The Mystery of the Portland Vase. Robin Brooks

Eine wertvolle Glasvase. In ihrem fast 2000 Jahre alten Leben zweimal in Fragmente zerlegt. Eine solche Vase verliert auch dann nicht ihren Wert: wenn sie die Portland Vase ist.

The Portland Vase: The Extraordinary Odyssey of a Mysterious Roman Treasure by [Brooks, Robin]

Kulturgeschichte eines Objekts

Robin Brooks erzählt die Geschichte der berühmten Vase durch die Geschichten ihrer illustren Besitzer und Besitzerinnen sowie der Künstler, die sie kopiert haben: ein Grabräuber, Kardinäle, Prinzessinnen und Herzoginnen, Diplomaten, Dukes, das British Museum. Auch ein Restaurateur kommt vor, der heimlich Splitter der Vase in einer Schachtel aufhob… Für jede Person, die die Vase besitzen wollte, war sie nicht nur begehrenswert schön. Sie war auch ruinös teuer.

Nachdem die Vase 2000 Jahre überstanden hatte, kam am am 1845 ein junger Ire ins Britische Museum, nahm ein antikes Marmor-Trümmerstück und schleuderte dieses auf die gläserne Vitrine mit der gläsernen Portland Vase. 2000 Jahre nach ihrer Entstehung bestand die Vase aus 200 kleinen Glasstückchen.

Besitzer

19 „Fragmente“ enthält das spannende Buch von Brooks. Jedes Fragment erzählt von einer anderen Phase in der Geschichte der Vase. Durch ihre Besitzer und deren Leidenschaften bekommt sie sozusagen Leben eingehaucht. Sie ist von Hand zu Hand gegangen. Kalt gelassen hat die Vase dabei offenbar selten.

„So the vase changed hands, and continued its journey down the river of history, its course following the currents of the great and the peculiar. It now passed from ist first attested owner (Kardinal Francesco Del Monte) to the second, and the second is one of the very greatest and most peculiar that it would encounter in its long career. In 1627, after the death of Francesco, the vase made a short journey from the Palazzo Madama to the Palazzo Barberini. This particular swirl of the current had at its centre Maffeo Barberini, known to posterity as Urban VIII. The vase’s career as a top-flight status symbol was only just beginning, and far from being used to illuminate the past, it was about to be mixed up in the most excessive social posturing imaginable, not to mention black magic and murder.“

Die berühmteste Kopie

Künstler wie Winckelmann, Keats und William Blake waren von der Portland Vase fasziniert. Am berühmtestes ist jedoch Josiah Wedgwood: Ihm gelang es, einen sensationellen PR-Coup zu landen, indem er die Vase kopierte. Mehr hierzu in unserer Besprechung einer Wedgwood-Biografie.

Herkunft der Vase

Die Portlandvase ist eine römische Amphore aus der Zeit von Augustus. Sie besteht aus dunkelblauem Glas, das mit einer Schicht aus weißem Glas überzogen wurde. In diese weiße Schicht wurden die Figuren hineingeschnitten. Sie ist heute etwa 25 cm hoch. Möglicherweise hatte sie ursprünglich einen höheren Fuß.

Die 200 Fragmente ihrer Zerstörung wurden wieder zusammengeklebt. Bis heute gab es zwei weitere Restaurierungen (1949 und 1989).

Was die abgebildeten Figuren bedeuten sollen, ist bis heute übrigens nicht ganz klar.

Murder on a Midsummer Night – A Phryne Fisher Mystery. Kerry Greenwood

Jung, reich, sexy und dann auch noch Detektivin. Das ist Phryne Fisher. Von ihrem Vater versehentlich statt nach einer Muse nach einer Hetäre benannt.

Das Versehens des Vaters hatte im Nachhinein seine Berechtigung, beschreibt eine Nebenfigur doch Phryne Fisher als eine Nymphomanin mit außergewöhnlicher Toleranz bei der Wahl ihrer Partner. Allerdings ist Pikanterie nicht alleiniges Merkmal der Fisher-Krimis. Es ist eher die Funktion eines Epos Australiens in Krimi-Form. Alle wesentlichen Themen der 1920er Jahre kommen vor in historisch korrekt recherchierter Weise: Tennis, Autorennen, Kleinflugzeuge, illegale Abtreibungen, Zirkus, Boxen, Varieté, Haute Couture, Frauenzeitschriften, Folgen des 1. Weltkriegs, Stummfilm ….

Trotz oder eher parallel zu diesen Themen bringt Greenwood die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen und -schichten in ihren Detektivgeschichten zusammen: Einwanderer aus China, Italien und Russland, jüdische Gemeinden, Aborigines, adelige Briten, schwarze Amerikaner, Lords, Küchenmädchen, Taxifahrer, Ladenbesitzer, Nonnen und und und.

Es entsteht das Bild vom Schmelztiegel Australien. Australien als Land, das vielen unterschiedlichen Menschen zur Heimat wurde und diese Vielfalt als Reichtum erlebt. Berühungsängste oder Standesdünkel hat Phryne Fisher nie. Ihre Erschafferin zeichnet sie als eine wahrhaft demokratische Figur.

Seit der außerordentlich erfolgreichen Verfilmung der Phryne Fisher-Romane sind auch die Unterschiede zwischen Büchern und Filmepisoden interessant. Die Phryne Fisher der Filme ist sexuell zurückhaltender, der wichigste Polizist, Detective Inspector Jack Robinson, wird aufgewertet zu einer passablen zweiten Hauptfigur, so dass eine Liebesgeschichte möglich ist. Die Bücher sind narrativ vielschichtiger und beleuchten oft in großer Detailtiefe Aspekte der historischen Entwicklung Australiens.

Nur als Beispiel möchte ich aus der Cover-Beschreibung von „Murder on a Midsummer Night“ zitieren: „Melbourne, 1929. The year starts off for glamorous private investigator Phryne Fisher with a rather trying heat wave and more mysteries than you could prod a parasol at. (…) „I must say Jack, I have been in some awful company before – I have dined with torturers and Apaches and strict Plymouth Brethren and politicians – but I never met such vile company as those people. Each in his or her own way, they were frightful.““

Beide, Filme und Bücher, sind ein Vergnügen.

Hier gibt es weitere Anregungen zu den besten unbekannten Krimis.

A Charming Place – Bath in the Life and Novels of Jane Austen. Maggie Lane

Jane Austen und Bath. Da kommen alle Klischee-Vorstellungen von vergangener Eleganz, von Reichtum und seiner Verschwendung. Allerdings, wer heute durch Bath schlendert hat Schwierigkeiten, in Mitten der Touristen-Ströme und Schnellrestaurants etwas zu finden, woran die eigenen Wunschvorstellungen sich halten können. Das muss nicht sein.

Das kleine Buch von Maggie Lane leistet Abhilfe: auf nur 100 Seiten bietet alles, was das Austen-Fan-Herz begehrt. Die Verbindung von Austens Aufenthalten in Bath wird dargestellt, die Szenen ihrer relevanten Romane nachvollzogen. Für uns moderne Touristen bietet das Büchlein noch zusätzlich Hilfreiches durch vier Karten der Innenstadt von Bath, in die auch heute verlorene Gebäude eingezeichnet sind, ein Register und schöne Illustrationen von Bridget Sudworth.

Bath spielt eine wichtige Rolle im Leben und im Werk von Jane Austen. Nach mehreren kurzen Besuchen, lebte sie dort von 1801 bis 1806. In zweien ihrer Romane – „Northanger Abbey“ und „Persuation“ – bietet Bath den Protagonistinnen das Setting zur Überprüfung ihrer Wertvorstellungen (Catherine Morland und Anne Elliot). Auch in weiteren Werken verweist die Autorin auf die Stadt.

Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts wurde Bath als Termalbad und Kurort attraktiv bei „people of fashion and expense“. Die zweite Hälfte des Jahrhunderts war dann geprägt von einem wahren Bauboom. Allein zwischen 1780 und 1793 (das Jahr einer Finanzkrise, ausgelöste durch den Krieg mit Frankreich) wuchs die Stadt derart, dass die Anzahl von Häusern um 45% zunahm. Ab 1800 wurde weiter gebaut.  Die wichtigsten Archtekten waren die beiden John Wood, Vater und Sohn. Bath zeigt deshalb auch heute noch ein Stadtbild voller eleganter georgianischer Gebäude.

Warum nicht nächste Woche nach Bath reisen und – mit „A Charming Place“ in der Hand – auf den Spuren von Jane Austen wandeln?

Jane Austen´s Journeys. Hazel Jones

Jane Austen (1775-1817) ist innerhalb Englands gereist. Die Eindrücke ihrer Reisen plus Hintergrund-Informationen aus einschlägigen Reisejournalen hat sie in ihren Romanen verarbeitet. Hierbei war sie derart präzise in den geografischen Details, dass Austen-Verehrer bis heute die dramatischsten Szenen der Romane auf der Landkarte zu finden versuchen.

Jane Austen's Journeys

Als unverheiratete Frau ohne eigenes Einkommen war Austens Bewegungsspielraum immer abhängig von anderen, die sie mitnehmen, abholen, absetzen, übergeben konnten. Oft waren dies die Brüder. Da diese ihre eignen Reisepläne regelmäßig mehrfach innerhalb eines Wochenendes veränderten, schrieb Jane Austen dann mehrfach – während eines Wochenendes – Briefe an ihre Freundinnen, um ihre Planungen samt neuen Absprachen zu aktualisieren.

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Das Buch von Hazel Jones erzählt von den verschiedenen Kutschenarten, Übernachtungsmöglichkeiten, Spazierwegen, beliebtesten Aussichtpunkten, gefährlichsten Fahrten. Am besten sind die Kapitel, in denen die Autorin zeigt, wie eng äußere Bewegung und innere Emotion der Figuren Austens zusammenhängen. Das Wichtigste passiert unter freiem Himmel. Egal ob die junge Heldin nach tiefer Selbstbefragung einen Entschluss fasst oder ihr ein junger Mann im Garten seine Liebe gesteht.

Das Buch liest sich schnell und flüssig, Anekdote über eine literarische Figur reiht sich an Anekdote aus einem zeitgenössischen Reistagebuch. Hierin genau liegt das Problem: Die Autorin beschreibt kleinteilig. Das eignet sich vielleicht für ein Nachschlagewerk. Sollte man wissen wollen, welchen sozialen Status der Barouche-Landau oder der Phaeton signalisierten, kann das sehr hilfreich sein.

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 Ich selbst hätte mir gewünscht, dass die eine oder andere Zusammenfassung auf abstrakterem Niveau erfolgt. Dass die Beschreibung von Jane Austens Reisen auch durch eine Analyse des zeitgenössischen Reisens, wenn schon nicht der damaligen Frauen-Reisen ergänzt worden wäre.

Übrigens, das stimmt nicht:

…und derart platt hatte Janes Austens spitze Zunge nie formuliert…

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Informationen zu Werk , Leben, Verfilmungen und Sekundärliteratur in deutscher Sprache bietet die Seite der Freunde Jane Austens.

London: Guide to the Architecture of London. Edward Jones, Christopher Woodward

Dieser „Guide to the Architecture of London“ ist einfach ein Muß für alle, die London lieben und natürlich Architektur.

Was macht diesen Guide to the Architecture of London von Edward Jones und Christopher Woodward aus?

  • Er läßt sich in einer größeren Damen-Handtasche tragen.
  • Er ist nach 16 inneren Gebieten und acht Außenbezirken aufgeteilt.
  • Jede Region wird zunächst zur Orientierung durch eine Landkarte vorgestellt.
  • Alle besprochenen Gebäude sind auch im Bild zu sehen.
  • Die Beschreibung der Architekturen ist beschränkt auf das Wesentliche (wirklich kurz und knapp).
  • Innerhalb der Kapitel zu den einzelnen Regionen ist die Ordnung chronologisch.

Dieser Architektur_Führer ist ein Muster an Klarheit, Ordnung und Systematik. Er ist praktisch und informativ.

Ganz egal, ob man sich auf ein bestimmtes Stadtgebiet Londons beschränken möchte, ob die persönliche Leidenschaft Georgianische Architektur ist oder die Häuser der 1970er Jahre: Dieses Buch schärft den Blick für die wunderbare Stadt London und leistet einen Beitrag dazu, sie noch schöner zu finden.

Ach, es enthält auch eine Einleitung für den Gebrauch, eine knappe Biografie der Stadt und ihrer Gebäude; es bietet ein Farbleitsystem, ein Register und noch viel mehr…

Guide To The Architecture Of London

Edith Head – The Life of Hollywood’s Celebrated Costume Designer. David Chierichetti

Edith Head? Wer von uns kann sich nicht mindestens an eine der spektakulären Szenen in den Filmen „Sabrina“, „Roman Holiday“ („Ein Herz und eine Krone“) oder in „To Catch a Thief“ („Über den Dächern von Nizza“) erinnern? Spektakulär auch aufgrund der Kostüme.

Das Buch von Chierichetti beschreibt den unwahrscheinlichen Aufstieg einer jungen Frau zu weltweiter Berühmtheit als DER Hollywood Kostüm-Designerin. Selbstverständlich gab es andere Designer als Edith Head (1897-1981), selbstverständlich hat Head nicht alle Kostüme entworfen, für die sie Anerkennung erhielt. Aber: sie war immer da. Von 1925 bis 1982 hat sie die Garderobe von Schauspielerinnen in Hollywood gestaltet. Sie hat hierbei für fast 1000 Filme gearbeitet, war 35 Mal für den Oscar in der Rubrik Bestes Kostümdesign nominiert. Acht Mal hat sie einen Oscar gewonnen.

Außerdem veröffentlichte Head im Alter ihre außerordentlich erfolgreichen Mode-Fibeln „How to Dress for Success“ sowie „Dress Doctor“ und promotete sich selbst in unzähligen Präsentationen ihrer Entwürfe quer durch Amerika.

Wodurch zeichnet sich die Person Edith Head aus? Zeit ihres Berufslebens fühlte Head sich gefährdet und fürchtete, ihre Position und ihren Einfluss zu verlieren. Obwohl Head in der Mitte ihres Lebens eine Berühmtheit war, verdiente sie weniger als männliche Designer. Auch als sie nur durch regelmäßige Bluttransfusionen überlebte, arbeitete sie weiter bis zu ihrem Tod.

„In a 1955 interview, Edith candidly said, „Within the limitations set by the story, the actress’s figure, the censor, good taste, the budget, the color expert, the set decorator, the sound technician, the cameraman, the director, and my own creativeness, I simply give the actress what she wants.““

Edith Head: The Life and Times of Hollywood's Celebrated Costume Designer

Das Buch bietet einen guten Überblick über das berufliche Leben der Designerin. Es zeichnet verständlich nach, auf welche Weise ihr Ruhm entstand. „Edith Head“ ist in einem schnellen, unpräzisen, umgangssprachlichen Plauderstil geschrieben. Der Autor bleibt am Einzelfall und an der Anekdote.  Abstraktion und der größere Kontext sind seine Sache nicht.

Weitere Bücher zur Mode in unserer Übersicht Beste Bücher und in der Kategorie Mode.

Behind the Mask – The Life of Vita Sackville-West. Matthew Dennison

Berühmt durch Sissinghurst, ihren Garten. In den es heute Tausende Besucher zieht, so dass an manchen Tagen nur zeitlich begrenzte Tickets ausgegeben werden können. Als Schriftstellerin in Deutschland wenig bekannt, wenn überhaupt, weil sie das Vorbild der Hauptfigur in Virginia Woolfs „Orlando“ ist.

Sackville-West stammte aus dem britischen Adel. Und hatte ein Problem: den Herrensitz der Familie, den sie innig liebte, den sie als einen lebendigen Organismus sah, der ihr Identität gab, diesen Herrensitz konnte sie als Mädchen nicht erben.

Mann sein ist besser

Das Buch von Dennison zeichnet nach, wie Sackville-West zur Auffassung gelangte, dass Mann sein besser ist. Männer erben Herrenhäuser, sind stark und mächtig, stehen in der Tradition einer adeligen, kavalierhaften Welt. Zeit ihres Lebens hat Sackville-West mit maskulinen Rollen gespielt. Der Edelmann und der Dichter waren entscheidende Inpretationen ihres Selbst.

Die zwei Seiten

Das Mann-sein nicht immer eine hilfreiche Lösung ist, war Sackville-West früh klar. Ihre Ehe war glücklich, auch weil sie mit einem homosexuellen Mann verheiratet war. Sie selbst hatte viele Liebhaberinnen. Um das sich selbst zu erklären, erfand sie eine Argumentation, die sich aus englischen sowie aus spanischen Wurzeln ihrer Vorfahren speiste. Immer wieder waren ihre literarischen Werke auch Varianten des Zwei-Herzen-stecken-ach-in-meiner-Brust.

Die Schriftstellerin, also der Dichter plus die Frau

Und in ihren Romanen und Gedichten konnte sie ausloten, heute würden wir wohl sagen „probehandeln“, welche ihrer Gefühle ihr besonders wichtig waren und was diese auslösen konnten. So sind laut Dennison die Charaktere ihrer Bücher immer auch in Teilen Selbstdarstellungen der Autorin. Auch heute noch lassen sich sehr gut ihre Romane „The Edwardians“ und das wunderbare Buch über das Alter „All Passion Spent“ lesen. Und natürlich „Orlando“.

Mit Sissinghurst jedoch hatte sie sich ein Mini-Knole geschaffen – natürlich stammen Ruinen von Sissinghurst aus der Tudor-Zeit und selbstverständlich war ein Sackville zu Besuch – und einen Kindheitstraum verwirklicht: Sie als Poet in einem Turm. Hoch über der Welt.

Die Biografie von Dennison packt zwischen zwei Buchdeckel die Masken, die Porträts, die Gesichter Vita Sackville-Wests: auf der Vorderseite ihr Porträt „Lady with a red hat“ von William Strang, und die Rückseite zeigt eine Fotografie der vom Leben gezeichnete Frau.

Emma – Das Leben der Lady Hamilton. Gilbert Sinoué

Sie galt als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit. Die meist porträtierte war sie ganz sicher. Als „Super-Model des 18. Jahrhunderts“ hat der WDR Lady Hamilton bezeichnet.


Lady Hamilton kam aus einfachsten Verhälnissen, lebte als ausgehaltene Frau, reiste nach Neapel, heiratete den Adeligen Sir William Hamilton, wurde Vertraute einer Königin, verliebte sich in Admiral Nelson, starb einsam und verarmt in England. Was man unbedingt über sie wissen muß: nur mit der Hilfe von Tüchern und wenigen Requisiten stellte sie eine Fülle antiker Figuren nach. Ihr sensibler Ausdruck von Gesicht und Körperhaltung waren in ganz Europa als die „Attitüden der Lady Hamilton“ berühmt. Auch Goethe war fasziniert von ihrer Darstellungskunst.

„Zahllos sind die Legenden, die sich um Lady Hamilton (1765-1815) ranken. Das bigotte 19. Jahrhundert hielt sie für eine Prostituierte, weil sie arm war und sich von einem reichen Mann angeln und heiraten ließ. Auf der weißen Weste des englischen Nationalhelden Nelson war sie der dunkle Fleck. Sicher ist, sie war die prominenteste, die erfolgreichste Aufsteigerin ihrer Zeit, nicht zuletzt wegen ihrer Schönheit die meist porträtierte Frau des 18. Jahrhunderts“, so der Klappentext.

Die Biografie ist gut lesbar geschrieben, sie zeichnet ein gutes Porträt sowohl von Lady Hamilton wie auch von der spannenden Zeitgeschichte. Wo immer die Quellenlage unsicher ist, räumt der Autor dies ein. Wann immer er spekuliert, berichtet er dies.

Emma, Lady Hamilton, zeigt als große Liebende eine weitere Facette: den recht zerschossenen Kriegshelden Nelson – ein Auge und ein Arm fehlen nach Kriegshandlungen gegen Napoleons Truppen im Mittelmeer – päppelt sie gesund. Die beiden verlieben sich heftig, Sir William toleriert ihre Beziehung.

 

 

„Tatsächlich lebten der Liebhaber und seine Geliebte von da an endgültig in ihrer eigenen Welt. Bald verletzten sie alle Regeln, brachen alle Tabus, boten den Konformisten die Stirn, schmähten Tugendwächter und Tugendhafte. Kurz gesagt: Sie haben sich geliebt, sich zu sehr geliebt, sich auch zweifellos zu wenig geliebt, aber im Unterschied zu denjenigen, die den Stab über sie gebrochen haben, haben sie ihr Leben gelebt.“

Holy Disorders. Edmund Crispin

Spannung plus absurde Plots, intelligente Dialoge plus Action: das sind die Zutaten für ungewöhnlich gute Krimi-Unterhaltung. Oder: Diese ist die natürliche Konsequenz, wenn man einen Oxford-Don, Kirchenmusik, ein Schmetterlingsnetz und Schwarze Magie zusammenmischt.

Worum geht es? In einer historischen Kleinstadt werden Morde in der Kathedrale verübt. Professor Gervase Fen studiert vor Ort das Verhalten der Motten und bittet seinen Freund Geoffrey Vintner darum, die Gottesdienste in der Kathedrale auf der Orgel zu begleiten. Beide werden in einen wirren Plot verwickelt, in dem Spione und Drogen, Geistliche und Hexen ihre Rollen spielen…und auch noch ein Psychoanalytiker, der den Glauben an seinen Beruf verloren hat…

„He (Geoffrey Vintner) felt as unhappy as any man without pretension to the spirit of adventure might feel who has received a threatening letter accompanied by sufficient evidence to suggest that the threats contained in it will probably be carried out. (…) He groped in his coat pocket, pulled out a large, ancient revolver, and looked at it with that mixture of alarm and affection which dog-lovers bestow on a particularly ferocious animal.“

Crispin hat jedenfall eine Leidenschaft für viele, lange, mehrsilbige und oft ein wenig daneben liegende Adverben. Die Lektüre würde sich deshalb auch dann lohnen, wenn ihr gewünschtes Ziel nur die Verbesserung des eigenen englischen Wortschatzes wäre.

 

Und das sagt Crispin über sich selbst: „Edmund Crispin was born in 1921 of Scots-Irish parentage. (…) He has been a pianist, organist and conductor since the age of fourteen and was for two years an assistant master at a public school. He travelled a certain amount before the war, particularly in Germany, where he totally failed to prognosticate the subsequent course of events. Edmund Crispin’s real name is Bruce Montgomery, and he is a composer as well as a writer. His recreations are swimming, excessive smoking, Shakespeare, the operas of Wagner and Strauss, idleness, and cats. His antipathies are dogs, the French Film, the Renaissance of the British Film, psychoanalysis, the psychological-realistic crime story, and the contemporary theatre.“

Da weiß man doch, worauf man sich einläßt, oder?

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Mehr zu Edmund Crispin bei unseren Empfehlungen der besten unbekannten Krimis.
Hier gibt es weitere Krimis, die wir besprochen haben.
Lese-Empfehlungen zu Detektivgeschichten finden sich unter beste Bücher: Krimis.

The Mighty Dead – Why Homer Matters. Adam Nicolson

Ein Buch über Homer und über Gewalt und über Zivilisation. Ungeheuer faszinierend und ebenso schrecklich in seiner kompromisslosen Benennung der Gewaltdarstellungen in Homer als brutale Gewalt.

„The Mighty Dead“ ist unkompliziert zugänglich; sein Autor nutzt Stilmerkmale aus Reisebericht, historischer Forschung und formuliert außerdem einen leidenschaftlichen Appell an die Macht der Poesie.

Das Buch verfolgt zwei unterschiedliche inhaltliche Ziele:

  1. Wie kam es zu den Texten, die wir heute als „Ilias“ und als „Odyssee“ kennen?
  2. Wovon handeln diese Texte? Was sagen sie uns?

Wie sind die Texte der „Ilias“ und der „Odyssee“ entstanden?

Adam Nicolson, Enkel von Vita Sackville-West, beschreibt in seinem Buch, wie europäische Heldenlieder aus unterschiedlichsten regionalen Gebieten für Jahrhunderte mündlich überliefert wurden. Die Sänger, die diese Lieder sangen, waren alle seiner Auffassung nach ein Teil dessen, was wir heute „Homer“ nennen. Die ältesten Teile gehen dabei vermutlich auf die Zeit von 1800 v. Chr. zurück.

Ca. 280 v.Chr. wurden in der Bibliothek von Alexandria Texte erstellt, die sich aus den unterschiedlichen, damals überlieferten Quellen – mündliche Überlieferungen und Papyri – speisten. Schon diese Texte von „Ilias“ und „Odyssee“ weisen Glättungen, Vereinheitlichungen, stilistische Veränderungen auf, so wie sie in der Übersetzungsgeschichte beider antiker Texte immer wieder vorkommen sollten: „Homer“ sollte einfach nicht „primitiv“ sein. Nicolson belegt diese These gut anhand linguistischer Details und durch die Übersetzungsgeschichte.

Vorspeisenplatte: Von wegen dem Homer seiner <i>Ilias</i>

„He (Homer) sang of the past (…): as the violence and sense of strangeness of about 1800 BC recollected in the tranquillity of about 1300 BC, preserved through the Greek Dark Ages, and written down (if not in a final form) in about 700 BC. Homer reeks of long use.“

Wovon handeln „Ilias“ und „Odyssee“?

Funktion der Helden-Gesänge war es, den individuellen Ruhm vor der Vergänglichkeit zu retten. Die Heldentat, der heldenhafte Tod haben nur einen Sinn, wenn sie die Zeit überdauern, wenn sich jemand an sie erinnert. Das immer wieder gesungene, von Generation zu Generation tradierte Lied selbst ist deshalb, laut Nicolson, der Garant für den Ruhm der homerischen Helden. Hierbei reichen Inhalte „Homers“ weit zurück bis in die Bronzezeit: „In his Greek heroes, Homer gives voice to that northern warrior world. Homer is the only place you can hear the Bronze Age warriors of northern grasslands speak and dream and weep. The rest of Bronze Age Europe is silent. Echoes of what was said and sung in Ireland or in German forests can be recovered from tales and poems collected by modern ethnographers, but only in Homer is the connection direct.“

Homerische Gesänge haben den Konflikt „Stadt“ gegen „Gang“ zum Thema, Zivilisation gegen Barbaren. Sie beschreiben den Konflikt zwischen einer städtischen, durch Handel geprägten Zivilisation rund um das Mittelmeer mit einer von Norden kommenden Gruppe von Menschen, die  teil-nomadisch lebte und die kriegerische Auseinandersetzung im Zentrum ihres Lebens sah.

Sehr überzeugend finde ich den Vergleich zu modernen Gang-Werten, den Nicolson zieht. Dieser erinnert mich an die Formulierung Christa Wolffs „Achill, das Vieh“ (Kassandra): Für die „Gang“ zählen Ehre, körperliche Überlegenheit, Tötung des Opponenten als identitätsstiftende Attribute.

Was sagt uns heute noch Homer? Für Nicolson sind die homerischen Gesänge Texte, in denen die Brutalität des Lebens anerkannt wird. Die aber dennoch weiser sind als die in ihnen grausam handelnden Figuren und deshalb Menschlichkeit und Mitleid hochhalten. Inmitten des gegenseitigen Abschlachtens von Griechen und Troern gibt es einen Augenblick gegenseitiger Anerkennung. Priamos, der alte König von Troja, geht zu Achill, der seinen Sohn getötet hat, und bittet ihn um dessen Leichnam. Er erhält ihn. Beide Figuren teilen einen Augenblick gegenseitigen Respekts:
„Priam has brought the virtues of the city into Achilles´s heart. (…) Achilles, the man from the plains, has absorbed the beauty of Priam´s wisdom (…) Achilles will soon be dead, Troy will soon be broken, the Trojan men will soon be slaughtered, Priam among them, horribly murderd by Achilles´s own son, their women abused and enslaved, but here, in poetry, in passing, a better world is momentarily – or in fact everlastingly – seen.“