Bertrams Hotel. Agatha Christie

Unter den über 60 Krimis von Agatha Christie – Kurzgeschichten nicht mitgezählt – gehört dieser meiner Meinung nach schon in das obere Drittel.

Bertrams Hotel erschien 1965 und gehört in die Reihe der Krimis mit Miss Marple. Ein klassischer Miss Marple ist er aber dennoch nicht, denn sie hat eher eine Nebenrolle: Die Polizei bekommt selber etwas auf die Reihe und löst den Fall im Wesentlichen selbst.

Sehr gelungen ist die Darstellung von Bertrams Hotel, das so intensiv und anschaulich beschrieben ist, das es fast wie eine der handelnden Personen wirkt. Bertrams ist ein Hotel der deutlich gehobenen Klasse, „quietly expensive“, wie ein Relikt aus der edwardianischen Zeit, mit Afternoon Tea und viel ausgezeichnetem Personal.

Die Handlung ist spannend, allerdings ein wenig reißerisch und die Auflösung kommt ein wenig plötzlich daher. Andererseits sind zwei der Hauptpersonen, Bess, Lady Sedgwick, eine Abenteurerin reinsten Wassers, die gerne gefährlich lebt, und ihre Tochter Elvira Blake, die als Apfel auch nicht weit vom Stamm fiel, wirklich ausgezeichnet ausgedacht.

Die Rezensionen nach dem Erscheinen waren nicht euphorisch. Der Observer schrieb: „A.C. is seldom at her best when she goes thrillerish on you. This one is a bit wild and far-fetched, but it’s got plenty of that phenomenal zest and makes a reasonably snug read.“

Snug read, indeed.
Besonders auf Italienisch, wenn die Übersetzung so gelungen ist wie die Maria Mammana Gislon bei Mondadori. Da profitiert der Wortschatz gleich mit. Die Formulierung „una persona acqua e sapone“ beispielsweise kannte ich vorher noch nicht.
Als Eindruck eine Passage zu den Sesseln im Bertrams:
„Le poltrone, sollevate sufficientemente da terra, permettevano alle signore artritiche di alzarsi in piedi senza doversi divincolare in modo tutt‘ altro che dignitoso. I sedili di queste poltrone, al contrario di tante altre moderne e costosissime, non si fermavano a mezza strada tra la coscia e il ginocchio, infliggendo così indicibili torture a chi soffre di artrite o di sciatica, e inoltre la loro forma era assai varia: ce n’erano di larghe e di strette, alcune con schienali diritti e altre con schienali inclinati, in modo da poter accogliere sia i magri che gli obesi. Persone di qualsiasi dimensione erano certe di trovare una comoda poltrona al Bertram Hotel.“

In jeder Hinsicht zu empfehlen ist auch die Verfilmung mit Joan Hickson als Miss Marple, die wir schon auf unserer Krimiseite lobend erwähnt haben (nicht jedoch die neueren Verfilmungen).

 

Murder on a Midsummer Night – A Phryne Fisher Mystery. Kerry Greenwood

Jung, reich, sexy und dann auch noch Detektivin. Das ist Phryne Fisher. Von ihrem Vater versehentlich statt nach einer Muse nach einer Hetäre benannt.

Das Versehens des Vaters hatte im Nachhinein seine Berechtigung, beschreibt eine Nebenfigur doch Phryne Fisher als eine Nymphomanin mit außergewöhnlicher Toleranz bei der Wahl ihrer Partner. Allerdings ist Pikanterie nicht alleiniges Merkmal der Fisher-Krimis. Es ist eher die Funktion eines Epos Australiens in Krimi-Form. Alle wesentlichen Themen der 1920er Jahre kommen vor in historisch korrekt recherchierter Weise: Tennis, Autorennen, Kleinflugzeuge, illegale Abtreibungen, Zirkus, Boxen, Varieté, Haute Couture, Frauenzeitschriften, Folgen des 1. Weltkriegs, Stummfilm ….

Trotz oder eher parallel zu diesen Themen bringt Greenwood die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen und -schichten in ihren Detektivgeschichten zusammen: Einwanderer aus China, Italien und Russland, jüdische Gemeinden, Aborigines, adelige Briten, schwarze Amerikaner, Lords, Küchenmädchen, Taxifahrer, Ladenbesitzer, Nonnen und und und.

Es entsteht das Bild vom Schmelztiegel Australien. Australien als Land, das vielen unterschiedlichen Menschen zur Heimat wurde und diese Vielfalt als Reichtum erlebt. Berühungsängste oder Standesdünkel hat Phryne Fisher nie. Ihre Erschafferin zeichnet sie als eine wahrhaft demokratische Figur.

Seit der außerordentlich erfolgreichen Verfilmung der Phryne Fisher-Romane sind auch die Unterschiede zwischen Büchern und Filmepisoden interessant. Die Phryne Fisher der Filme ist sexuell zurückhaltender, der wichigste Polizist, Detective Inspector Jack Robinson, wird aufgewertet zu einer passablen zweiten Hauptfigur, so dass eine Liebesgeschichte möglich ist. Die Bücher sind narrativ vielschichtiger und beleuchten oft in großer Detailtiefe Aspekte der historischen Entwicklung Australiens.

Nur als Beispiel möchte ich aus der Cover-Beschreibung von „Murder on a Midsummer Night“ zitieren: „Melbourne, 1929. The year starts off for glamorous private investigator Phryne Fisher with a rather trying heat wave and more mysteries than you could prod a parasol at. (…) „I must say Jack, I have been in some awful company before – I have dined with torturers and Apaches and strict Plymouth Brethren and politicians – but I never met such vile company as those people. Each in his or her own way, they were frightful.““

Beide, Filme und Bücher, sind ein Vergnügen.

Hier gibt es weitere Anregungen zu den besten unbekannten Krimis.

Holy Disorders. Edmund Crispin

Spannung plus absurde Plots, intelligente Dialoge plus Action: das sind die Zutaten für ungewöhnlich gute Krimi-Unterhaltung. Oder: Diese ist die natürliche Konsequenz, wenn man einen Oxford-Don, Kirchenmusik, ein Schmetterlingsnetz und Schwarze Magie zusammenmischt.

Worum geht es? In einer historischen Kleinstadt werden Morde in der Kathedrale verübt. Professor Gervase Fen studiert vor Ort das Verhalten der Motten und bittet seinen Freund Geoffrey Vintner darum, die Gottesdienste in der Kathedrale auf der Orgel zu begleiten. Beide werden in einen wirren Plot verwickelt, in dem Spione und Drogen, Geistliche und Hexen ihre Rollen spielen…und auch noch ein Psychoanalytiker, der den Glauben an seinen Beruf verloren hat…

„He (Geoffrey Vintner) felt as unhappy as any man without pretension to the spirit of adventure might feel who has received a threatening letter accompanied by sufficient evidence to suggest that the threats contained in it will probably be carried out. (…) He groped in his coat pocket, pulled out a large, ancient revolver, and looked at it with that mixture of alarm and affection which dog-lovers bestow on a particularly ferocious animal.“

Crispin hat jedenfall eine Leidenschaft für viele, lange, mehrsilbige und oft ein wenig daneben liegende Adverben. Die Lektüre würde sich deshalb auch dann lohnen, wenn ihr gewünschtes Ziel nur die Verbesserung des eigenen englischen Wortschatzes wäre.

 

Und das sagt Crispin über sich selbst: „Edmund Crispin was born in 1921 of Scots-Irish parentage. (…) He has been a pianist, organist and conductor since the age of fourteen and was for two years an assistant master at a public school. He travelled a certain amount before the war, particularly in Germany, where he totally failed to prognosticate the subsequent course of events. Edmund Crispin’s real name is Bruce Montgomery, and he is a composer as well as a writer. His recreations are swimming, excessive smoking, Shakespeare, the operas of Wagner and Strauss, idleness, and cats. His antipathies are dogs, the French Film, the Renaissance of the British Film, psychoanalysis, the psychological-realistic crime story, and the contemporary theatre.“

Da weiß man doch, worauf man sich einläßt, oder?

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Mehr zu Edmund Crispin bei unseren Empfehlungen der besten unbekannten Krimis.
Hier gibt es weitere Krimis, die wir besprochen haben.
Lese-Empfehlungen zu Detektivgeschichten finden sich unter beste Bücher: Krimis.

The Seven Dials Mystery. Agatha Christie

In dieser Detektivgeschichte ist einiges los: Sieben Uhren ticken im Schlafzimmer eines jungen Mannes, der sich selbst getötet hat.

Sein Freund kann später sterbend nur noch „seven dials“ flüstern und so Jimmy Thesiger und Lady Eileen Brent auf die Spur eines zweifelhaften Nachtcubs in Soho führen… Außerdem kommen sieben Maskierte vor, die in einem versteckten Hinterzimmer planen, wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu stehlen und den nächsten Mord zu begehen… oder ist alles doch ganz anders?

Ein äußerst interessanter Aspekt der Krimis von Christie aus den Goldenen Zwanziger besteht darin, dass sie die Möglichkeiten, Persönlichkeiten und Entwicklungen junger Frauen durchspielt. Hierbei gibt sie ihren Protagonistinnen verschiedene gesellschaftliche und soziale Positionen, die die Atmosphäre der 1920er Jahre gekonnt einfangen:

  • In „The Seven Dials Mystery“ (1929) ist die Hauptfigur die Tochter eines Lords: „Bundle’s temperament was certainly not inherited from her father, whose prevailing characteristic was a wholly amiable inertia. As Bill Eversleigh had very justly remarked, the grass never did grow under Bundle’s feet.“ Nach vielen Abenteuern, in denen sie großen Mut beweist, heiratet sie einen adligen jungen Mann.
  • „The Secret of Chimneys“ (1925) hat als weibliche Protagonistin eine Adlige, die schließlich Königin eines Balkan-Staats wird: „Virginia Revel was just twenty-seven. She was tall and of an exquisite slimness – indeed, a poem might have been written to her slimness.“
  • Im wunderbaren Krimi „The Man in the Brown Suit“ (1924), der viel von einer James-Bond-Story hat, spielt Anne Beddingfeld die Hauptrolle. Sie ist die verarmte Tochter eines Professors, die sich brennend nach Abenteuern sehnt: „I’d always longed for adventures. You see, my life had such a dreadful sameness. My father, Professor Beddingfeld, was one of England’s greatest living authorities on Primitive Man. (…) Papa did not care for modern man – even Neolithic Man he despised as a mere herder of cattle, and he did not rise to enthusiasm until he reached the Mausterian period. (…)  it fell to me to undertake the practical side of living. I hate Palaeolithic Man and I always reflected what a fortunate circumstance it was that they became extinct in remote Ages .“ Trotz der Heirat mit einem vermögenden Mann, wählt sie ein Leben außerhalb gesellschaftlicher Konventionen auf einer einsamen Insel in Afrika.
  • Eine einfache Frau aus dem Mittelstand, die viele Jahre eine alte Dame gepflegt hatte, kommt in „The Mystery of the Blue Train“ (1928) zu Geld und beginnt das Leben zu genießen. Obwohl sie über 30 Jahre alt ist, wird sie in spannende Abenteuer verwickelt: „Autumn, yes, it was autumn for her. She who had never known spring or summer, and would never know them now. Something she had lost never could be given to her again. These years of servitude in St. Mary Mead – and all the while life passing by.“

Immer wieder verblüffend ist der präzise Blick, den Christie auf ihre Zeitgenossen und deren Aktivitäten wirft. Sie fängt hierbei die Essenz einer Zeit ebenso ein, wie viele Details in Wortwahl, Gesprächsthemen und typischen Settings. Auch heute sind ihre Detektivgeschichten aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts deshalb eine spannende, vergnügliche und informative Lektüre.

Hier geht es zu den besonderen Krimi-Tipps von Markus und Louisa.

Und hier finden sich andere Krimis, die wir besprochen haben.

Die Cambridge-Morde. Dilwyn Rees

„Prehistoric and early Wales“, „The prehistoric chamber tombs of England and Wales“, „The Greeks until Alexander“ und dann das: „The Cambridge murders“ – „Die Cambridge-Morde“, der Erstlingskrimi von Glyn Daniel, unter dem Pseudonym Dilwyn Rees veröffentlicht, erschienen 1945.

Glyn Daniel steht in der langen Reihe von Universitätsdozenten aus Cambridge und Oxford (Tolkien, um nur einen zu nennen!), die sich auch leichterer Literatur zugewendet haben. Er selbst war als Fellow des renommierten St. John’s College – 10 Nobelpreise, das bekommen manche Länder nicht zusammen! – an der Universität Cambridge als Disney Professor of Archaeology tätig und saß damit auf einem der gewichtigsten archäologischen Lehrstühle überhaupt. Seine Hobbies hat er beschrieben als „field archaeology, travel , and wine-tasting (all three mainly in France), golf and squash (both of which I do badly), music – and detective fiction.“ Das Bild zeigt ihn obenauf in situ bei seinem ersten Hobby.

Detective fiction kann er gut, auch wenn er nicht mehr sehr bekannt hierfür ist (und auch damals nicht sehr bekannt war).

Für „The Cambridge murders“ ist es wichtig, dass Daniel am St. John’s College war. Denn nicht nur widmet er den Krimi „To the Master and Fellows – and more particularly the Dean – of my own College, the College of St John the Evangelist“, die Handlung spielt auch recht offensichtlich in diesem College. Die Camouflage eines Fisher College (Thomas Fisher war einer der Gründer von  St. John’s), das zwischen Trinity und St John’s College liegen soll, ist schnell durchschaut, spätestens beim Blick auf den dem Krimi vorgeschalteten Lageplan des angeblich Fisher College.

Der Krimi hat Daniel wohl beim Schreiben bereits viel Vergnügen gemacht und macht auch beim Lesen Spaß, wie sich bereits am ersten Satz ahnen lässt:
„To those who were educated in the older and more beautiful of the two ancient Universities there is no need to explain that Fisher College lies between Trinity and St John’s (…).“
Er ist dynamisch und spannend geschrieben und mit genügend Lokalkolorit ausgestattet. Der Plot ist ganz schön verwickelt mit vielen Verdächtigen und noch mehr Spuren, die allesamt anscheinend ins Nichts (und auch nach Frankreich) führen. Held der Geschichte: der Archäologieprofessor von St. John’s (Ähnlichkeiten mit dem Autoren sind wahrscheinlich rein zufälliger Natur, denn „Every character in this book is entirely fictitious and no reference whatever is intended to any living person.“)

Erstaunlich, aber nicht ungerechtfertigt: Sein zweiter Krimi, „Welcome death“, wurde sogar ins Deutsche übersetzt. Und zumindest in Englisch sind beide – sogar als Hörbuch! – immer noch passabel zu bekommen.

By the Pricking of My Thumbs. Agatha Christie

„By the Pricking of My Thumbs“ von Agatha Christie ist ein guter Sommer-Krimi: Es geht um ein Haus an einem Kanal, das ein Künstler in einem Bild festgehalten hat. Das Bild wird erst verschenkt, dann vererbt und löst dadurch eine ganze Reihe von gefährlichen Geschehnissen aus.

Doch das schöne Haus ist nur ein Aspekt der Geschichte. Einen wichtigen Hinweis gibt der Titel: Dieser ist ein wörtliches Zitat aus Shakespeares „Macbeth“. Dort sprechen die drei Hexen ihren Zauberspruch, der Macbeth ins Verderben führen wird, während sie in einem Kessel rühren:

„Second Witch:
‚By the pricking of my thumbs,
Something wicked this way comes:
Open, locks,
Whoever knocks!‘

Enter Macbeth.“

Es geht um aktuelle Verbrechen in einem Altenheim und um Morde an Kindern, die weit in der Vergangenheit liegen.

Leseprobe: „At the moment there was only one occupant in the room. An old lady with white hair combed back of her face who was sitting in a chair, holding a glass of milk in her hand, and looking at it. (…) ‚Yes. I wondered -‚ she leaned forward and lowered her voice. ‚Excuse me, was it your poor child?'“

Geschrieben hat Agatha Christie diesem Krimi 1968  in dem entspannten, oft heiter-witzigen Stil – hin und wieder von kleinen Grusel-Momenten durchsetzt -, der für die Hauptfiguren Tommy und Tuppence vorbehalten ist. Der Krimi trägt in der deutschen Übersetzung den albernen Titel „Lauter reizende alte Damen“, wodurch die düsteren Aspekte gründlich verschleiert werden. Mehr zur Handlung hier.

Dieses Ehepaar löst im Lauf der Lebensgeschichte ihrer Autorin immer wieder Kriminalfälle. Einzigartig gelungen ist die Verknüpfung der Themenbereiche Ehepaare-werden-älter mit Leben und Sterben im Altersheim plus Mord und illegale Geschäfte.

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Tommy und Tuppence erscheinen zwischen 1922 und 1973 in vier Romanen Christies und 14 Kurzgeschichten. Der Zeitraum deckt beinahe ihre gesamte Lebensgeschichten ab: Die Leser erleben sie von ganz jungen Leuten, die sich lieben lernen und heiraten, bis hin zu einem sehr alten Ehepaar, das versucht, mit den Restriktionen des Alters gut zurechtzukommen.

Weitere Romane von Christie, in denen Tommy und Tuppence die ermittelnden Detektive sind:

  • The Secret Adversary, 1922
  • Partners in Crime, ab 1929 (Kurzgeschichten)
  • N or M?, 1941
  • Postern of Fate, 1973

Weitere Empfehlungen von Louisa und Markus zu Krimis von Agatha Christie finden sich hier auf der Unterseite zu „Beste Bücher zu…“

The glimpses of the moon. Edmund Crispin

„The glimpses of the moon“ ist Edmund Crispins letzter Krimi, geschrieben 1977, nach mehr als 25 Jahren Pause, ein Jahr vor seinem frühen Tod.  Crispin ist einer der unbekannteren (daher unten im Bild-Hintergrund…) Krimi-Autoren, die wir an anderer Stelle unseres Blogs bereits empfohlen haben.

Die Stärken Crispins sind in diesem letzten Roman alle noch zu spüren, die Kreativität, der Witz, das Vergnügen an Sprache, das leicht Durchgeknallte, auch die Fähigkeit zu ungewöhnlichen Plots. Leider merkt man, dass Crispin gesundheitlich wegen Alkoholproblemen sehr schwer angeschlagen war. So gerät der Krimi an etlichen Stellen etwas aus den Fugen; Beschreibungen werden zu lang und verlieren den Bezug zum Plot; Verfolgungsjagd folgt auf Verfolgungsjagd; die Charaktere werden nicht mehr recht dreidimensional; durch die zahllosen erzählerischen Mäander geht die Spannung verloren; Personen werden nicht mehr eingeführt und tauchen später nicht mehr auf; die Zitate zu Beginn eines jeden Kapitels passen nicht mehr und sind auch für sich allein nicht prägnant genug.
Entschädigt wird man durch die Schildkröte, die in keinem seiner anderen Romane vorkommt und den Krimi einzig macht, was sie – siehe Foto – zu wissen scheint….

Nicht zuletzt: Alleine schon für das gelegentliche Glitzern seines Sprachwitzes ist es gut, dass es diesen Krimi noch gibt.

„‚Yes, well now, as I was saying, Fen is a Professor, and from Oxford. He’s staying down here for part of his sabbatical, to write a book. It’s to be about the modern novel. The post-war novel, that is. The post-war British novel. (…)‘
‚Burgess, Anthony,‘ Fen instanced helpfully. ‚Amis, Kingsley. Lessing, Doris, Howard, E.J., Drabble, Margaret… Brooke-Rose, Christine.‘
‚Hysteron proteron,‘ said the Major.
‚I don’t know Hysteron’s work,‘ said Padmore. ‚But the others, of course, are all very – are all very -‚“

Gelesen habe ich eine amerikanische Ausgabe von 1978. Eine deutsche Übersetzung ist antiquarisch für kleines Geld (weniger als DM 1,95) zu bekommen.

 

 

 

 

Thunderball. Ian Fleming

Die Sommermonate sind ja auch die Zeit für leichtere Lektüre in der Hängematte. Und welch passenderen anderen Ort für Hängematten und eine Krimihandlung gibt es als die Bahamas? Und welcher Krimi kommt dann in Frage: Letztlich nur „Thunderball“ vom fliegentragenden Ex-Spion Ian Fleming mit James Bond als Hauptakteur.

Hauptsächlich hat mich allerdings die Frage umgetrieben, ob das intellektuelle Niveau der Romane mit dem der James Bond-Verfilmungen mithalten kann. Die gute (oder schlechte?) Nachricht: Der Roman übertrifft das Niveau sogar! Überzeugten Bond-Film-Fans ist also vom Lesen der Romane doch eher abzuraten.

Zugleich ist eine intellektuelle Überforderung aber tatsächlich nicht zu befürchten. Das geht schon daraus hervor, dass das Times Literary Suppplement rezensierte: „Good living, sex and violent action (…) ingenious plot and plenty of excitement.“

Beeindruckend die klare Fokussierung auf eine eher traditionelle männliche Zielgruppe, die durch das Rollenvorbild James Bond, attraktive junge Frauen, viele technische Details und passende Handlung bei Laune gehalten wird. Beruhigend, dass nicht ganz so viele Menschen ums Leben kommen wie im Film. Erfreulich,  dass der Plot anders als im Film nicht ganz so vorhersehbar linear auf den finalen Katastrophen-Showdown zuläuft. Schön, dass es das erwartete romantische Happy End (wenn auch mit leichtem ironischen Unterton?) gibt:
„The girl watched the dark, rather cruel face for a moment. Then she gave a small sigh, pulled the pillow to the edge of the bed so that it was just above him, laid her head down so that she could see him whenever she wanted to, and closed her eyes.“

„Thunderball“ ist der achte James Bond-Roman von Ian Fleming, erschienen 1961. Unter diesem Titel wurde er auch mit Sean Connery verfilmt und mit einem Oscar ausgezeichnet.
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Dandy Gilver & The Reek of Red Herrings. Catriona McPherson

Dandy Gilver hat es dieses Mal besonders schwer. Dieser englische Krimi geht ganz ins Gruselige, ja Makabre. Dazu trägt der Ort der Handlung bei: Windumtoste, graue, kalte schottische Küste. Die Handlung allerdings noch mehr: Es gibt zwei Herren, die auf das Ausstopfen von Tieren spezialisiert sind. Es gibt abergläubische Traditionen, die den Schrecken Ertrunkener von den Lebenden fernhalten sollen – aber niemand scheint sich zu fürchten, obwohl angeblich ein Mann ertrunken ist.

Außerdem beginnt die Detektivgeschichte mit einem Hering-Fass, in welchem menschliche Überreste entdeckt worden sind.

Leseprobe: „Five strangers. Five strangers in this tiny town, with no tea-room, no public house, no reason for strangers to be there at all. And only that one, the young chap who called himself an artist´s model, with the slightest hint of a purpose in coming.“

Dandy Gilver und ihr Partner Alec Osborne lösen in diesem spannenden Krimi einen ganz besonders harten Fall. Der die beiden übrigens am Ende selbst zweifeln läßt, ob sie sich korrekt genug verhalten haben.

„The Reek of Red Herrings“ ist wieder einmal ein ganz ausgezeichneter Krimi von Catriona McPherson.

Zu unseren Krimi-Seiten geht es auf dieser Einstiegsseite und all unsere Leseempfehlungen zu Detektiv-Geschichten finden sich in der Rubrik Krimi.

Playback. Raymond Chandler

Verlässliche Krimis – Raymond Chandler mit Private Eye Philip Marlowe. Das weiß man aus den Verfilmungen mit Humphrey Bogart in der Rolle des Detektivs. Und die zugrunde liegenden Bücher bestätigen den Eindruck.

Keine schöne Welt, die Raymond Chandler beschreibt im schönen Kalifornien. Viel Alkohol, viel Gewalt, die Polizei korrupt, die Reichen und Mächtigen über dem Gesetz, verbaler Schlagabtausch statt Gespräche, Liebe beschränkt auf das Körperliche, die Anständigen sterben zuerst.

„Playback“ ist der letzte Philip Marlowe. Chandler hat ihn 1958 geschrieben.

Er passt sehr gut in die Reihe der sogenannten „hard-boiled“ Krimis mit ihrer Brutalität, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit:
„He had stood by the sink in his kitchen and knotted the rubber tube around his arm, then clenched his fist to make the vein stand out, then shot a syringe full of morphine sulphate into his blood stream. (…) Then he had laid the syringe down and released the knotted tube. It wouldn’t be long, not a shot directly into the blood stream. The he had gone out to his privy and stood on the seat and knotted the wire around his throat. By that time he would be dizzy. He could stand there and wait until his knees went slack and the weight of his body took care of the rest. He would know nothing. He would already be asleep.
I closed the door on him. I didn’t go back into the house. As I went along the side towards Polton’s Lane, that handsome residential street, the parrot inside the shack heard me and screeched ‚Quién es? Quién es? Quién es?‘
Who is it? Nobody, friend. Just a footfall in the night.
I walked softly, going away.“

Zugleich hat er aber überraschende, versöhnliche, sogar optimistische Töne, die in den anderen Romanen fast völlig fehlen:
„‚How can such a hard man be so gentle?‘ she asked wonderingly.
‚If I wasn’t hard, I wouldn’t be alive. If I couldn’t ever be gentle, I wouldn’t deserve to be alive.'“

Und ein Happy End?

Gelesen habe ich eine Penguin Ausgabe von 1963. Er ist unter demselben Titel auch in deutsch zu bekommen, nicht nur antiquarisch.