Voltaire’s Coconuts or Anglomania in Europe. Ian Buruma

imageAufmerksam wurde ich auf dieses Buch durch Bloody Foreigners.
Voltaire’s Coconuts befasst sich damit, wie sich die Anglophilie oder -Phobie der Kontinental-Europäer über die letzten Jahrhunderte entwickelt hat – und was das jeweils ausgelöst hat. Die Beispiele reichen von Voltaire und Goethe über Marx und Coubertin bis zu Wilhelm II und Pevsner. Hierbei verbindet Buruma – ohne seine eigene Anglophilie zu verstecken – auf intelligente, sehr lesbare und anregende Art und Weise Historie mit Biographie, Anekdote mit großen Entwicklungslinien, Amüsantes mit Ernsthaftem. Nach dem Lesen war mir vieles klarer.
Wer nicht spontan weiß, was es mit Voltaires Kokosnüssen und mit Churchills Zigarre auf sich hat oder warum Pevsner neben einer sehr alten Kirche in Clyffe Pypard begraben ist, sollte das Buch lesen. Auch als Weihnachtsgeschenk bestimmt ein Treffer.
Gelesen habe ich die englische Ausgabe von 1999. In deutscher Sprache ist es 2002 unter dem Titel „Anglomania: Europas englischer Traum“ erschienen.

The Birth of the West: Rome, Germany, France, and the Creation of Europe in the Tenth Century. Paul Collins

imageEin faszinierendes und inhaltsschweres Buch, in dem – durchaus nachvollziehbar – argumentiert wird, dass das Europa, welches wir heute kennen, ganz wesentlich im 10. Jahrhundert gegründet und geprägt wurde. Neben allem historischen, sozialgeschichtlichen, kulturellen Tiefgang bietet Collins auch immer wieder anregende und überraschende Anekdoten, so zum Beispiel über einen katholischen Heiligen:
“ Another extraordinary story  concerns the relics of Saint Guinefort (…). Though a saint, Guinefort was not a person but a heroic pet greyhound! One day when his owner was absent, a large serpent approached the cradle of the owner’s child. Guinefort attacked and killed the snake but was badly hurt himself. (…) When the parents returned, they found both cradle and dog covered in blood. Assuming Guinefort had attacked the baby, they killed him but later found the baby safe and the snake torn to pieces. Local peasant women began to ‚visit the place and honor the dog as a martyr in quest of help for their sicknesses and other needs,‘ particularly for the greyhound to cure sick babies.“
Und das Buch ist eine beeindruckende Quelle aus der Mode gekommener Vornamen wie Hatheberg, Herimann, Heriger, Hildebert, um nur das H herauszugreifen.
Gelesen habe ich die Ausgabe von 2013.

Murderous Contagion: A Human History of Disease. Mary Dobson

imageDieses Buch bietet einen ausgezeichneten Überblick über die Geschichte wesentlicher Seuchen und Krankheiten der Menschheit von Pest und Cholera über Ebola und HIV/AIDS bis hin zu Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Mary Dobson schreibt ein sehr verständliches Englisch und vermeidet schwer verständliches medizinisches Fachvokabular. Dort, wo Fachtermini nicht zu vermeiden sind, hilft wieder das klar geschriebene Glossar.
Obendrein sehr fachkundig (soweit ich das beurteilen kann….), sehr engagiert und sehr anschaulich auch mit Zitaten und einschlägigen Anekdoten zu den einzelnen Krankheiten.
Ein Beispiel zu den Zitaten und Anekdoten, unter Tuberkulose:
In 1908 a health inspector in Massachusetts was shocked to find that spitting on the floor was common in most tailors‘ shops. The shop owners, however, merely responded with: ‚of course they spit on the floor; where do you expect them to spit, in their pockets?‘ (…) Linoleum (…) became popular as a cover for wooden floors to protect people from TB. It was believed that the germs hid in the cracks between the planks (…).
Gelesen habe ich die frisch aktualisierte, noch keimfreie Ausgabe (Ebola!) von 2015.

 

John Betjeman’s Collected Poems. Hrsg. von Lord Birkenhead

John Betjeman gilt als der populärste Dichter Englands des 20. Jahrhunderts. Er gehört zu den Dichtern, derer in der Poets‘ Corner in Westminster Abbey gedacht wird (neben Shakespeare, Keats, T.S. Eliot, ….). Anzahl Bücher Betjemans in deutscher Übersetzung? Null.
„Formal konservativ und oft komisch, zeigten Betjemans Gedichte keinerlei Anklänge an die literarische Avantgarde und waren dadurch für ein breites Publikum leicht lesbar. Mit ihren oft exzentrischen Figuren und der im Alltag des zeitgenössischen Englands angesiedelten Handlung trafen die Gedichte außerdem den Nerv der Zeit und waren kommerziell sehr erfolgreich.“ – so der Eintrag in Wikipedia. Dem ist hinzuzufügen: Auch wenn seine Gedichte oft arglos daherkommen, haben sie erstaunlich viel Tiefgang.
Und er liebte anscheinend die Herausforderung, britische Ortsnamen in seinen Gedichten reimend unterzubringen:
Kirkby with Mucky-cum-Sparrowby-cum Spinx
Is down a long lane in the County of Lincs,
And often on Wednesdays, well-harnessed and spruce,
I would drive into Wiss over Winderby Sluice.

Gelesen habe ich seine Collected Poems in der dritten Ausgabe von 1970, in der leider sein besonders gelungenes Gedicht über den Ort Diss fehlt.

Dictionary of Foreign Phrases and Classical Quotations. Hrsg. von Hugh Percy Jones

imageLetztlich ein völlig unverzichtbares Buch: Mehr als 14.000 Redensarten, Zitate, Mottos etc. etc.  aus den Werken bedeutender Autoren in lateinischer, französischer, italienischer, griechischer, deutscher, spanischer und portugiesischer Sprache. Von A wie Ab alio expectes quod alteri feceris (erwarte von anderen dieselbe Behandlung, die du ihnen zufügst), über I wie Il faut laver son linge sale en famille (man sollte seine schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit waschen) und P wie Per troppo dibatter, la veritá si perde (durch zu viel Diskussion geht die Wahrheit verloren) bis zu Z wie Zapatero, a tu zapato (Schuster, bleib bei deinem Schuh).
Natürlich in der Ausgabe von 1910….

Das schmutzige Geschäft mit der Antike: Der globale Handel mit illegalen Kulturgütern. Günther Wessel

imageDer illegale Handel mit antiken Artefakten boomt. Alle – von den Raubgräbern oder Fälschern bis hin zu den Kunstsammlern – profitieren. Diejenigen, die dagegen angehen – Gesetzgeber, Polizei- und Zollbehörden und andere – sind zu wenige und haben nicht die geeigneten Mittel, da Schlupflöcher zu groß sind, selbst wenn man erwischt wird. Bedrückend die Aussage, es gäbe eigentlich keine antiken Kunstwerke, die nicht illegal am Markt wären.
Ein aktuelles Buch, da auch Terrornetzwerke wie IS sich über den illegalen Kunsthandel finanzieren. Der Autor hat sehr umfassend recherchiert und argumentiert sehr faktenreich. Schade allerdings, dass das Buch zu sehr im journalistischen „Das ist ein Skandal“-Modus geschrieben ist und dadurch ohne Not für mich an Überzeugungskraft einbüßt. Dennoch eine lohnende Lektüre.
Neuerscheinung des Jahres 2015.

Down Among the Dead Men. Peter Lovesey

imageUnter den aktuellen englischen Kriminalschriftstellern nimmt Peter Lovesey eine Sonderstellung ein, da er zwischenzeitlich so viele Auszeichnungen erhalten hat, dass er mittlerweile nur noch als „multi-award-winning author“ bezeichnet wird, um die Aufzählung nicht zu lang werden zu lassen. Früher schrieb Lovesey historische Krimis, die in viktorianischer Zeit (Sergeant Cribb als Detektiv) oder später spielen (mit dem englischen Thronfolger Edward, genannt Bertie, als Detektiv).
Sein Detektiv fürs Zeitgenössische ist Peter Diamond, der auch in Down Among the Dead Men die Aufklärung vorantreibt.
Spannend und flüssig geschrieben, sorgfältig konstruierter Plot, neben Crime auch etwas Sex, wenig Brutalität, nachvollziehbare, wenn auch nicht allzu subtil gezeichnete Charaktere, gut lesbare Sprache auch im englischen Original. Diese Beschreibung trifft auch auf seinen neuesten Krimi zu, der gerade kürzlich in England erschienen ist.
Zwischenzeitlich sind einige von Loveseys früheren Krimis auch ins Deutsche übersetzt. Mehr davon wäre schön.

Bloody Foreigners: The Story of Immigration to Britain. Robert Winder

imageOffensichtlich ein Buch, das gut für die heutige Zeit passt, auch wenn es bereits im Jahr 2004 erschienen ist. Darüber hinaus ein wohltuendes und empfehlenswertes Buch: Winder behandelt Immigration nicht als „Problem“; er versucht konsequent, weder eine xenophobe noch eine xenophile Haltung einzunehmen; er berichtet und erzählt sine ira et studio. Und all dies in bester britischer liberaler Tradition.
Neben den immer wieder hochinteressanten Details, die sich in der Jahrtausende-alten Geschichte der Immigration nach Britannien finden, zeigt Winder vor allem in den ausgezeichneten Acknowledgements und der Einleitung auch große Linien und findet einsichtsvolle Perspektiven:

  • Es gibt keine englische oder britische Kultur ohne Immigration. Das, was wird heute als englische Kultur wahrnehmen, ist durch dauernde Immigration entstanden. Winder zitiert in diesem Zusammenhang ein Gedicht von Daniel Defoe von 1700:
    A true born Englishman’s a Contradiction
    In Speech an Irony, in Fact a Fiction.
  • Identität und Identifizierung ist erstaunlich flexibel: A man or a woman can cheer for England at the World Cup, Britain at the Olympics, Europe at the Ryder Cup, Scotland against Wales, Sussex in the Country Championship, and the West Indies in Test matches. Our loyalties can be fluid and overlapping.
  • Die Perspektive auf Immigranten kann sich deutlich verändern, wenn man sie um 180° dreht und dieselben Personen als Emigranten betrachtet: There is a built-in tendency to to present immigrants as passive or problematic second-tier characters, as guests or mere visitors with certain obligations of deference and gratitude towards their ‚host‘. Emigrants are much more dashing – adventurous, eager, intrepid, fun. (…) Migrants ceased to be the feeble, dependent figures of so much cartoon myth-making, and became plucky explorers on the sharp, often painful edge of social progress.
  • Immigration an sich ist nicht „gut“ oder „schlecht“. Es kommt darauf an. Vor allem kommt es darauf an, was man daraus macht: I now find it pointless even to brood on whether it can be described as a ‚good‘ or a ‚bad‘ thing. It is like wondering whether it is good or bad to grow old. Nor can immigration be conceived of as a single experience. For the man who meets the woman of his dreams, or makes his fortune, it is a happy process; for the boy knifed at a bus stop by a gang of violent bigots, it is a catastrophe.

Nero Wolfe im Werbe-Milieu: Before Midnight. Rex Stout

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Nach längerer Zeit habe ich wieder einen Nero Wolfe-Krimi von Rex Stout gelesen. Er ist unter dem Titel „Vor Mitternacht“ auch in Deutsch erschienen. Allerdings bekommt man ihn – wie auch (fast?) alle anderen seiner Bücher – nur noch antiquarisch. Erstaunlich, dass ein echter Klassiker der Krimi-Autoren hierzulande so vernachlässigt ist. Und dabei sind die Nero Wolfe-Romane literarisch durchaus anspruchsvoll geschrieben, witzig und spannend, mit interessanten und gut konstruierten Plots. Fehlt Blut und Brutalität, um aktuell verlegt zu werden? Before Midnight spielt in der Welt von Kosmetik- und Werbeunternehmen, wo der eine oder andere Machtkampf tobt, persönliche Eitelkeiten gepflegt werden und auch gehörig Dreck an den Stecken klebt. Die zwei Morde, zu denen dies führt, löst Nero Wolfe mit Intelligenz, aber vor allem, weil ihn die Ereignisse überholen und kaum noch eine andere Lösung bleibt.

An Essay on Criticism. Alexander Pope

Heutzutage wohl ein deutlich unterbewerteter Dichter. Auch relevant, wenn man einen Blog neu beginnt, zum Beispiel in seinem 1709 erschienenen Essay on Criticism:
 ‚Tis hard to say if greater want of skill
Appear in writing or in judging ill;
But of the two less dangerous is th‘ offence
To tire our patience than mislead our sense:
Some few in that, but numbers err in this,
Ten censure wrong, for one that writes amiss.