – wirklich keine falsche Zurückhaltung.

Und was hat mich besonders beeindruckt?

  • Die Beschreibung Katharinas von Siena, die einen deutlichen Gegenakzent zur katholischen Hagiographie setzt. Hier ist Stonor Saunders Kapitel „Under-Eating“ besonders eindringlich:
    „Having conquered her disgust by ‚drinking from the cancer‘ of a woman she was nursing, Catherine drank the pus from the open sores of those to whom she ministered. The self-flagellation continued, and, as she denied herself food, this healthy young woman became attenuated and wasted.“
  • Ihre Bemerkungen zu dem Bild im Dom von Florenz, das übrigens Paolo Uccello gemalt hat: Mir war nicht aufgefallen, dass das Gesicht Hawkwoods auf diesem Fresko ganz eingefallen ist und leichenhaft wirkt. Dies stellt Stonor Saunders in den Zusammenhang des Transi, einer besonderen Form der Grabplastik, bei der der Körper des Verstorbenen zweimal dargestellt wird, einmal bereits im Stadium der Verwesung. Außerdem weist sie darauf hin, dass Hawkwood auf seinem weißen Pferd in seiner hellen Rüstung sehr an den fahlen Reiter auf dem fahlen Pferd in der Apokalypse erinnert. Was natürlich sehr zu seinem Söldner-Dasein passt….

Also: ein bereichernder, anregendes, sehr gut lesbares Buch von einer sehr intelligenten, gebildeten und vor allem unerschrockenen Autorin. Lesen!

Renaissance: beste kurze Bücher für den Italien-Urlaub

Jedes Jahr lockt es Horden von Touristen in die Toskana. In Florenz sind etliche Sehenswürdigkeiten nur noch durch im Voraus gebuchte Tickets zu besichtigen. Immer wieder frage ich mich, was diese vielen Touristen denn eigentlich dort suchen und ob sie es wohl finden.

„Die Renaissance“ von Peter Burke

Das ist das intelligenteste Buch, dessen Autor zu Sätzen fähig ist, die man in den beiden anderen Büchern niemals finden würde. Zum Beispiel: „Fest steht, dass die Renaissance die Bewegung einer Minderheit gewesen ist. Es war eine städtische und keine ländliche Bewegung, und die Lobreden auf das Landleben entflossen den Federn von Leuten, die ihr Hauptdomizil in der Stadt (…) aufgeschlagen hatten.“ Auf 107 Seiten erklärt Burke, was wir auf wissenschaftlich fundierter Basis heute unter Renaissance verstehen können. Er tut dies unterhaltsam und sehr verständlich. Ein großer Vorteil dieser Darstellung ist es, sämtliche Kunstgattungen zu berücksichtigen und deren wichtigste Werke auch in Abbildungen zu zeigen. Die Kapitel des kleinen Büchleins heißen:

  • Der Mythos der Renaissance
  • Italien: Die Wiederbelebung und Erneuerung der Antike
  • Die Renaissance im Ausland oder: Vom Nutzen und Nachteil Italiens
  • Auflösung der Renaissance
  • Schluß

„The Key to Renaissance Art“ von Josè Fernández Arenas; Bateman/Search Press Pocket Guide

Dieses Taschenbuch ist ein klassischer, bildreicher Kurzführer zu einer Epoche. Hier finden sich alle üblichen Klischees zur Renaissance. Das Buch ist dennoch sehr hilfreich und empfehlenswert, wenn man sich schnell und unkompliziert dem Thema überhaupt erst einmal nähern möchte: Das wichtigste Basiswissen wird gut vermittelt, die wichtigsten Kunstwerke werden vorgestellt und nach 75 Seiten hat man einen ersten guten Überblick gewonnen.

„Architecture of the Renaissance from Brunelleschi to Palladio“ von Bertrand Jestanz; New Horizons

Dieses Buch ist eine prima Ergänzung zu den beiden vorher vorgestellten Büchern. Es ist reichbebildert mit tollen Fotos, zeigt Bauten, Pläne und Modelle. Es enthält ergänzend zu den Bildern knappe, erläuternde Texte. Auch Reisende, die nicht unbedingt leidenschaftlich an Archtektur interessiert sind, können an der Darstellungsweise Vergnügen haben. Der Kern des Buchs umfasst 124 Seiten, danach folgt ein Anhang mit Abschriften der wichtigsten zeitgenössischen Dokumente. Die Kapitel heißen:

  • The Return to Antiquity
  • New Principles
  • New Language
  • New Building Types
  • A New Discipline
  • A New Profession
  • Documents

Außerdem enthält das Buch eine Chronologie sowie weitere Literatur-Empfehlungen.

…und was tun, wenn man gar keine Zeit oder Neigung hat, sich auf das Thema Renaissance einzulassen? Ganz einfach: Aus Peter Burkes „Die Renaissance“ die ersten 50 Seiten lesen. Das reicht. Erst einmal.