Abraham trifft Ibrahîm: Streifzüge durch Bibel und Koran, Sibylle Lewitscharoff und Najem Wali

Um es vorweg zu nehmen: Dass ich dieses Buch gelesen habe, war ein Fehler meinerseits.

Eigentlich war ich auf der Suche nach vielversprechenden Neuerscheinungen. Dafür war ich in ein Buchgeschäft gegangen. Und richtig: Es gab eine eigene Auslage mit Neuerscheinungen! Ich habe mich in Ruhe umgeschaut, in diverse Bücher hineingelesen. Meine Wahl: Abraham und Ibrahîm.

Warum gerade dieses Buch? Von Sibylle Lewitscharoff hatte ich zwar noch nichts gelesen, aber Gutes gehört. Immerhin hat sie 2013 den Büchnerpreis erhalten. Außerdem – dachte ich – schadet es bestimmt nicht, etwas mehr über den Koran zu wissen. Mitreden kann man zwar immer. Aber das fundiert zu tun, schien mir der überlegene Ansatz. Auch war der Einband nicht abschreckend, sondern machte einen gebildeten Eindruck. Genau das Richtige für mich.

Zwischenzeitlich habe ich das Buch gelesen und weiß, was ich falsch gemacht habe. Nach der Titelseite gibt es ja immer die Seite mit dem Kleingedruckten. Dort hätte ich sehen können, wann das Buch das erste Mal mit einem fröhlichen Schrei das Licht der Buchläden gesehen hat. 2018 steht da. Sogar im Frühjahr. Neuerscheinung also natürlich schon, aber nicht des Jahres 2019, dumm gelaufen…. Zumindest kann man dem Buchladen, in dem ich es gekauft habe, nicht nachsagen, allzu schnell den neuesten Trends hinterher zu hecheln und die Neuauflagen-Auslage zu aktualisieren. Hoffentlich lagen Abraham und Ibrahîm da nicht noch, weil sie keiner kaufen wollte….

Soviel zu meinem Geständnis.

Jetzt zum Buch. Und das ist tatsächlich ganz interessant.

Worum es nicht geht?
Eine allumfassende Darstellung von Koran und Bibel. Oder um eine theologisch tiefkompetente Analyse.

Statt dessen:
Ein Vergleich der Darstellung gemeinsamer Personen in diesen beiden heiligen Schriften, insgesamt neun. Und zwar: Eva/Hawwâ – Abraham/Ibrahîm – Moses/Mûsa – Lot/Lût – Hiob/Ayyûb – Jona/Yûnus – König Salomo/Sailamân – Maria/Maryam – Der Teufel/Schaitan oder Iblîs.

Offensichtlich und vielleicht überraschend nicht dabei: Jesus/Îsa bin Maryam.

Najem Wali, ein in Deutschland lebender irakischer Schriftsteller, stellt den Koranpart jeweils sehr sorgfältig und nah am Text vor. Er geht – vielleicht zurecht – davon aus, dass die Leserinnen und Leser mit dem Koran weniger vertraut sind. Auch arbeitet er jeweils die Unterschiede zur Bibel, die ja einige Jahrhunderte älter ist als der Koran, am sorgfältigsten heraus. Wali ist auch verantwortlich für die Einleitung, die allein schon lesenswert ist, weil sie auf angenehm klare und undogmatische Art und Weise grundlegende Kenntnisse zum Koran vermittelt. Man könnte sagen, Wali stellt den Koran vor.

Sibylle Lewitscharoff macht das anders. Sie setzt eine gewisse Bibelkenntnis voraus und schreibt viel freier, viel essayistischer, viel literarischer. Man könnte sagen, Lewitscharoff stellt ihre Schreibkunst anhand biblischer Themen vor.

Das macht das Buch abwechslungsreich und gut lesbar.

Zwei Beispiele. Von Wali aus der Einleitung:

„Dem Koran zufolge gab es, von Âdam bis Muhammad, insgesamt fünfundzwanzig Propheten (arabisch: Anbîya, Singular: Nabi). Manche von ihnen werden auch als Rasûl (‚Gesandter‘) betitelt (…). Folgen wir der Argumentation, dass ein Prophet bei einer bestimmten Gruppe von Menschen eine göttliche Mission erfüllt, während die Aufgabe der Gesandten weiter reicht – er soll die gesamte Menschheit zur Umkehr bewegen -, kommen wir auf fünf Gesandte. (…) Jeder Gesandte ist also zugleich auch Prophet, umgekehrt gilt dies jedoch nicht.“

Von Lewitscharoff aus Abraham:

„Was für eine Koinzidenz – man höre und staune! Als im Winter des Jahres 1841 Sören Kierkegaard ‚Furcht und Zittern‘ schrieb, hatte er einige schlaflose Nächte. Genauer gesagt waren es von brüchigem Schlaf durhsetzte Nächte, in deren Löchern Unruhe, Schweißausbrüche, Verzweiflung, Kopfschmerz (auch Magendrücken) sich meldeten und ihn im Bett von der einen auf die andere Seite warfen. Schier endlos ging das hin und wieder her, von rechts nach links, von links nach rechts.“

Ich denke, der Unterschied in der Schreib- und Herangehensweise wird klar.

Noch einige Worte zu den Unterschieden zwischen Koran und Bibel. Viele Geschichten in der Bibel haben einen ausgeprägten Sinn für ungelöste Konflikte. Diese werden im Koran oft aufgelöst: Gott hatte nie den Plan, dass Abraham seinen Sohn opfert. Hiob verzweifelt nicht an Gott , sondern ist vorbildlich geduldig. Maria hatte nie einen Ehemann. Jesus ist nicht am Kreuz gestorben.

Um all dies zu erfahren, gibt es zwei Möglichkeiten: (noch einmal?) die Bibel und (erstmals?) den Koran lesen – oder dieses Buch.

Wie gesagt:
Es ist zugänglich, weil lesbar. Und lesenswert, weil wissenswert.

Echnaton: Ägyptens falscher Prophet. Nicholas Reeves

Ägypten ist bisher in unserem Blog – soweit ich mich erinnere – eher kurz gekommen. Geschrieben haben wir nur über Obelisken und die Hieroglyphen. Für eine Hochkultur wie das alte Ägypten ist das deutlich unter Wert. Zur Abhilfe daher jetzt ein sehr gutes Buch über Echnaton, einen der bekannteren ägyptischen Pharaonen.
Echnaton |

Echnaton
Echnaton gehört ins ägyptische sogenannte Neue Reich. Er regierte im 14. Jahrhundert v.u.Z., als vor fast 3.500 Jahren. Wenn man das Buch von Reeves gelesen hat, ist man erstaunt, wie viel man nach so langer Zeit über ihn, seine Familie, sein Leben, sein Umfeld heute noch hat und weiß. Seine Mumie, sein Sarkophag, wörtliche Zitate, unzählige Porträtbüsten, Statuen, Reliefs, die Grundmauern seines Palasts, Briefe, wörtliche Zitate…. Die Namen seiner Familie, seines Arztes, seiner Regierungsmitglieder, seines Hofbildhauers….. Alles noch da.

Echnaton ist nicht sein einziger Name. Zunächst regierte er als Amenophis IV. (auch geschrieben Amenhotep IV.), änderte dann aber seinen Namen in Echnaton, als er eine Revolution im politischen und religiösen Machtgefüge Ägyptens startete. Vorher war Amun-Re ein zentraler Gott unter vielen anderen Göttern (Amun ist der erste Bestandteil in Amenophis und Amenhotep). Echnaton hat all diese Götter gestrichen und an ihre Stelle ausschließlich Aton, die Sonne, gesetzt (Aton ist der letzte Bestandteil in Echnaton).

Als ägyptischer Pharao hat man natürlich Anspruch auf viele Namen (so wie auch chinesische Kaiser). Es gibt den Thronnamen, einen Goldnamen, einen Nebti-Name, einen Horusnamen…. Und bei Echnaton dann natürlich alles doppelt, vor und nach seiner Umbenennung.

All diejenigen, die von Echnaton noch nichts gehört hatten, haben vielleicht von seiner Frau Nofretete gehört (Porträtbüste in Berlin!) oder auch von seinem Sohn Tutanchamun (sensationeller Grabfund im Tal der Könige!).
Standfigur der Nofretete (Berlin 21263) – Wikipedia

Nicholas Reeves
… ist einer der schreib- und öffentlichkeitsfreudigsten aktuellen Ägyptologen.
Mysterious 'hidden chamber' in King Tutankhamun's tomb could be ...
Der eine oder andere hat seinen Namen vielleicht in der letzten Zeit gehört, als es das Gerücht gab, hinter der Grabkammer von Tutanchamun gäbe es noch eine weitere, ungeöffnete Kammer. Reeves schreibt mit viel Wissen ausgesprochen zugänglich und spannend. Gelegentlich macht er vielleicht etwas mehr aus den vorhandenen Fakten, als diese tatsächlich hergeben (siehe die zusätzliche Grabkammer, die es wohl doch nicht gibt) – aber dadurch wird’s mehr gelesen und fasziniert mehr.

Das Buch
… bietet gleich drei extrem spannende und facettenreiche Biographien: über Echnaton selbst, über die neue Sonnen-Religion und über die von Echnaton als Regierungssitz und zentraler Kultort neu gegründete Stadt Amarna. Alle drei wurden nicht sehr alt und nahmen kein gutes Ende. Nebenbei erfährt und lernt man viel über Politik, Kultur und Zivilisation des alten Ägypten, inkl. alles dessen, was auch die Regenbogenpresse so über Königs schreiben. Wobei das Buch nie seicht wird, aber immer lesbar bleibt.

Erfreulicherweise ist es auch in deutsch erschienen und gut im Buchhandel zu erhalten.
Secret Tut chamber? Egypt calls experts to examine evidence ...