Behind the Mask – The Life of Vita Sackville-West. Matthew Dennison

Berühmt durch Sissinghurst, ihren Garten. In den es heute Tausende Besucher zieht, so dass an manchen Tagen nur zeitlich begrenzte Tickets ausgegeben werden können. Als Schriftstellerin in Deutschland wenig bekannt, wenn überhaupt, weil sie das Vorbild der Hauptfigur in Virginia Woolfs „Orlando“ ist.

Sackville-West stammte aus dem britischen Adel. Und hatte ein Problem: den Herrensitz der Familie, den sie innig liebte, den sie als einen lebendigen Organismus sah, der ihr Identität gab, diesen Herrensitz konnte sie als Mädchen nicht erben.

Mann sein ist besser

Das Buch von Dennison zeichnet nach, wie Sackville-West zur Auffassung gelangte, dass Mann sein besser ist. Männer erben Herrenhäuser, sind stark und mächtig, stehen in der Tradition einer adeligen, kavalierhaften Welt. Zeit ihres Lebens hat Sackville-West mit maskulinen Rollen gespielt. Der Edelmann und der Dichter waren entscheidende Inpretationen ihres Selbst.

Die zwei Seiten

Das Mann-sein nicht immer eine hilfreiche Lösung ist, war Sackville-West früh klar. Ihre Ehe war glücklich, auch weil sie mit einem homosexuellen Mann verheiratet war. Sie selbst hatte viele Liebhaberinnen. Um das sich selbst zu erklären, erfand sie eine Argumentation, die sich aus englischen sowie aus spanischen Wurzeln ihrer Vorfahren speiste. Immer wieder waren ihre literarischen Werke auch Varianten des Zwei-Herzen-stecken-ach-in-meiner-Brust.

Die Schriftstellerin, also der Dichter plus die Frau

Und in ihren Romanen und Gedichten konnte sie ausloten, heute würden wir wohl sagen „probehandeln“, welche ihrer Gefühle ihr besonders wichtig waren und was diese auslösen konnten. So sind laut Dennison die Charaktere ihrer Bücher immer auch in Teilen Selbstdarstellungen der Autorin. Auch heute noch lassen sich sehr gut ihre Romane „The Edwardians“ und das wunderbare Buch über das Alter „All Passion Spent“ lesen. Und natürlich „Orlando“.

Mit Sissinghurst jedoch hatte sie sich ein Mini-Knole geschaffen – natürlich stammen Ruinen von Sissinghurst aus der Tudor-Zeit und selbstverständlich war ein Sackville zu Besuch – und einen Kindheitstraum verwirklicht: Sie als Poet in einem Turm. Hoch über der Welt.

Die Biografie von Dennison packt zwischen zwei Buchdeckel die Masken, die Porträts, die Gesichter Vita Sackville-Wests: auf der Vorderseite ihr Porträt „Lady with a red hat“ von William Strang, und die Rückseite zeigt eine Fotografie der vom Leben gezeichnete Frau.

Dandy Gilver & The Reek of Red Herrings. Catriona McPherson

Dandy Gilver hat es dieses Mal besonders schwer. Dieser englische Krimi geht ganz ins Gruselige, ja Makabre. Dazu trägt der Ort der Handlung bei: Windumtoste, graue, kalte schottische Küste. Die Handlung allerdings noch mehr: Es gibt zwei Herren, die auf das Ausstopfen von Tieren spezialisiert sind. Es gibt abergläubische Traditionen, die den Schrecken Ertrunkener von den Lebenden fernhalten sollen – aber niemand scheint sich zu fürchten, obwohl angeblich ein Mann ertrunken ist.

Außerdem beginnt die Detektivgeschichte mit einem Hering-Fass, in welchem menschliche Überreste entdeckt worden sind.

Leseprobe: „Five strangers. Five strangers in this tiny town, with no tea-room, no public house, no reason for strangers to be there at all. And only that one, the young chap who called himself an artist´s model, with the slightest hint of a purpose in coming.“

Dandy Gilver und ihr Partner Alec Osborne lösen in diesem spannenden Krimi einen ganz besonders harten Fall. Der die beiden übrigens am Ende selbst zweifeln läßt, ob sie sich korrekt genug verhalten haben.

„The Reek of Red Herrings“ ist wieder einmal ein ganz ausgezeichneter Krimi von Catriona McPherson.

Zu unseren Krimi-Seiten geht es auf dieser Einstiegsseite und all unsere Leseempfehlungen zu Detektiv-Geschichten finden sich in der Rubrik Krimi.

Pigs have wings. P.G. Wodehouse

Heute ein Beitrag für ein leichteres, letztlich ideales Buch für sonniges Wetter im Mai und ein ruhiges Wochenende im Liegestuhl im Garten mit einem Glas Pimm’s und frischen Erdbeeren.

P.G. Wodehouse ist ein echter Klassiker der englischen Literatur des 20. Jahrhunderts: Kaum ein Engländer, der liest, hat nicht wenigsten einen seiner Romane gelesen. Der englische Guardian listet eines seiner Bücher unter den 100 besten englischen Romanen auf. Seine Bücher werden regelmäßig neu aufgelegt, als Hörbuch vertont und verfilmt. Die Wodehouse-Website zeugt von echten Fans.

Für einen Autoren der humoristischen Literatur, der eigentlich nie von seinem einen Erfolgsrezept abgewichen ist und daraus mehr als 90 Bücher gemacht hat, ein echter Erfolg. Und dass der Name Jeeves, so heißt ein Butler in vielen seiner Romane, zum Synonym für alle Butler geworden ist, zählt auch dazu.

Wodehouses Romane unterteilen sich in zwei wesentliche Zyklen: Jeeves und Bertie Wooster einerseits, andererseits Blandings Castle. Zu letzterem Zyklus gehört „Pigs have wings“, erschienen 1952 als achter Titel. Wie immer in den Blandings-Büchern geht es spezifisch um Schweine und Hochstapler. Wie immer in allen seinen Romane steht das Grundmuster, das der Manchester Guardian einmal beschrieb: „(…) Nothing is changed; there are still the resourceful butlers, the jokes like captions from silent film comedies, the elaborate mock-heroics, the astute quotation-mongering, the suspense mechanisms so frankly displayed onstage, the love affair to be promoted, the piece of skulduggery to be foiled. Nothing needs to change.“

Obwohl Wodehouses Romane in deutlich gehobeneren gesellschaftlichen Sphären spielen, haben sie etwas außerordentlich Egalitäres: Butler sind letztlich auf Augenhöhe mit Earls, Tanten dominieren alle männlichen Mitglieder der Familie, Barfrauen heiraten in den Adel….

Als Leseprobe eine Partie aus der Mitte des Romans:
„Sir Gregory stood staring, the smoked salmon frozen on its fork. It is always disconcerting when an unexpected guest arrives at dinner time, and particularly so when such a guest is a spectre from the dead past. The historic instance, of course, of this sort of thing is the occasion when the ghost of Banquo dropped in to take pot luck with Macbeth. It gave Macbeth a start, and it was plain from Sir Gregory’s demeanour that he also had had one. ‚What? What? What? What? What?‘ he gasped, for he was a confirmed what-whatter in times of emotion.“

Gelesen habe ich eine englischsprachige Penguin-Ausgabe von 1961. Es gibt antiquarisch eine deutschsprachige Ausgabe unter dem nicht unpassenden Titel „Schwein oder Nichtschwein“ und neu sogar das relevante Hörbuch.

 

The Solitary Summer. Elizabeth von Arnim

So kalt und nass und biestig war das Wetter in den letzten Wochen, dass ich durch geschickte Auswahl meines Lesestoffes auf wärmere und positivere Gedanken kommen wollte. Und um auf Nummer Sicher zu gehen, habe ich ein „Buch für trübe Tage“ wieder vorgenommen, dass ich schon zweimal gelesen habe. Da konnte dann nichts schief gehen.

The Solitary Summer – in deutscher Übersetzung wahlweise „Ein Sommer im Garten“, „Sommer ohne Gäste“ oder „Einsamer Sommer“ – ist der zweite, 1899 erschienene Roman von Elizabeth von Arnim, die Mary Ann Beauchamp hieß, bevor sie Henning August von Arnim-Schlagenthin heiratete und anonym ihren ersten Roman mit dem Titel „Elizabeth and Her German Garden“ veröffentlichte. Beides, das „von Arnim“ und „Elizabeth“, blieben haften.

Elizabeth von Arnim ist ein Phänomen: Sie schreibt Unterhaltungsliteratur mit viel Tiefe und nachdenkliche Bücher wie Unterhaltungsliteratur; sie schreibt heitere Bücher mit viel Traurigkeit und umgekehrt traurige Bücher mit viel Heiterkeit. Passend zu ihrem Leben, in dem sehr vieles nicht glatt lief und für das das Motto „Trotzdem“ gut gepasst hätte. Dies, kombiniert mit einem Schreibstil wie ein gelungenes Soufflé, macht ihre Bücher zu einem echten Gewinn.

Das Motto des Romans nimmt von Arnim von Montaigne: „Nature nous a estrenez d‘ une large faculté à nous entretenir à part; et nous y appelle souvent, pour nous apprendre que nous nous debvons en partie à la societé, mais en la meilleure partie à nous.“

Etwas zu Rosamunde Pilcherig oder Hedwig Courths-Mahlerisch der deutsche Klappentext, jedoch auch nicht komplett unangemessen: „Fernab von Störenfrieden und Eindringlingen, ohne Ehemann und Kinder, ohne Gäste und Verpflichtungen, jeden Tag nur für sich die Schönheiten des Gartens und die Wunder der Natur genießen – und dabei die üppige, feuchte Erde umgraben, Rabatten anlegen, Blumen pflanzen, gießen, rechen, jäten und mähen. Wie herrlich erscheint Elizabeth diese Vorstellung! Doch Hindernisse sind selbstredend vorprogrammiert: Nicht nur steht ihr der hauseigene Gärtner im Weg – für die gnädige Dame schickt es sich nun einmal gar nicht, den Garten selbst zu bestellen –, bald schon ist es auch mit der ersehnten Ruhe dahin, die sie wenn schon untätig, dann möglichst ungestört genießen wollte …“

Als Leseprobe das Programm für den Sommer vom Anfang des Buchs:
„Last night after dinner, when we were in the garden, I said, ‚I want to be alone for a whole summer, and get to the very dregs of life. I want to be as idle as I can, so that my soul may have time to grow. Nobody shall be invited to stay with me, and if any one calls they will be told that I am out, or away, or sick. I shall spend the months in the garden, and on the plain, and in the forests.'“

Gelesen habe ich die sehr schön illustrierte englisch-sprachige Ausgabe von Macmillan aus dem Jahr 1929. Wie geschrieben, deutsche Übersetzungen gibt es auch – aber dennoch lieber in Englisch. Schul-Englisch reicht! Gut für alle trüberen Tage – hinterher geht es einem garantiert besser!

Auch empfehlenswert die Biographie von Karen Usborne.

Old Filth. Jane Gardam

Ein erfreuliches Buch: intelligent, gut geschrieben, präzise, lebensklug, wort-sparsam, leise-humorvoll.  Seit längerer Zeit das erste Mal, dass ich die positiven Zitate aus Rezensionen in englischen Zeitungen, die im Buch mit abgedruckt sind, nicht nur Marketing-Sprech, sondern passend und zutreffend finde. Inhalt: Die Lebensrückschau eines alt gewordenen Richters von seiner Geburt bis zu seinem Lebensende; von Malaysia über Wales und England nach Hongkong und Singapur, zurück nach England und wieder nach Singapur. Auch eine Liebesgeschichte, vielleicht ein wenig auch ein Krimi, jedenfalls ein Buch über das Leben und was es mit einem macht.

Es ist gar nicht so einfach, eine gute Leseprobe zu finden. Alle zu kurz und zu wenig typisch.
„Amazed, as she never ceased to be, about how such a multitude of ideas and images exist alongside one another and how the brain can cope with them, layered like filo pastry in the mind, invisible as data behind the screen, Betty was again in Orange Tree Road, standing with (…) old friends in the warm rain, and all around the leaves falling like painted raindrops. (…) The sense of being part of elastic life, unhurried, timeless, controlled. And in love. (…) Betty’s eyes filled with tears, misting her glasses. Time gone. (…) Trowel in hand, a bit tottery, she turned to look up the garden at Filth.“

Old Filth ist wieder eine Neuerscheinung, die es schon länger gibt. Erschienen in England im Jahr 2004 gibt es das Buch seit August 2015 unter dem piefigen Titel „Ein untadeliger Mann“ auch in deutsch. Aufmerksam geworden bin ich auf das Buch durch eine Rezension in der „Zeit„, in der auch erklärt wird, dass Filth für „failed in London, try Hongkong“ steht. Und dass es sich um den ersten Band einer Trilogie handelt. Und dass man auf die nächsten Bände noch warten müsse. Dem sei hinzugefügt: In englischer Sprache zum Glück nicht.