The Dark Box: A Secret History of Confession. John Cornwell

Dieses Buch von John Cornwell beschreibt nicht nur die historische Entwicklung der Beichte, sondern beschäftigt sich auch mit den Risiken und Nebenwirkungen von Beichte und Priesterausbildung in der katholischen Kirche, insbesondere mit den Missbrauchsfällen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte.

Cornwell macht von Anfang an deutlich, dass er als ehemaliger Priesteranwärter und Missbrauchsopfer einen potenziellen Interessenkonflikt hat. Seine Argumentation im Buch ist dann aber so klar, fundiert, mit Quellen hinterlegt und auch so unpolemisch, dass seine persönlichen Erfahrungen einen Gewinn für Qualität und Relevanz des Buchs haben.

Cornwell strukturiert das Thema in die Teile:

  • A Brief history of confession
  • The child penitents
  • „Soul murder“.

Gut gelungen ist die historische Darstellung der Beichte im ersten Teil. Cornwell beschreibt sie dabei nicht in jedem Detail mit jeder minutiösen Änderung im Laufe der Jahrhunderte. Vielmehr fokussiert er auf wesentliche Entwicklungsstufen. Dabei gibt es viel Überraschendes vor allem aus der Frühzeit des Christentums zu entdecken, aber auch z.B. die Geschichte der Erfindung des Beichtstuhls als Möbel durch Borromeo.

Besonders wichtig für die genannten Risiken und Nebenwirkungen sind dann die im zweiten Teil ausführlich beschriebenen Reformen von Pius X.

  • Anfang des 20. Jahrhunderts führte er ein, dass eine Beichte täglich abzulegen sei, und legte de facto fest, dass auch Kinder im Alter von 7 Jahren zur Beichte gehen mussten – dies wiederum bedeutete, dass sie mit 5 oder 6 Jahren darin unterrichtet werden mussten, was denn alles in den Sündenkatalog gehört.
  • In seinem Bestreben, modernistischen Tendenzen entgegenzuwirken und Priesteranwärter von schädlichen Einflüssen der Welt fernzuhalten, führte er auch eine Priesterausbildung unter gefängnis-artigen Rahmenbedingungen ein, in der betont konservative moraltheologische Auffassungen unterrichtet wurden, wie zum Beispiel im englischsprachigen Raum basierend auf der „Moral and Pastoral Theology“ von Henry Davis (die man als Reprint noch kaufen kann).

Der dritte Teil, in dem es vor allem um die Missbrauchsfälle geht, ist sensibel und zum Glück nicht reißerisch geschrieben. Er bietet Fakten und Zahlen. Er beleuchtet die Perspektive von Opfern, Tätern und Kirche, ohne immer gleich urteilen zu wollen.

Insgesamt ein gutes und wichtiges Buch, das gut lesbar ist und eher journalistisch als wissenschaftlich geschrieben ist.  Hätte ich mir etwas wünschen können, so wären es vielleicht noch etwas mehr Details und Nuancen zur Geschichte der Beichte gewesen.

Leseprobe:
„His (= Pius X) first priority in bolstering priesthood worthy of its ministries was to transform the seminaries. He was convinced that the Church’s internal problems stemmed, in part, from poor initial training. He ordered a monastic-style regime to ensure life-long holiness and dedication. Seminaries were destined to become highly disciplined hothouses shut off from the world and its corruptions and temptations. Seminarians were obliged to wear cassocks and Roman collars at all times, and their vacations at home were severely curtailed, since they might otherwise breathe a secular, less clerical air.“

Gelesen habe ich die Ausgabe von 2014. Eine deutsche Übersetzung gibt es nicht.

The Birth of the West: Rome, Germany, France, and the Creation of Europe in the Tenth Century. Paul Collins

imageEin faszinierendes und inhaltsschweres Buch, in dem – durchaus nachvollziehbar – argumentiert wird, dass das Europa, welches wir heute kennen, ganz wesentlich im 10. Jahrhundert gegründet und geprägt wurde. Neben allem historischen, sozialgeschichtlichen, kulturellen Tiefgang bietet Collins auch immer wieder anregende und überraschende Anekdoten, so zum Beispiel über einen katholischen Heiligen:
“ Another extraordinary story  concerns the relics of Saint Guinefort (…). Though a saint, Guinefort was not a person but a heroic pet greyhound! One day when his owner was absent, a large serpent approached the cradle of the owner’s child. Guinefort attacked and killed the snake but was badly hurt himself. (…) When the parents returned, they found both cradle and dog covered in blood. Assuming Guinefort had attacked the baby, they killed him but later found the baby safe and the snake torn to pieces. Local peasant women began to ‚visit the place and honor the dog as a martyr in quest of help for their sicknesses and other needs,‘ particularly for the greyhound to cure sick babies.“
Und das Buch ist eine beeindruckende Quelle aus der Mode gekommener Vornamen wie Hatheberg, Herimann, Heriger, Hildebert, um nur das H herauszugreifen.
Gelesen habe ich die Ausgabe von 2013.