Echnaton: Ägyptens falscher Prophet. Nicholas Reeves

Ägypten ist bisher in unserem Blog – soweit ich mich erinnere – eher kurz gekommen. Geschrieben haben wir nur über Obelisken und die Hieroglyphen. Für eine Hochkultur wie das alte Ägypten ist das deutlich unter Wert. Zur Abhilfe daher jetzt ein sehr gutes Buch über Echnaton, einen der bekannteren ägyptischen Pharaonen.
Echnaton |

Echnaton
Echnaton gehört ins ägyptische sogenannte Neue Reich. Er regierte im 14. Jahrhundert v.u.Z., als vor fast 3.500 Jahren. Wenn man das Buch von Reeves gelesen hat, ist man erstaunt, wie viel man nach so langer Zeit über ihn, seine Familie, sein Leben, sein Umfeld heute noch hat und weiß. Seine Mumie, sein Sarkophag, wörtliche Zitate, unzählige Porträtbüsten, Statuen, Reliefs, die Grundmauern seines Palasts, Briefe, wörtliche Zitate…. Die Namen seiner Familie, seines Arztes, seiner Regierungsmitglieder, seines Hofbildhauers….. Alles noch da.

Echnaton ist nicht sein einziger Name. Zunächst regierte er als Amenophis IV. (auch geschrieben Amenhotep IV.), änderte dann aber seinen Namen in Echnaton, als er eine Revolution im politischen und religiösen Machtgefüge Ägyptens startete. Vorher war Amun-Re ein zentraler Gott unter vielen anderen Göttern (Amun ist der erste Bestandteil in Amenophis und Amenhotep). Echnaton hat all diese Götter gestrichen und an ihre Stelle ausschließlich Aton, die Sonne, gesetzt (Aton ist der letzte Bestandteil in Echnaton).

Als ägyptischer Pharao hat man natürlich Anspruch auf viele Namen (so wie auch chinesische Kaiser). Es gibt den Thronnamen, einen Goldnamen, einen Nebti-Name, einen Horusnamen…. Und bei Echnaton dann natürlich alles doppelt, vor und nach seiner Umbenennung.

All diejenigen, die von Echnaton noch nichts gehört hatten, haben vielleicht von seiner Frau Nofretete gehört (Porträtbüste in Berlin!) oder auch von seinem Sohn Tutanchamun (sensationeller Grabfund im Tal der Könige!).
Standfigur der Nofretete (Berlin 21263) – Wikipedia

Nicholas Reeves
… ist einer der schreib- und öffentlichkeitsfreudigsten aktuellen Ägyptologen.
Mysterious 'hidden chamber' in King Tutankhamun's tomb could be ...
Der eine oder andere hat seinen Namen vielleicht in der letzten Zeit gehört, als es das Gerücht gab, hinter der Grabkammer von Tutanchamun gäbe es noch eine weitere, ungeöffnete Kammer. Reeves schreibt mit viel Wissen ausgesprochen zugänglich und spannend. Gelegentlich macht er vielleicht etwas mehr aus den vorhandenen Fakten, als diese tatsächlich hergeben (siehe die zusätzliche Grabkammer, die es wohl doch nicht gibt) – aber dadurch wird’s mehr gelesen und fasziniert mehr.

Das Buch
… bietet gleich drei extrem spannende und facettenreiche Biographien: über Echnaton selbst, über die neue Sonnen-Religion und über die von Echnaton als Regierungssitz und zentraler Kultort neu gegründete Stadt Amarna. Alle drei wurden nicht sehr alt und nahmen kein gutes Ende. Nebenbei erfährt und lernt man viel über Politik, Kultur und Zivilisation des alten Ägypten, inkl. alles dessen, was auch die Regenbogenpresse so über Königs schreiben. Wobei das Buch nie seicht wird, aber immer lesbar bleibt.

Erfreulicherweise ist es auch in deutsch erschienen und gut im Buchhandel zu erhalten.
Secret Tut chamber? Egypt calls experts to examine evidence ...

 

 

 

Wie der Hieroglyphencode geknackt wurde: Das revolutionäre Leben des Jean-François Champollion. Andrew Robinson

Diese Biographie über Jean-François Champollion ist ein Zufallsfund aus einem modernen Antiquariat. Ursprünglich im Jahr 2012 erschienen versucht der Verlag Thames & Hudson anscheinend, die Restauflage aus dem Lager zu bekommen.

Der Autor Andrew Robinson kommt vom Fach. Er schreibt offenbar sehr gerne über Sprachen und Schriften, besonders über nicht entzifferte Schriften und verlorene Sprachen. Als ehemaliger Literary Editor beim Times Literary Supplement kann er wahrscheinlich auch schreiben.

Der Titel ist betont reißerisch: „Cracking the Egyptian code: The revolutionary life of Jean-François Champollion“. Als Brite hat man da sofort die Code-Brecher von Bletchley Park während des zweiten Weltkriegs vor Augen oder alternativ den Da Vinci-Code von Dan Brown.  Und revolutionär zieht ja immer.
Zeitlich passt das gut, denn Champollion lebte von 1790 bis 1832, also gerade während der ausgesprochen turbulenten Revolutionsjahrzehnte Frankreichs.

Die unverzichtbaren Lobpreisungen des Rücktitels sind nicht spektakulär und wahrscheinlich alle als Gefälligkeit den Beziehungen des Autors Andrew Robinson zu verdanken – kein Zitat jedenfalls ist einer echten Rezension entnommen: „spirited account of a fascinating subject“, „entertaining, higly readable and authoritative biography“, „at last a definitive biography of Champollion in English!“

Es hilft also nichts. Selber lesen. Selber entziffern.

Ein sehr lesbares Buch. Gut zwischendurch zu genießen. Für eine Biographie ungewohnt spannend. Findet eine ordentliche Balance zwischen zu technisch/detailliert gerade beim Entziffern der Hieroglyphen (nicht jeder möchte schließlich alles über die Eigenheiten des Ägyptischen wissen) und zu oberflächlich (warum es besonders schwierig war, möchte man schließlich schon erfahren). Fachformular setzt Robinson maßvoll ein und macht es auch für Laien einigermaßen nachvollziehbar.

Die definitive Biographie über Champollion ist dies allerdings wahrscheinlich nicht. Dafür tut sich Robinson mit allem Persönlichen und Zwischenmenschlichen zu schwer. Fast nichts erfährt man über die anscheinend nicht so gelingende Ehe von Champollion mit Rosine Blanc. Schemenhaft und etwas rätselhaft bleiben die Feindschaften zwischen Champollion und z.B. seinem ehemaligen Lehrer Silvestre de Sacy oder Joseph Fourier, dem Direktor der französischen Museen (also auch des Louvre). Auch über Champollion selbst, seine Gedanken, seinen Charakter hätte man (also ich zumindest) gerne mehr erfahren. Ein Mensch ist ja nicht nur, was er tut.

Gut immer wieder die Schilderung einzelner Szenen, kurzer Begebenheiten, ausgewählter Zitate. Ein Beispiel: Champollion hat gerade eigene Forschungsergebnisse zu den Hieroglyphen veröffentlicht und dabei alle Beiträge von Thomas Young (auf denen er wahrscheinlich aufgebaut hat) unerwähnt gelassen. Darauf der sehr feinfühlige, zwischenmenschlich kompetente Thomas Young:
„But, however Mr Champollion may have arrived at his conclusions, I admit them, with the greatest pleasure and gratitude, not by any means as superseding my system, but as fully confirming and extending it“.

Oder die Einschätzung Dominique-Vivant Denons, der Napoleon als Wissenschaftler nach Ägypten begleitet hatte und später Direktor des Louvre wurde, zum Tempel von Karnak:
„It is the pomp, then, of the Egyptians that we behold at Karnak, where are piled not only quarries but mountains, fashioned with massive proportions, and where the execution is feeble in outline and rude in the masonry; barbarous reliefs, and hieroglyphs without taste and without colouring, in a state only of coarse sculpture. There is nothing of the sublime, either in the dimensions or the executions of the work (…).”

Zuletzt legt man das Buch dann doch bereichert aus den Händen, erstaunt darüber, wie es die Rivalen Thomas Young und Jean-François Champollion sowie später vor allem Karl Richard Lepsius gelungen ist, tatsächlich die Hieroglyphen wieder lesbar zu machen. Sudoku (Variante: schwer) ist nichts dagegen. Hut ab vor einem Menschen, der sich schon als Teenager neben Griechisch, Latein und Hebräisch auch mit Syrisch, Koptisch, Äthiopisch auseinandergesetzt hat. Was für ein wundersames Wesen ist doch der Mensch.