Die Gärten der Finzi-Contini. Giorgio Bassani

In Ferrara gibt es eine Grünanlage, die in der Innenstadt als gepflegter Park mit repräsentativer Villa beginnt, sich dann ausweitet, auf der einen Seite in einen großen jüdischen Friedhof übergeht und auf der anderen in ein Feld voller Kleingärten, Sandhaufen, alter Bäume und Unkraut. Dahinter kommen mehr oder weniger schöne Gärten, in denen alte Häuser stehen. Dies alles ist angeblich das Gebiet der früheren Gärten der Familie Finzi-Contini.

Blick in die Vergangenheit: „Die Gärten der Finzi-Contini“

„Die Gärten der Finzi-Contini“ ist ein melancholisches Buch. Es erzählt im Rückblick eine Geschichte, in der die Vergangenheit wertvoll ist, weil die Zukunft ungewiss ist. In der alte Gegenstände ihren Wert haben, weil nichts ihnen ihre Geschichte rauben kann, egal, was die Zukunft bringen wird: „Sie schwieg, fast ohne sich zu rühren. „Sieh dir dagegen das (verrottete) Paddelboot an (…) und bewundere bitte, mit wie großer Ehrlichkeit, Würde und welch moralischem Mut es aus dem Verlust jeglicher Funktion alle nötigen Konsequenzen gezogen hat. Auch die Dinge sterben, mein lieber Freund. Und wenn sie also sowieso sterben müssen, dann ist es besser, man lässt sie in Ruhe. Außerdem ist es auch besserer Stil, findest du nicht?““

Liebesgeschichte und Geschichte der Juden in Ferrara

Bassani entfaltet das Motiv einer verlorenen Jugendliebe in einer bestimmten historischen Situation: Sein Erzähler gehört zum jüdischen Bürgertum Ferraras, nach Bassanis Darstellung gutsituierter Mittelstand oder Großbürgertum. Sie hatten schon lange das Ghetto verlassen und pflegten ihre religiösen Bräuche fast wie eine Art Huldigung an die Tradition. Die Rassendiskriminierung kommt für die jüdische Bourgeoisie in Bassanis Roman deshalb überraschend. 1938 wurden alle Schulen für jüdische Schüler wie Lehrer gesperrt und ein Rassengesetz trat in Kraft, welches Juden vom gesamten öffentlichen Leben ausschloss und ihre Bürgerrechte einschränkte. Hier setzt „Die Gärten der Finzi-Contini“ an.

Il giardino dei Finzi Contini [IT Import]

Die Sprache

Bassani erzählt in einer unaufgeregten Sprache, fast lakonisch, aus der Perspektive des männlichen Ich-Erzählers. Dieser erzählt äußerliche Begebenheiten, schildert Dialoge und berichtet über seine Gefühle. Sich selbst bleibt er dabei auch im Rückblick ein Rätsel.

„Das war an einem Dienstag. Ich könnte nicht erklären, warum ich mich wenige Tage darauf, am Samstag der gleichen Woche, dazu entschloss, gerade das Gegenteil von dem zu tun, was mein Vater wünschte. Ich möchte die Möglichkeit ausschließen, dass dabei der übliche Widerspruch eine Rolle spielte, der einen Sohn mechanisch zum Ungehorsam veranlasst. Was plötzlich in mir die Lust erweckte, meinen Schläger und meine Tennissachen aus der Schublade hervorzuziehen, in der sie über ein Jahr gelegen hatten, war vielleicht nur der strahlend schöne Tag gewesen, diese leichte, zärtliche Luft eines ungewöhnlich sonnigen Nachmittags zu Beginn des Herbstes.“

Bildergebnis für Giorgio Bassani

Der Autor Giorgio Bassani

Giorgio Bassani ( 1916-2000) wuchs in einer liberalen jüdischen Arztfamilie in Ferrara auf. 1935 begann er ein Studium der Literaturwissenschaften in Bologna, das er trotz der italienischen Rassegesetze von 1938 mit einer Dissertation beenden konnte. Er wurde zum politischen Widerstandskämpfer. Nach einem Gefängnisaufenthalt verbracht er den größten Teil seines Lebens in Rom als Schriftsteller und Publizist.

The Berlin novels. Christopher Isherwood

Die Berlin-Romane, das sind die autobiographischen Werke „Mr Norris changes train“ und „Goodbye to Berlin“. Geschrieben hat sie – und berühmt geworden ist durch sie – Christopher Isherwood (1904 – 1986), der von 1929 bis 1933 in Berlin lebte. „Mr Norris changes train“ erschien 1935, der zweite Roman vier Jahre später.

Auch wenn einem diese Romantitel wenig sagen, viele kennen das Muscial „Cabaret“, insbesondere als Oscar-gekrönten Film mit Liza Minnelli als Sally Bowles. Die Inspiration hierzu ist „Goodbye to Berlin“.
Original movie poster for Cabaret.jpg

Mit Isherwood hatte ich selbst nicht viel zu tun, schon gar nicht während meiner Schulzeit. Aufmerksam wurde ich auf ihn durch die DVDs „In their own words“ über englische Literatur des 20. Jahrhunderts. Hier fand ich sowohl ein Interview mit Isherwood als auch alles, was über „Mr Norris changes trains“ gesagt wurde, sehr faszinierend und anregend. Später las ich dann in John Careys „Pure pleasure:  a guide to the 20th century’s most enjoyable books“ erneut über Mr Norris. Danach habe ich das Buch bestellt.

Enttäuscht wurde ich nicht, im Gegenteil. Insbesondere in Mr Norris: Eine direkte, umstandslose Sprache – nuancierte, dreidimensionale Charaktere – arglose Beschreibungen verstörender Inhalte – ein spannender Plot, den man bis zum Schluss nicht ganz durchschaut – der Zeitbezug mit den Wirrungen der letzten Jahre der Weimarer Republik – und so gemacht und so gebaut, dass das Denken auf intelligente Weise angeregt wird.

Großes Kino also. Ab Szene 1, in dem der Ich-Erzähler im Zug das erste Mal Mr Norris trifft:
„My first impression was that the stranger’s eyes were of an unusually light blue. (…) They were the eyes of a schoolboy surprised in the act of breaking one of the rules. (…) he seemed not to have heard or seen me cross the compartment from my corner to his own, for he started violently at the sound of my voice (…). Smiling, anxious to reassure him, I repeated my question:
‚I wonder, sir, if you could let me have a match?‘
Even now, he didn’t answer at once. He appeared to be engaged in some sort of rapid mental calculation, while his fingers, nervously active, sketched a number of flurried gestures round his waistcoat. For all they conveyed, he might equally have been going to undress, to draw a revolver, or merely make sure that I hadn’t stolen his money. Then the moment of agitation passed from his gaze like a little cloud, leaving a clear blue sky. At last he had understood what it was that I wanted:
‚Yes, yes. Er – certainly. Of course.‘
As he spoke he touched his left temple delicately with his fingertips, coughed, and suddenly smiled. His smile had a great charm. It disclosed the ugliest teeth I had ever seen. They were like broken rocks.“

Careys letzter Satz in seinem Essay über „Mr Norris changes trains“:
„He prompts the thought that the face of evil is not monstrous or diabolic, but weak, self-seeking and a bit pathetic – not so very unlike our own.

Beide Romane gibt es auf deutsch: „Mr Norris steigt um“ und „Leb wohl, Berlin“.

The world of S J Perelman

John Careys beste Bücher des 20. Jahrhunderts hatten mich – wärmstens empfehlend! – auf Perelman aufmerksam gemacht: Einer der witzigsten Autoren überhaupt sei er!! Also habe ich mir diesen Band zugelegt als Best-of. Das Cover hätte mich warnen sollen: „Introduction by Woody Allen“…

Sidney Joseph Perelman (1904 – 1979) schrieb als Humorist viel für den New Yorker und wurde auch als Drehbuchautor der Marx-Brothers bekannt.

Der von mir zum Teil gelesene Sammelband bietet einen Überblick über seine gesamte literarische Schaffensperiode ab den 30er Jahren, allerdings jeweils ohne das Erscheinungsdatum zu nennen. Warum dies weg gelassen wurde, erschließt sich mir nicht.

Alle Erzählungen, Kurzgeschichten, Sketche zeugen von großer Intelligenz, ausgezeichnetem Sprachgefühl und noch größerer Fähigkeit zu Selbstironie. Gelungen sind sie schon irgendwie. Nur witzig finde ich die meisten nicht. Das kann aber auch an mir liegen…

Am Besten gefallen mir seine Beiträge, in der er sich mit Formulierungen der Werbung beschäftigt, indem er sie in echte, erfundene Dialoge einbaut:
(Scene: The combination cellar and playroom of the Bradley home in Pelham Manor. Mr. and Mrs. Bradley and their two children, Bobby and Susie, are grouped about their new automatic oil burner (…))
BOBBY – Oh, Moms, I’m so glad you and Dads decided to install a Genfeedco automatic oil burner and air conditioner with the new self-ventilating screen flaps plus finger control! It is noiseless, cuts down heating bills, and makes the air we breathe richer in vita-ray particles!
SUSIE – Think of it! Actual experiments performed by trained engineers under filtered water prove that certain injurious poisons formerly found in cellars are actually cut down to thirty-four percent by switching to Genfeedco!
MR. BRADLEY (tonelessly) – Well, I suppose anything’s better than a heap of slag at this end of the cellar.
MRS. BRADLEY – Yes, and thanks to Buckleboard, the new triple-ply, satin-smooth, dirt-resisting wall plastic, we now have an ugly little playroom where we can sit and loathe each other in the evening.“

Aber wie gesagt, ganz holt mich das alles nicht ab…

A Charming Place – Bath in the Life and Novels of Jane Austen. Maggie Lane

Jane Austen und Bath. Da kommen alle Klischee-Vorstellungen von vergangener Eleganz, von Reichtum und seiner Verschwendung. Allerdings, wer heute durch Bath schlendert hat Schwierigkeiten, in Mitten der Touristen-Ströme und Schnellrestaurants etwas zu finden, woran die eigenen Wunschvorstellungen sich halten können. Das muss nicht sein.

Das kleine Buch von Maggie Lane leistet Abhilfe: auf nur 100 Seiten bietet alles, was das Austen-Fan-Herz begehrt. Die Verbindung von Austens Aufenthalten in Bath wird dargestellt, die Szenen ihrer relevanten Romane nachvollzogen. Für uns moderne Touristen bietet das Büchlein noch zusätzlich Hilfreiches durch vier Karten der Innenstadt von Bath, in die auch heute verlorene Gebäude eingezeichnet sind, ein Register und schöne Illustrationen von Bridget Sudworth.

Bath spielt eine wichtige Rolle im Leben und im Werk von Jane Austen. Nach mehreren kurzen Besuchen, lebte sie dort von 1801 bis 1806. In zweien ihrer Romane – „Northanger Abbey“ und „Persuation“ – bietet Bath den Protagonistinnen das Setting zur Überprüfung ihrer Wertvorstellungen (Catherine Morland und Anne Elliot). Auch in weiteren Werken verweist die Autorin auf die Stadt.

Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts wurde Bath als Termalbad und Kurort attraktiv bei „people of fashion and expense“. Die zweite Hälfte des Jahrhunderts war dann geprägt von einem wahren Bauboom. Allein zwischen 1780 und 1793 (das Jahr einer Finanzkrise, ausgelöste durch den Krieg mit Frankreich) wuchs die Stadt derart, dass die Anzahl von Häusern um 45% zunahm. Ab 1800 wurde weiter gebaut.  Die wichtigsten Archtekten waren die beiden John Wood, Vater und Sohn. Bath zeigt deshalb auch heute noch ein Stadtbild voller eleganter georgianischer Gebäude.

Warum nicht nächste Woche nach Bath reisen und – mit „A Charming Place“ in der Hand – auf den Spuren von Jane Austen wandeln?

Äthiopische Geschichten. Heliodor

Die „Äthiopischen Geschichten“ von Heliodor, zweifellos ein Werk der Weltliteratur, der vielleicht beste, zweifellos der längste antike griechische Roman, Bestseller im Byzantinischen Reich. Zu seinem Fanclub gehören: Shakespeare, Goethe, Verdi.

Und heute? Noch nie etwas davon gehört, oder?

Der vollständige Titel des Romans lautet „Äthiopische Geschichten oder: Die Erlebnisse von Theagenes und Charikleia“ (Αἰθιοπικὰ ἢ τὰ περὶ Θεαγένην καὶ Χαρίκλειαν). Geschrieben wurden sie von Heliodoros aus Emesa, dem heutigen Homs in Syrien, irgendwann im 3. oder 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung.

In diesem Liebesroman geht es um eine ausgesprochene verwickelte und ereignisreiche Geschichte, die ca. im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung spielt. Im Zentrum ein Liebespaar mit Namen Charikleia und Theagenes (wer diese beiden Personen sind, wird hier nicht verraten, denn sonst ist einiges der Spannung beim Lesen weg). Orte der Handlung sind Griechenland (Delphi, Athen), Ägypten und Äthiopien. Es gibt Entführungen, Räuber, ägyptische Priester, Intrigen, Überfälle, Orakel, Rettungen in letzter Minute – kurz: alles, was das Fortsetzungsroman-liebende Publikum liebt und braucht, inklusive Happy End, so dass man wieder ruhig schlafen kann. Und das nicht nachgemacht und pseudo, wie bei vielen der heutigen Historienschinken, sondern original-antik, von der Sprache bis zur Kleidung und den Einrichtungsgegenständen. Da sage noch einmal jemand, antike Texte seien langweilig.

Besonders beeindruckend ist der sehr sorgfältige und gekonnte Aufbau dieses Romans, der es versteht, durch Vor- und Rückblenden, eingeschobene Erzählungen, subtile Andeutungen zu faszinieren und zu fesseln. In den Worten eines klassischen Philologen und Spezialisten für antike Romane, B.P. Reardon: „(…) another of the Aithiopika’s greatest delights: its sheer convolution and intricacy. As connections emerge, seemingly of their own accord, over long spans of text, as plot and subplot slowly mesh together, as subsidiary narrators successively play with the partial knowledge  of their audience, we are invited to admire the virtuoso skills of the self-concealing author who has engineered the whole complex mechanism.“

Ebenfalls toll – wenn auch in einer Übersetzung leider nicht vollständig nachzuvollziehen – die Sprache Heliodors, ein exzellentes Griechisch voller Anspielungen auf Homer, Hesiod, Euripides… Wohlklingend und poetisch, schnelle Dialoge, eindrucksvolle Beschreibungen. Wunderbar konstruierte Sätze, für Laut-Leser eine Fülle des Wohlklangs. Vielleicht etwas manieriert, aber es ist ja auch ein Liebesroman!
Oder in den Worten des Humoristen S.J. Perelman, auf den ich an anderer Stelle aufmerksam wurde, auch wenn er diese Worte in einem komplett anderen Zusammenhang geschrieben hat: „Their adventures are recorded in some of the most stylish prose to flow out of an inkwell since Helen Hunt Jackson’s Ramona. The people of  (this) piece, beset by hostile aborigines, snakes, and blackwater fever, converse with almost unbearable elegance, rolling out their periods like Edmund Burke.“ Passt genau, nur das Schwarzwasser-Fieber kommt bei Heliodor nicht vor.

Verdis Aida gäbe es ohne Heliodor nicht, Goethe benannte seinen Zauberlehrling nach ihm, Shakespeare ist in vielen Szenen seiner Komödien von Heliodors Dramaturgie beeinflusst, der moderne Roman sähe ohne Heliodor sicherlich anders aus.

Bereits der Beginn des ersten Satzes des Romans ist in der Lage, die Leser zu fesseln:
„ἡμέρας ἄρτι διαγελώσης καὶ ἡλίου τὰς ἀκρωρείας καταυγάζοντος, ἄνδρες ἐν ὅπλοις λῃστρικοῖς ὄρους ὑπερκύψαντες (…).
„The smile of daybreak was just beginning to brighten the sky, the sunlight to catch the hilltops, when a group of men in brigand gear peered over the mountain (…).“ (Übersetzung von J.R. Morgan)

Und das Beste? Es gibt Heliodor für kleines Geld auch in deutschen Übersetzung! Mit lockendem Einband – und außerdem in klassisch-asketischer Aufmachung bei Reclam.

Pure pleasure: A guide to the 20th century’s most enjoyable books. John Carey

Warum sollte man sich nicht inspirieren lassen von den Lese-Empfehlungen eines Englisch-Professors, der ein Faible für lesbare Bücher hat? Besonders wenn die Worte „pleasure“ und „enjoyable“ dabei fallen? Dachte ich und bestellte „Pure pleasure: a guide to the 20th century’s most enjoyable books“ von John Carey, dessen Autobiographie ich schon an anderer Stelle wärmstens empfohlen habe.

Der Verlag hat’s nicht richtig gut gemeint mit Carey: Der Einband passt gar nicht zu „pleasure“ und „enjoyable“…

Zum Glück macht das der Inhalt wett. Insgesamt 50 Werke stellt Carey vor, chronologisch sortiert, nicht nur (aber vor allem) englische Texte, nicht nur (aber vor allem) Belletristik, (fast) immer auf drei Seiten, meistens (aber nicht ausschließlich) nicht die Werke, an die man sowieso denkt, sondern die etwas unbekannteren Meisterwerke aus der zweiten Reihe. Von James Joyce „A portrait of the artist as a young man“ gehört dazu, George Orwells „Coming up for air“, Seamus Heaneys „Death of a Naturalist“, Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“.

Die Auswahl ist anregend: Nicht alle Werke kenne ich, von manchen hatte ich noch nicht einmal gehört (z.B. Chestertons „The man who was Thursday“), auch einige Autoren waren mir nicht geläufig (z.B. S.J. Perelman). Man wird zum Lesen inspiriert, denn Carey hat großes Geschick darin, das Besondere herauszuarbeiten, einzelne Facetten und Zitate funkeln zu lassen. Das Lesen macht Spaß, denn Carey kann schreiben.

Zwei Einschränkungen dennoch: Nicht alle Bücher würde ich unter „Pure pleasure“ einsortieren, da sie inhaltlich gar zu biestig sind (z.B. Ian McEwans „The cement garden“). Und die Beiträge sind nicht alle auf demselben hohen Niveau. Diese Einschränkungen sind aber schon etwas nickelig und sollen die Empfehlung nicht dämpfen.

Ein Beispiel des Carey-Funkelns zu Elizabeth Bowens „The house in Paris“:
„Her dialogues are (…) compunded of terse, brainy rhetoric like an intellectual game. She keeps producing sentences that you want to learn by heart to help you understand life better. It is true that she could not write as she does of she had not read Henry James first. But she goes beyond her Mentor. He is James plus sex. Besides, James was male, by and large, whereas Bowen is female to her fingertips, and knows things men do not. Perhaps that is why men tend not to read her. It is also why they should.“

Hippolytos. Euripides

Alle Personen sind unsympathisch. Ob das Absicht ist?
Die antike Tragödie „Hippolytos“ – genauer: „Der bekränzte Hippolytos“ (im griechischen Original: Ἱππόλυτος στεφανοφόρος) – wurde von Euripides im Jahr 428 vor unserer Zeitrechnung in Athen geschrieben und beim Fest der Dionysien aufgeführt. Er gewann den ersten Preis.

Damit gelang ihm – neben Aischylos und Sophokles einem der drei Großen der antiken Tragödie – ein Stück Weltliteratur und ein echter Klassiker des Theaters.

Der Inhalt ist schnell erzählt:
Phaidra, Ehefrau von Theseus, verliebt sich in ihren Stiefsohn Hippolytos. Ihr ist das sehr peinlich und sie wird deshalb fast krank (siehe Bild) – er möchte davon nichts wissen, denn als frommer Anhänger von Artemis hat er Keuschheit geschworen.

Weil das Geheimnis ihrer unangemessenen Liebe öffentlich geworden ist, tötet sich Phaidra und beschuldigt Hippolytos in ihrem Abschiedsbrief, sie sexuell belästigt zu haben. Als Theseus dies liest, verbannt er seinen Sohn und bittet gleichzeitig seinen eigenen Vater Poseidon, Hippolytos zu töten. Dies geschieht, und alle sind verzweifelt (oder tot).

Spannend ist diese Tragödie überhaupt nicht und sollte sie auch nie sein. Die meisten Zuschauer damals in Athen kannten den Mythos ohnehin. Und für alle, die ihn nicht kannten, tritt gleich am Anfang Aphrodite auf und verrät alles Wesentliche des Plots.

Faszinierend ist sie wegen der Zeichnung der Charaktere und der ausgezeichneten Sprache.

Wie gesagt, unsympathisch sind sie alle. Letztlich könnten Phaidra, Hippolytos und Theseus auch zu einer Königsfamilie gehören, die wöchentlich in der Bunten und im Bild der Frau auftritt. Phaidra, die schöne Ehefrau von Theseus, Tochter der skandalumwitterten Familie von Minos und Pasiphae, neigt zu hysterischen Anfällen und lässt sich leicht von anderen beeinflussen. Theseus, auch Spross einer Königsfamilie, ein klassischer Muskelprotz und Raufbold mit kurzem Geduldsfaden und wenig Neigung zu intellektuellem Diskurs, ist wegen eines Mordes gerade in der Verbannung. Hippolytos, passionierter Jäger, Freund schneller Wagen und gleichzeitig ein religiöser Fanatiker, hasst alle Frauen, findet sich selbst aber ganz toll. Alle sind sie eitel und auf ein positives Image in der Öffentlichkeit aus.
Die Götter – ebenfalls dem Jetset durchaus vergleichbar – sind übrigens auch nicht besser. Die ganze Geschichte wird angezettelt, weil Aphrodite, die Göttin der Liebe, sich an Hippolytos dafür rächen will, dass er Artemis Gefolgschaft und damit Keuschheit geschworen hat. Und Artemis kann ihm da auch gerade nicht helfen, weil eine griechische Götterkrähe der anderen die Augen nicht auskratzt. Immerhin stellt sie zum Schluss seine Ehre wieder her, da sie die Verleumdung durch Phaidra aufdeckt – und sie droht, als Nächstes ihrerseits aus Rache an Aphrodite den Tod eines Liebes-Anhängers zu befördern.

Also alle so wie wir alle.

Wie Euripides sprachlich alle Konflikte auf ihre Essenz bringt und sie pointiert-nuancenreich formuliert, wie er die Charaktere mit wenigen Worten umreisst, wie modern sein Menschenverständnis ist, wie poetisch er schreiben kann, ist ein echter Genuss.

Besonders beeindruckend vielleicht eine längere Rede von Hippolytos, in der er seinem Frauenhass Ausdruck verleiht (Verse 617ff.) – schon die ersten beiden Verse reichen fast:
„ὦ Ζεῦ, τί δὴ κίβδηλον ἀνθρώποις κακὸν
γυναῖκας ἐς φῶς ἡλίου κατώικισας;“
„Was hast du doch der Menschen gleißend Ungemach,
Die Fraun, o Zeus, an dieses Sonnenlicht gebracht?“

Oder später:
„τούτωι δὲ δῆλον ὡς γυνὴ κακὸν μέγα•
προσθεὶς γὰρ ὁ σπείρας τε καὶ θρέψας πατὴρ
φερνὰς ἀπώικισ‘, ὡς ἀπαλλαχθῆι κακοῦ.“
„Dass Fraun ein großes Übel sind, beweist ja dies:
Ihr Vater, ihr Erzieher gibt noch reichen Schatz
Und läßt sie ziehen, um des Übels los zu sein.“

Poetischer eine Chorpartie (Verse 732ff.):
„ἠλιβάτοις ὑπὸ κευθμῶσι γενοίμαν,
ἵνα με πτεροῦσσαν ὄρνιν
θεὸς ἐν ποταναῖς
ἀγέλαις θείη•
ἀρθείην δ‘ ἐπὶ πόντιον
κῦμα τᾶς Ἀδριηνᾶς
ἀκτᾶς Ἠριδανοῦ θ‘ ὕδωρ,
ἔνθα πορφύρεον σταλάσσουσ‘
ἐς οἶδμα τάλαιναι
κόραι Φαέθοντος οἴκτωι δακρύων   
τὰς ἠλεκτροφαεῖς αὐγάς•“
„Könnt ich in Tiefen der Waldschluchten gelangen,
Wo mich als beschwingten Vogel
In geflügelten Schwärme versetzt ein Gott,
daß ich könnte zu Adrias
Ferner Flut mich erheben,
Hin zum Strom des Eridanos,
Wo von Helios‘ armen Töchtern
Im Jammer um Phaethons Ende
Hinab in die düstre Brandung
Sich ergießt bernsteinschimmernder Tränenglanz.“

Der Friedhof von Prag. Umberto Eco

Es hat nicht geklappt. Und ich habe es wirklich versucht. Mehrmals. An mehreren Tagen hintereinander. Zu verschiedenen Tageszeiten. Auch mit unterschiedlichen Getränken. Aber es geht nicht. Ich schaffe es nicht mehr, Bücher von Umberto Eco zu Ende zu lesen. Bei „Der Name der Rose“ war es überhaupt kein Problem. In „Der Friedhof von Prag“ stand für mich eine Mauer auf Seite 46. Dort hörte der Leseweg für mich auf. Und Darüberklettern wollte ich nicht.

Umberto Eco (1932 – 2016) ist zweifellos ist einer der wenigen sehr angesehenen Wissenschaftler (für Semiotik; Dutzende von Ehrenprofessuren), die auch literarisch sehr erfolgreich waren (Verdienstorden; Buchpreise; Bestseller).

„Der Name der Rose“ war ein wirklicher Renner, hoch-spannend, mit seinen inhaltlichen Ausflügen in die Scholastik, die Kirchengeschichte und zu Aristoteles wirklich nicht flach, literarisch ebenfalls anspruchsvoll, sehr gut strukturiert und konzipiert. Lesefreude rundum.

„Das Foucault’sche Pendel“ war dann schon mühsam, aber ich bin immer noch in den dreistelligen Seitenbereich vorgedrungen. Bei „Baudolino“ habe ich ausgesetzt….

Jetzt also „Der Friedhof von Prag“, auf italienisch „Il cimitero di Praga“, der sechste Roman von Eco, erschienen 2010, von Burkhart Kroeber 2011 ins Deutsche übersetzt.

Spannung? Empfinde ich nicht.
Intellektuelle Inhalte? Viele, aber sie wirken wie ein Selbstzweck, wie selbstverliebte Ausflüge, wie Zeigefinger auf den gebildeten Autoren.
Literarisch gekonnt? Gut strukturiert? Ich finde nicht. Bis zu der Stelle, die ich noch erreicht habe, wirkte alles mechanisch, durch-dekliniert, seltsam seelenlos.

Worum wäre es gegangen? Der Klappentext sagt: „Der Italiener Simon Simonini lebt in Paris, und er erlebt eine dunkle Geschichte: geheime Militärpapiere, die der jüdische Hauptmann Dreyfus angeblich an die deutsche Botschaft verkauft, piemontesische, französische und preußische Geheimdienste, die noch geheimere Pläne schmieden, Freimaurer, Jesuiten und Revolutionäre – und am Ende tauchen zum ersten Mal die Protokolle der Weisen von Zion auf, ein gefälschtes »Dokument« für die »jüdische Weltverschwörung «, das fatale Folgen haben wird. Umberto Eco erzählt eine Geschichte des 19. Jahrhunderts – eine Geschichte, die tief in die Vergangenheit eindringt und doch immer auch von unserer Gegenwart erzählt.“

Ein Beispiel für die mühsame Arbeit, die den Leser erwartet, ist gleich der erste Satz:
„Il passante che in quella grigia mattina del marzo 1897 avesse attraversato a proprio rischio e pericolo place Maubert, o la Maub, come la chiamavano i malviventi (già centro di vita universitaria nel Medioevo, quando accoglieva la folla degli studenti che frequentavano la Facoltà delle Arti nel Vicus Stramineus o rue du Fouarre, e più tardi luogo dell‘ esecuzione capitale di apostoli del libero pensiero come Étienne Dolet), si sarebbe trovato in uno dei pochi luoghi di Parigi risparmiato dagli sventramenti del barone Haussmann, tra un groviglio di vicoli maleodoranti, tagliati in due settori dal corso della Bièvre, che laggiù ancora fuoriusciva da quelle viscere della metropoli dove da tempo era stata confinata, per gettarsi febbricitante, rantolante e verminosa nella vicinissima Senna.“

„Der Passant, der an jenem grauen Morgen im März 1897 auf eigene Gefahr die Place Maubert überquert hätte – „la Maub“, wie sie im Ganovenmilieu genannt wurde (einst Zentrum des universitären Lebens im Mittelalter, Treffpunkt der Studenten, die an der Fakultät der Freien Künste am Vicus Stramineus, heute Rue du Fouarre, studierten, dann Pranger-, Folter- und Hinrichtungsstätte für Jünger des freien Denkens wie Étienne Dolet) -, wäre in eines der wenigen Viertel von Paris gelangt, das von den Planierungen des Barons Haussmann verschont geblieben war, ein Gewirr übelriechender Gassen, zerschnitten vom Lauf der Bièvre, die damals dort aus den Eingeweiden der Metropole herauskam, in denen sie so lange eingepfercht gewesen war, um sich fiebernd, gurgelnd und voller Würmer in die nahe Seine zu ergießen.“

Am Übersetzer lag es dabei wirklich nicht: Hut ab.

Die Stadt der Wunder. Eduardo Mendoza

Ein Autor für Literaturkritiker und Preisverleiher ist Eduardo Mendoza Garriga. Richtig los ging alles mit seinem Roman „Die Stadt der Wunder“ – im spanischen Orginal „La ciudad de los prodigios“. Premio Ciudad de Barcelona, Roman des Jahres 1988 in Frankreich, Franz Kafka-Preis, im vergangenen Jahr sogar der Premio Cervantes…. Mendoza wird wahlweise mit Marcel Proust, James Joyce, Alexandre Dumas verglichen .

In der Stadt der Wunder geht es um zwei Protagonisten. Zunächst und vor allem ist dies das Barcelona der Zeit von der Weltausstellung des Jahres 1888 bis zu der von 1929. In dieser Zeit wurde Barcelona das, was Touristen heute lieben, die Stadt des Architekten Gaudí, der Boulevards, der großzügigen Stadtviertel. Die Erlebnisse dieser Stadt bilden den einen Erzählstrang: Wie sie sich städtebaulich entwickelt, ihr regionales Umfeld, ihr Charakter mit allen Stärken und Schwächen, ihre schwierige Beziehung zu Madrid, die großen Personen in ihrem Leben – ein historisch-urbanes Panorama.
La ciudad de los prodigios de [Garrriga, Eduardo Mendoza]

Der zweite Protagonist heißt Onofre Bouvila, ein Zugereister, der mit viel Entschlossenheit, Kreativität und Skrupellosigkeit seine verbrecherische Karriere vom mittellosen Hungerleider zum reichsten Mann Spaniens vorantreibt. Seine Erlebnisse bilden den zweiten Erzählstrang.

Beide Stränge sind vom ersten Satz an miteinander verwoben und aufeinander angewiesen, denn ohne einander wäre der Roman vielleicht nicht erwähnenswert:
„El año en que Onofre Bouvila llegó a Barcelona la ciudad estaba en plena fiebre de renovación.“ In der (nicht  ganz überzeugenden) deutschen Übersetzung von Peter Schwaar: In dem Jahr, in dem Onofre Bouvila nach Barcelona kam, befand sich die Stadt im Zustand fieberhafter Erregung.“
Mendoza geht in seinem Roman sogar noch weiter und sagt im letzten Satz, dass es mit Barcelona ohne Bouvila nur noch bergab ging/gehen konnte:
„Später, als man Geschichte schrieb, war man der Ansicht, in dem Jahr, in dem Onofre Bouvila aus Barcelona verschwand, sei die Stadt in offene Dekadenz verfallen.“ Und Bouvila war, als er aus Barcelona verschwand, sogar wie vom Erdboden verschwunden, also ohne Barcelona gar nicht mehr vorhanden.

Mendoza kann erzählen und beschreiben und glänzt immer wieder mit reizvollen oder auch skurrilen Details. So gleich am Anfang, wenn er kurz die Stadtgeschichte erzählt:
„A los fenicios siguieron los griegos y los layetanos. Los primeros dejaron de su paso residuos artesanales; a los segundos debemos dos rasgos distintivos de la raza, según los etnólogos: la tendencia de los catalanes a ladear la cabeza hacia la izquierda cuando hacen como que escuchan y la propensión de los hombres a criar pelos largos en los orificios nasales.“
„Nach den Phöniziern kamen die Griechen und die Layetaner. Jene hinterließen Reste handwerklicher Tätigkeit; diesen verdanken wir, wenn man den Ethnologen glauben darf, zwei typische Charakterzüge unserer Rasse: die Tendenz der Katalanen, den Kopf nach links zu neigen, wenn sie so tun, als hörten sie zu, und den Hang der Männer, in den Nasenlöchern lange Haare sprießen zu lassen.“

Was Mendoza – zumindest in diesem Roman und zumindest nach meiner Meinung – nicht kann oder nicht zeigen möchte, ist, Spannungsbögen und wirkliches Interesse an den Romancharakteren aufzubauen. Alles ist irgendwie auf der gleichen Ebene, wird irgendwie gleichartig-wortreich erzählt und berührt einen/mich letztlich wenig. Das Leben und Sterben, Erleben und Erleiden löst nichts aus, keine Sympathie, Freude, Trauer, Erleichterung. Vielleicht mit Absicht? Als Kritik an der damaligen oder heutigen Zeit?

Der Roman ist gut genug, um mich erfolgreich (aber etwas ermattet) die Seite 503 in der deutschen Übersetzung erreichen zu lassen. Er rechtfertigt nicht die großen Worte, die über ihn verloren werden. Dies sehen andere Leser (die nicht Literaturkritiker sind) anscheinend ähnlich. So schreibt ein Rezensent in einem Blog: „(…) reconozco que sí, que esta es una señora novela, aunque también tengo que decir que personalmente no me ha maravillado hasta el punto de considerarla una obra maestra.“ Oder auch: „‚La ciudad de los prodigios‘ (…) me parecía un poco aburrido y previsible.“

Aber lesen, gerade wenn man Barcelona mag, kann man ihn schon. Daher ja auch der Premio Ciudad de Barcelona.

Die Dichtungen des Kallimachos. Übertragen, eingeleitet, erklärt von Ernst Howald und Emil Staiger

Mit diesem griechisch-sprachigen Autoren kann man heute nun wirklich niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Kallimachos. Kenne ich nicht. Oder wenn ich schon von ihm gehört haben sollte: Verstaubt, kryptisch, abstrus. Ohnehin und bestimmt zurecht schon lange, lange tot.

Lange tot ist richtig: Kallimachos lebte im vierten und dritten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Geboren wurde er in Kyrene im heutigen Libyen, gelebt und gestorben ist er im ägyptischen Alexandria, gesprochen und geschrieben hat er in griechisch.

Für das westliche Abendland ist er wichtig, denn er arbeitete unter zwei ptolemäischen Pharaonen in Alexandria an der berühmten Bibliothek. Sein Hauptwerk (nur Fragmente noch vorhanden): der 120-bändige Autorenkatalog jeweils mit Kurzbiographie und Werkverzeichnis, der erste „wissenschaftliche“ Bibliothekskatalog. Ohne ihn wären viele antike Autoren wahrscheinlich nicht überliefert worden. Und ohne diese Autoren hätte sich das Abendland wahrscheinlich sehr anders entwickelt. Abgesehen davon, dass er selbst mit seinen Werken eine lange Reihe von Dichtern – beginnend mit Catull, Properz – sehr stark beeinflusst hat.

Pech hatte er: Eigentlich war er prädestiniert, Bibliotheksdirektor zu werden, aber wahrscheinlich wurde ihm sein Schüler vorgezogen. Um ein Haar wäre er selbst dem Vergessen anheimgefallen, den nur jeweils eine einzige mittelalterliche Handschrift hat zwei seiner Werke überliefert. Hinzugekommen sind zum Glück dann noch etliche Papyri mit Fragmenten auch anderer Werke.
P.Oxy. XI 1362

Der Dichter Kallimachos steht für kurze Werke. Er war immer gegen lange Epen in der homerischen Tradition. In seinen Worten: „μέγα βιβλίον μέγα κακόν – großes Buch, großes Übel“. Er steht für Sorgfalt und Eleganz beim Schreiben, für umfassende Gelehrtheit ohne Detail-Pedanterie, für Ironie und Witz und Parodie, für subtile Anspielungen im Kreis seiner Kollegen an der Bibliothek.

Aus meiner Sicht am leichtesten zugänglich sind seine sechs Götterhymnen, die auch am besten überliefert sind. Sie stehen in der Tradition Homers, dem auch einige Hymnen zugeschrieben wurden, aber sie sind in ihrem Charakter zutiefst hellenistisch-zeitgenössisch. Für mich dabei der Renner die Nummer 5, der Hymnus auf das Bad der Pallas. Unmittelbar packend, unterhaltsam, formvollendet, inklusive der Geschichte des Sehers Teiresias, der von Athena seines Augenlichts beraubt wird, da er sie nackt beim Bad sieht. Amüsanter die Nummer 3 auf Artemis, die als Baby auf dem Schoss ihres Vaters Zeus ihn komplett um den Finger wickelt.

Als Zitat etwas für die heutigen Manager aus der Nummer 1 auf Zeus:
„ἑσπέριος κεῖνός γε τελεῖ τά κεν ἦρι νοήσῃ,
ἑσπέριος τὰ μέγιστα, τὰ μείονα δ‘, εὖτε νοήσῃ.
οἳ δὲ τὰ μὲν πλειῶνι, τὰ δ‘ οὐχ ἑνί, τῶν δ‘ ἀπὸ πάμπαν
αὐτὸς ἄνην ἐκόλουσας, ἐνέκλασσας δὲ μενοινήν.“

„Abends führt er zu Ende, was er am Morgen bedachte,
Nur das Schwerste am Abend, das Leichtre, sobald er’s bedachte.
Andre brauchen ein Jahr und mehr, ja gänzlich verhinderst
Du Vollendung des öftern und brichst auseinander ihr Planen.“

Die Ausgabe von Howald und Staiger von 1955 ist  sehr zu empfehlen vor allem wegen der guten und lesbaren Erläuterungen, aber auch wegen der gelungenen, wenn auch altertümlichen Übersetzung im Versmaß.