Meine Bücher des Jahres 2017

Andere Medien machen das ja auch: Listen erstellen zum Ende eines Jahres. Das lässt sich auf Halde produzieren, so dass man an und zwischen den Feiertagen nicht arbeiten muss oder zumindest nicht in Stress gerät.

Diese Liste ist anders. Sie lag nicht auf Halde, sondern wird jetzt in diesem Moment gerade frisch produziert. Außerdem ist sie kurz.

Meine Bücher des Jahres 2017 also.

Mit Abstand an der Spitze ein echter Außenseiter:

  • Der „Tractatus theologico-politicus“ von Baruch Spinoza.
    Auch im Rückblick mehrerer Monate bin ich immer noch beeindruckt von der Intelligenz, Unbestechlichkeit und dem Mut des Autoren. Finden seine Thesen höchst bemerkenswert und zum großen Teil sehr relevant für die heutige Zeit. Und bin fasziniert von der Klarheit seiner Sprache und Argumentation.
    Ergänzend hierzu – als Starter oder Abrunder – das Buch über dieses Buch von Nadler über „A book forged in hell
  • The most perfect thing: inside (and outside) a bird’s egg“ von Tim Birkhead
    Mein Sachbuch des Jahres. Viel Erstaunliches und Wissenswertes über etwas völlig Alltägliches: Das Vogel-Ei. Flott geschrieben von einem Experten.
  • Death of an avid reader“ von Frances Brody
    Meine Krimi-Entdeckung des Jahres. Zwar sind die neuesten ihrer Bücher nicht mehr ganz so gut – wahrscheinlich ist der Zeitdruck zu groß? – aber spannend, intelligent geschrieben, klassischer-Krimi-formatiert sind sie alle. Und im Unterschied zu vielen anderen thematisiert diese Autorin, ohne damit zu einer Problem-Schriftstellerin zu werden, auch die traumatisierten Folgen eines Weltkriegs.
  • The caravanersvon Elizabeth von Arnim
    Ein echter Klassiker, wirklich allerbeste Unterhaltungsliteratur mit tiefen Einsichten über den deutschen männlichen Charakter.
  • One crimson thread von Mícheál Ó Siadhail
    Jetzt muss ich etwas schummeln, denn diesen Gedichtband habe ich bereits 2016 gelesen. Ich finde aber, dass er auch für 2017 seine Spitzenposition auf meiner Liste verdient. Sehr berührend. Großartig geschrieben.

Die Autoren im Überblick:


Ein frohes neues Bücherjahr!

Murder in the afternoon. Frances Brody

Nachdem ich mich kritisch geäußert habe über die Krimis von Jacqueline Winspear, braucht es positive Abwechslung. Da kommt die Krimiserie von Frances Brody mit der Detektivin Kate Shackleton gerade recht.

Die Literary Review bemerkt: „Kate Shackleton joins Jacqueline Winspear’s Maisie Dobbs in a subgroup of young, female amateur detectives matured by their wartime experiences. They make excellent heroines.“

Damit sind die Gemeinsamkeiten aber auch erschöpfend behandelt. Denn Frances Brody ist die deutlich bessere Krimi-Autorin. Bei ihr haben die Charaktere mehr Tiefe, entsteht echte Spannung. Ihr Schreibstil ist lebhafter, facettenreicher, amüsanter. Man merkt, dass sie auch als  Bühnenautorin erfolgreich ist. Zwischenzeitlich hat sie in der Krimi-Reihe mit Kate Shackleton neun Romane veröffentlicht. Murder in the afternoon, erschienen 2011, ist die Nummer 3.

Der Start der nicht unkomplizierten Handlung wird auf der Rückseite des Einbands gut aufbereitet: „Young Harriet and her brother Austin have always been scared of the quarry where their stone mason father works. So when they find him dead on the cold ground, they scarper quick smart and look for some help. When help arrives, however, the quarry is deserted and there is no sign of the body. Were the children mistaken? Is their father not dead? (…) It seems like another unusual situation requiring the expertise of Kate Shackleton. But for Kate this is one case where surprising family ties make it her most dangerous – and delicate – yet…..“

Mit Zitaten am Anfang des Romans arbeitet Brody übrigens genauso gerne wie Winspear. Ihre passen aber noch viel besser zu dem, was dann folgt:
„Saturday
12 MAY, 1923
Great Applewick

Solomon Grundy,
Born on a Monday,
Christened on Tuesday,
Married on Wednesday,
Took ill on Thursday,
Grew worse on Friday,
Died on Saturday,
Buried on Sunday.
That was the end of Solomon Grundy.

Old rhyme.“

Eine  erfreuliche Entdeckung.

Death of an avid reader. Frances Brody

Das sind doch mal positive Überraschungen! Eine (relativ) neue Krimiautorin: Frances Brody – eine überzeugende Privatdetektivin: Kate Shackleton – geschrieben wie ein klassischer englischer Krimi – ohne den ewigen Psycho-Sex-Gewalt-Kram, den viele heutige Krimis anscheinend brauchen.

Frances Brody verlegt ihren Krimi in die zwanziger Jahre, macht daraus aber keine große Sache.
Sie kommt weitgehend aus, ohne historische Versatzstücke zu nennen, die das 20er Jahre Flair erzeugen sollen. Sie schreibt ausgesprochen flott. Offensichtlich macht es ihr großen Spaß zu erzählen, Spannung und Sympathie zu erzeugen, ihre Leser zu unterhalten. Der Plot (Mord in einer öffentlichen Bibliothek) ist gut gestrickt, nachvollziehbar und nur an wenigen Stellen von glücklichen Zufällen bestimmt. Erfreulich auch, dass die Polizei nicht dumm und dusselig sein muß, damit der Detektiv glänzt. Gute Dialoge, gute Beschreibungen von Stimmungen, Räumen, Personen. Überhaupt sind ihre Charaktere erfreulich abgerundet und eindrucksvoll.

Frances Brody startet mit einem Zitat von Richard Brinsley Sheridan:
„A circulating library in a town is as an evergreen tree of diabolical knowledge“.

Dann folgt ein Zeitungsartikel:
„In a momentous discovery, the Leeds Library on Commercial Street has added the finest of jewels to ist crown. Founded in 1768, this venerable Institution already houses Selby’s ornithology, rare and magnificent coloured plates of birds; the works of St Thomas Aquinas; an enviable collection of Reformation and Civil War pamphlets and two hundred and one volumes of the Encyclopédia Méthodique….“

Darauf ein Brief:
„22 October, 1925
Cavendish Square
London
Dear Mrs Shackleton
On a matter of delicacy, I pray you will meet me on Tuesday next. Knowing you are a member of the Cavendish Square Ladies‘ Club, I suggest we meet there.
Yours sincerely
Jane Coulton.“

Und damit ist die Szene gesetzt und der gesamte Plot vorbereitet.

Die Daily Mail vermerkt zu Frances Brody: „Has that indefinable talent of the born storyteller.“ Recht hat sie.