Romantic Irish Homes. Robert O`Byrne

Romantic Irish Homes zeigt Einrichtungsstile in unterschiedlichen historischen Häusern Irlands. Gemeinsam ist allen Häusern, dass sie lange vernachlässigt waren und dann von ihren neuen Besitzern zu Glanz – altem oder ganz neuem – verholfen worden sind.

Nach dem „Union Act“ mit England von 1801 wurde das Parlament in Dublin aufgelöst. Der Aufenthalt der Reichsten und Einflussreichsten während der Tagungszeit des Parlaments wurde somit überflüssig. Ein Grund, warum besonders repräsentative Häuser in Irlands Hauptstadt unattraktiv wurden. So wurden zum Beispiel die Häuser in Henrietta Street – vorher bewohnt von Earls, Viscount, Lords und Bischöfen – zu Mietshäusern. In diesen lebten pro Haus bis zu 300 Menschen. Die Straße wurde zum berüchtigsten Slum Dublins.

Das Buch enthält die Beschreibung der Geschichte von Bau, Verfall und Rettung der Häuser in Henrietta Street. Zu Haus Nr. 7 gibt auch ein Video einen guten Eindruck.

Ein anderer Grund für den Verfall vieler historischer Häuser war die 200 Jahre andauernde Rezession. Auch deshalb fehlte in allen Gegenden Irlands das Geld, repräsentative Gebäude zu erhalten.

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Das Buch enthält viele schöne Fotos, die durch intelligenten, kenntnisreichen Text ergänzt werden. Ausgezeichnet ist die knappe Einleitung. In drei Kapiteln werden die unterschiedlichen Funktionen und Stilmerkmale der Gebäude herausgearbeitet: Farmhouses, Homes for the Gentry und The Big House.

Die Fotos zeigen Außenansichten der Gebäude und unterschiedlichste Wohnräume: Wohn- und Schlafzimmer, Küchen, Bäder und Flure.

Beschreibung: „Quixotic, often whimsical and definitely quirky, they provide a sanctuary from the Irish climate, which is frequently grey, cold and damp. No wonder, therefore, that over the centuries Ireland’s domestic architecture and interior design have developed a distinctive personality in which colour and vivacity are highly prized. Romantic Irish Homes presents 15 of the finest examples of these traits, each one of them distinctive and yet sharing the same native spirit.“

Romantic Irish Homes ist sehr geeignet für Irland-Urlauber, die etwas mehr wissen wollen über die Architekturen, die sie während ihrer Reise sehen; aber auch für Menschen, die sich für Shabby Chic und das Wohnen in historischen Gebäuden interessieren.

Für Menschen mit Leidenschaften für Georgianische Archtektur ist die Geschichte der irischen Georgian Society ergänzende, bereichernde Lektüre: siehe unseren Beitrag

 

The Irish Georgian Society: A celebration. Robert O’Byrne

Um den Trend von Beiträgen zu irischen Themen fortzusetzen, ist heute ein Buch zu einem Verein an der Reihe, der sich 1958 das Ziel gesetzt hat, irische georgianische Architektur zu bewahren und zu pflegen. Zum 50. Jubiläum erschien das Buch „The Irish Georgian Society: A Celebration“.

Die Irish Georgian Society geht auf eine Initiative von Desmond Guinness zurück, einem Erben der Guinness-Dynastie und der Mitford-Familie. Er und seine erste Frau, Mariga Guinness, haben die Society bis heute sehr geprägt.

Das Verhältnis Irlands zu seiner Geschichte war schon immer recht schwierig. Zumindest die Epoche, als auch die heutige Republik Irland eine Kolonie Englands war, wurde und wird oft negativ gesehen oder ignoriert und Irland eine reine Opferrolle zugedacht. Unter anderem deshalb war es über lange Zeit nicht wichtig, beispielsweise Gebäude aus der georgianischen Zeit zu erhalten. Im Gegenteil war es oft sogar explizites Ziel auch von öffentlichen Institutionen, diese Architektur zu beseitigen. Die Verluste seit dem zweiten Weltkrieg sind immens, zum Beispiel in Dublin:
„(…) since 1960 nearly 40 per cent of the city’s Georgian building stock had been destroyed. (…) The oldest part of the city, the Liberties, which was granted a charter by Henry II in 1170, contained so many derelict or demolished buildings that it was used to represent bombed Berlin in the 1965 film ‚The Spy Who Came in from the Cold‘.“

Durch viel ehrenamtlichen Einsatz, Wagemut, gute Verbindungen und auch Geld ist es unter anderem der Irish Georgian Society zu verdanken, dass etliche Gebäude doch noch da sind und irische georgianische Architektur (und die anderer Zeiten) mittlerweile eine passable Wichtigkeit hat. Beispiel sind Henrietta Street (siehe Foto) und Mountjoy Square in Dublin, Castletown, Roundwood, Vernon Mount, Ledwithstown House im Landesinneren.

Das Jubiläumsbuch fällt aus der Reihe ähnlicher Schriften: Es ist nicht selbst-beweihräuchernd, sondern an vielen Stellen voller Humor, voll erfrischender Selbstkritik und gut geschrieben (und illustriert). Es gibt einen guten Einblick in die georgianische Architekturgeschichte, neuere irische Sozialgeschichte und die Herausforderungen, mit denen unmoderne und unpopuläre NGOs zu kämpfen haben können.

Lebendig wird das Buch auch durch zahlreiche Anekdoten. Die Society scheint vielen Leuten oft sehr viel Spaß gemacht zu haben:
„An abiding trait of trips undertaken by the Society and ist members was that they included lunchtime picnics (…). Everyone was meant to contribute something to the meal, usually taken in the shadow of some gaunt ruin and regularly eaten sitting on damp grass in a persistent drizzle. But even in the gloomiest weather conditions, warmth was provided both by the stimulating company and conversation and, just as importantly, by the consumption of alcohol (…). Desmond and Mariga ‚developed the habit of bringing large quantities of vin rosé with them, and of creating a party more or less wherever they went. ‚Vin rosé,‘ said Mariga quite truthfully, ’nourishes the Georgian Society.'“

The Islander. Tomás O’Crohan

Wieder ein (recht) unbekannter Klassiker, der mir in einem Buchladen in der Nähe von Clonmacnoise in Irland in die Finger gekommen ist: „The Islander“ von Tomás O’Crohan.

In Deutschland ist dieses Buch am bekanntesten durch die Übersetzung, die die Irland-Liebhaber und -Bekanntmacher Annemarie und Heinrich Böll aus der englischen Übersetzung unter dem etwas weinerlich-süsslichen-rudi-schuricke-artigen Titel „Die Boote fahren nicht mehr aus“ erstellt haben.

Übersetzung einer Übersetzung? Das Original ist in irischer Sprache verfasst: An tOileánach, und der Autor schreibt sich eigentlich auch anders: Tomás Ó Criomhthain. Bis 2012 gab es auch nur eine englische Übersetzung aus den 1930er Jahren eines „bereinigten“ Textes, denn das vollständige Original galt als zu bodenständig und zu direkt.

Tomás O’Crohan lebte von 1855 bis 1937 auf Great Blasket Island an der Südwestküste Irlands als Bauer und Fischer, war verheiratet und hatte zehn Kinder, von denen die meisten früh starben.
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Great Blasket Island ist seit 1953 unbewohnt, und hatte auch kaum mehr als 150 Bewohner in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dennoch stammen immerhin drei Schriftsteller von dort: Tomás O’Crohan, Maurice O’Sullivan und Peig Sayers.

Das Buch von O’Crohan beschreibt in einer Art von autobiographischer Materialsammlung sein Leben auf der Insel – ungeschminkt, mit einer sehr klaren und einfachen, im irischen Original durchaus auch poetischen Sprache. „Einfach“ heißt in diesem Zusammenhang ganz eindeutig nicht „platt“, sondern dreidimensional und reflektiert, ohne Hochglanz, ohne Fassadenblenderei, sehr selbstbewußt, sehr eigenständig, bei aller Ferne des Erzählten von einer sehr unmittelbaren Nähe und Greifbarkeit. Sein Stil wurde beschrieben als „vivid, absorbing and delightful, full of incident and balance, fine observation and good sense, elegance and restraint“. Oder von jemand anderem: „It is a voice without buckles, without posies, without flowers, without fancies. It is a voice that cuts through all the crap (…).“

Das Buch beschreibt widrige Umstände. Es zeigt Würde, Heiterkeit, Spaß am Erleben und Erzählen, Durchhaltevermögen, Zusammenhalt und Streit, nicht zuletzt auch den Wert von Bildung: „My mother was carrying the turf so that she could send me to school when I was eight years of age.“ Das Buch befasst sich mit der Existenz des Menschen an sich.

Am häufigsten zitiert ein Satz aus dem letzten Kapitel:
„I wrote in detail about a lot of all our goings-on so that there’d be some recollection somewhere about them, and I have tried to describe the character of the people who were around me so that there might be an account of them after we’re gone, because our likes will never be here again.“

Ein Beispiel für die bodenständige Poesie O’Crohans:
„(…) some of us had a passion for the seas and the ocean, imbued with the sound of the wind that blew in from the seashore, beating in our ears every morning, clearing our brains and the dust from our skulls.“

Gelesen habe ich die englische Übersetzung von Garry Bannister und David Sowby von 2012 – die ich sehr empfehle inklusive der Einleitung.

Elizabeth Bowen – Portrait of a Writer, Victoria Glendinning

Elizabeth Bowen, eine der bekanntesten anglo-irischen Schriftstellerinnen, ist heute außerhalb Großbritanniens kaum bekannt. Auch heute noch interessant ist ihr familiärer Hintergrund: geboren 1899 in eine Familie des irischen Landadels, die ihre Wurzeln in England hatte und von dort unter Cromwell ausgewandert war.

Bowen selbst sagte über sich selbst, sie sei die letzte Vertreterin der Anglo-Iren, die noch authentisch vom Leben zwischen den beiden Kulturen berichten können.

Als Schriftstellerin war Bowen sehr erfolgreich. Ihre Romane und Erzählungen werden mit der Literatur Virginia Woolfs und Jane Austens verglichen.

Wie gestaltet Victoria Glendinning die Biografie? Sie erzählt linear, das Innenleben Bowens kommt kaum vor, ihre Bedeutung als Schriftstellerin – trotz des Untertitels – ebenfalls eher am Rande. Dennoch wird die ungewöhnliche Persönlichkeit Bowens deutlich. Dies gelingt Glendinning durch Anekdoten aus dem Alltag der Schriftstellerin. Glendinning veröffentlichte außerdem Biographien über  Edith Sitwell, Vita Sackville-West, Rebecca West, Leonard Woolf, Anthony Trollope, Stamford Raffles und Jonathan Swift. Die vorliegende ist bestimmt nicht ihre beste.

Leser und Leserinnen, die sich für irische Geschichte interessieren, wird der Roman Bowens „The Last September“ gefallen. Hier beschreibt Bowen das Leben der anglo-irischen Oberschicht in Irland, ihre Feste zusammen mit den Offizieren der englischen Truppen, ihr Zusammenleben mit irischen Nachbarn und Bediensteten. Erzählte Zeit ist der Sommer von 1920, in dem der irische Unabhängigkeitskrieg  eskalierte. An seinem Ende waren viele der repräsentativen Herrenhäuser von protestantischen anglo-irischen Familien ausgebrannte Ruinen.

Mein persönliches Lieblingsbuch von Bowen ist „The Little Girls“, eines des letzten Bücher Bowens. Hierin versuchen drei Frauen, alle haben die 50 überschritten, an ihre Kindheit anzuknüpfen. Ein Buch, das „Identität“ und „Erinnerung“ auf ihre Bedeutung abklopft. Als Mädchen haben die drei Hauptfiguren jede einen Gegenstand in eine Kiste gelegt. Nur das Mädchen selbst wußte, was für ein gegenstand dies war. gemeinsam haben sie dann die Kiste vergraben. Was ist mit ihr passiert? Die Klärung dieser Frage treibt die Handlung voran.

The Birth of the West: Rome, Germany, France, and the Creation of Europe in the Tenth Century. Paul Collins

imageEin faszinierendes und inhaltsschweres Buch, in dem – durchaus nachvollziehbar – argumentiert wird, dass das Europa, welches wir heute kennen, ganz wesentlich im 10. Jahrhundert gegründet und geprägt wurde. Neben allem historischen, sozialgeschichtlichen, kulturellen Tiefgang bietet Collins auch immer wieder anregende und überraschende Anekdoten, so zum Beispiel über einen katholischen Heiligen:
“ Another extraordinary story  concerns the relics of Saint Guinefort (…). Though a saint, Guinefort was not a person but a heroic pet greyhound! One day when his owner was absent, a large serpent approached the cradle of the owner’s child. Guinefort attacked and killed the snake but was badly hurt himself. (…) When the parents returned, they found both cradle and dog covered in blood. Assuming Guinefort had attacked the baby, they killed him but later found the baby safe and the snake torn to pieces. Local peasant women began to ‚visit the place and honor the dog as a martyr in quest of help for their sicknesses and other needs,‘ particularly for the greyhound to cure sick babies.“
Und das Buch ist eine beeindruckende Quelle aus der Mode gekommener Vornamen wie Hatheberg, Herimann, Heriger, Hildebert, um nur das H herauszugreifen.
Gelesen habe ich die Ausgabe von 2013.