Krimi: A Right to Die. Rex Stout

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Ich weiß nicht, ob ich mich schon positiv über einen Krimi von Rex Stout geäußert habe. Wenn nein: Auch dieser Nero Wolfe-Roman hält sein gewohnt hohes, durchaus literarisches Niveau mit dynamischem Jazz-Age-Stil, guten Charakteren, spannendem Plot.

Was diesen Krimi besonders macht, ist, dass der Hauptverdächtige (und Klient von Wolfe und damit nicht der Täter) ein afro-amerikanischer Bürgerrechtler ist. Auf dem glatten Parkett der Beziehungen zwischen Weißen und Farbigen in den USA bewegt sich Rex Stout recht gewandt, ohne es sich immer einfach zu machen:
Out of eight people, at nine o‘ clock in the evening, you would expect at least two or three to be thirsty enough or bushed enough to want a drink, but they all said no. It couldn’t have been because of my manners, offering to serve people of an inferior race. First, two of them were white, and second, when I consider myself superior to anyone, as I frequently do, I need a better reason than his skin.

Oder:
„I’m going to tell you something my wife said the other day. We were discussing the trial (…) and we got to talking about you, and she said, ‚I wish he was a Negro‘.“ He smiled. „Now there’s a compliment.“
Wolfe grunted. „If I were, Mr Goodwin would have to be one too.“

Gelesen habe ich die englische Taschenbuchausgabe von 1974. Antiquarisch vielleicht zu bekommen ist eine deutschsprachige Ausgabe unter dem wie so oft eigenwilligen Titel „Wenn Licht ins Dunkle fällt“ aus dem Jahr 1967.

Krimi: Morse’s Greatest Mystery. Colin Dexter

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Normalerweise mache ich um Kurzgeschichten von Krimi-Autoren einen großen Bogen: Plots, die nicht für einen ganzen Krimi gereicht haben – Geschichten, die aufgenommen wurden, um auf die erforderliche Seitenzahl zu kommen – Produkte kreativer Ebbe.

Vor die Wahl gestellt werde ich auch in diesem Fall nach dem Lesen der Kurz-Krimis von Colin Dexter immer seine Romane empfehlen. Andererseits sind Geschichten von Dexter oft besser als ganze Romane anderer Autoren, daher ist er auch unter unseren empfohlenen Krimi-Autoren… Und so gibt es in diesem Band einige Geschichten, die sich sehr gut behaupten und dem Leser/der Leserin Spaß machen können. Für mich gehören hierzu „Evans Tries an O-Level“ über einen Gefängnisausbrecher, „A Case of Mis-identity“ als Dexters einziger, auch stilistisch passender Sherlock Holmes-Geschichte und „The Inside Story“, die fast ein ganzer Roman hätte werden können.

Anregend auch immer die kurzen Zitate, die Dexter häufig seinen Kapiteln voranstellt wie zum Beispiel eines von Henry David Thoreau: If I repent of anything, it is very likely to be my good behaviour.

Gelesen habe ich die Taschenbuchausgabe von 2011.

Detektivgeschichte: Bury Her Deep. Catriona McPherson

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In diesem Krimi der schottischen Autorin hat Dandy Gilver als Detektivin ganz besondere Vorfälle zu klären: Liebeszauber, ausgegrabene Knochen und ein schlangengleicher Fremder beunruhigen die Einwohner eines kleinen schottischen Dorfes. Betreiben die Frauen von Fife tatsächlich Hexerei oder steckt etwas ganz anderes dahinter? Unter dem Vorwand, einen Vortrag über das Haushaltsbudget zu halten, besucht Gilver Veranstaltungen des Women´s Institut.

Dandy Gilver als Ermittlerin aus gehobenen Gesellschaftskreisen ist engagiert, äußerst pragmatisch und eine ausgezeichnete Beobachterin. Schlau sowie reizend unschuldig ist sie unromantisch verheiratet, hat aber eine bitzelnde Beziehung zu ihrem Co-Detektiv Alec.

Etwas ganz besonderes ist das Setting des Krimis: Er spielt in den 1920er Jahren, alle Details sind ausgezeichnet recherchiert, so dass das historische Setting viel mehr ist als nur eine Verpackung. Die Geschichte ist spannend, etwas verwickelt und entspricht der klassischen englischen Detektivgeschichte als Rätsel ohne viel Gewalt.

The Dain Curse. Dashiell Hammett

imageEin klassisches Beispiel amerikanischer Krimis der 30er Jahre von Hammett, der hierzulande vor allem durch den Malteser Falken bekannt ist.
Trotz einiger sehr spannender, auch gruseliger Elemente (Gespenster!), trotz gelegentlichen etwas schwärzlichen Humors musste ich mich bis zum Ende durchkämpfen. Die Architektur solider Plots war wohl nicht die Stärke von Hammett, vielleicht wollte er aber auch nicht wirklich solche bauen:
‚Aw, shut up! You’re never satisfied until you’ve got two buts and an if attached to everything!‘
Im letzten Krimi, den ich gelesen hatte – The Case of the Vagabond Virgin, habe ich einige Sätze über Finanzleute zitiert. In The Dain Curse sind Marketing-Manager an der Reihe:
‚He always has the most consistently Logical and creditable reasons for having done the most idiotic things. He is‘ – as if that explained it – ‚an advertising man.‘
Gelesen habe ich eine englische Taschenbuchausgabe von 1975. Erschienen ist der Krimi 1931.

 

Perry Mason im Warenhaus: The Case of the Vagabond Virgin. Erle Stanley Gardner

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Der beste Krimi von Erle Stanley Gardner, den ich bisher gelesen habe. Sehr gut konstruierter Plot, der bis zur letzten Seite durchhält; spannend geschrieben; genau das richtige für lange Winterabende. Dieser Krimi spielt in amerikanischen Warenhaus-Kreisen der 40er/50er Jahre. Klassische Händler, die mit intelligenten Analysen aus dem Finanzbereich nicht gut können und lieber Paletten schieben, finden hier die richtigen Zitate:
In a business like ours, a man can’t waste too much time in analysing. It’s fine to know which departments have made the most money, but, after all, that stuff is post-mortem. An executive should be on the firing line, getting ideas, not dissecting the accounting corpse of last year’s mistakes.
Gelesen habe ich eine englisch-sprachige Taschenbuchausgabe von1968 mit passendem Vintage-Einband.

The Two of Us – My life with John Thaw. Sheila Hancock

Es ist eine Liebesgeschichte und eine Doppelbiografie zweier Schauspieler. Es ist eine Geschichte vom Erwachsenwerden im England der Nachkriegszeit, vom gesellschaftlichen Aufstieg aus ärmlichen Verhältnissen. Und es ist eine Geschichte von Alkoholismus, Krebserkrankung und Sterben. Es ist eine Geschichte über die Liebe und den Versuch, gemeinsam zu leben. John Thaw war im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert einer der beliebtesten Schauspieler Englands. Für viele bekannt durch seine 13jährige Darstellung des Inspektor Morse, einer Kriminal-Serie nach Vorlagen und unter Mitarbeit von Colin Dexter. Diese gibt es auch in mehreren ausgezeichneten DVD-Serien unter dem Titel „Morse“.

„Even though he (John Thaw) had left school, his teachers rode to his rescue, believing that acting was the path John should persue. His old headmaster … moved heaven and earth … It seemed unlikely that a boy from a council flat in Burnage, with an accent you could cut with a knife, could enter those hallowed halls (der Schauspielschule RADA).“

Hancock, Thaws zweite Frau, beschreibt in einer parallelen Erzählebene die Krebserkrankung und den Tod ihres Mannes sowie ihre Anstrengungen nach Trauer und Verzweiflung neu das Leben zu akzeptieren: „I have really lived this grief. I have been totally centred on my pain. That´s some sort of achievement. Most of my life has been postponing feeling or thinking what comes next. … Shame I had to learn though pain rather than pleasure.“

Gelesen in der Ausgabe von 2004.image

Down Among the Dead Men. Peter Lovesey

imageUnter den aktuellen englischen Kriminalschriftstellern nimmt Peter Lovesey eine Sonderstellung ein, da er zwischenzeitlich so viele Auszeichnungen erhalten hat, dass er mittlerweile nur noch als „multi-award-winning author“ bezeichnet wird, um die Aufzählung nicht zu lang werden zu lassen. Früher schrieb Lovesey historische Krimis, die in viktorianischer Zeit (Sergeant Cribb als Detektiv) oder später spielen (mit dem englischen Thronfolger Edward, genannt Bertie, als Detektiv).
Sein Detektiv fürs Zeitgenössische ist Peter Diamond, der auch in Down Among the Dead Men die Aufklärung vorantreibt.
Spannend und flüssig geschrieben, sorgfältig konstruierter Plot, neben Crime auch etwas Sex, wenig Brutalität, nachvollziehbare, wenn auch nicht allzu subtil gezeichnete Charaktere, gut lesbare Sprache auch im englischen Original. Diese Beschreibung trifft auch auf seinen neuesten Krimi zu, der gerade kürzlich in England erschienen ist.
Zwischenzeitlich sind einige von Loveseys früheren Krimis auch ins Deutsche übersetzt. Mehr davon wäre schön.

Nero Wolfe im Werbe-Milieu: Before Midnight. Rex Stout

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Nach längerer Zeit habe ich wieder einen Nero Wolfe-Krimi von Rex Stout gelesen. Er ist unter dem Titel „Vor Mitternacht“ auch in Deutsch erschienen. Allerdings bekommt man ihn – wie auch (fast?) alle anderen seiner Bücher – nur noch antiquarisch. Erstaunlich, dass ein echter Klassiker der Krimi-Autoren hierzulande so vernachlässigt ist. Und dabei sind die Nero Wolfe-Romane literarisch durchaus anspruchsvoll geschrieben, witzig und spannend, mit interessanten und gut konstruierten Plots. Fehlt Blut und Brutalität, um aktuell verlegt zu werden? Before Midnight spielt in der Welt von Kosmetik- und Werbeunternehmen, wo der eine oder andere Machtkampf tobt, persönliche Eitelkeiten gepflegt werden und auch gehörig Dreck an den Stecken klebt. Die zwei Morde, zu denen dies führt, löst Nero Wolfe mit Intelligenz, aber vor allem, weil ihn die Ereignisse überholen und kaum noch eine andere Lösung bleibt.