Dandy Gilver & The Reek of Red Herrings. Catriona McPherson

Dandy Gilver hat es dieses Mal besonders schwer. Dieser englische Krimi geht ganz ins Gruselige, ja Makabre. Dazu trägt der Ort der Handlung bei: Windumtoste, graue, kalte schottische Küste. Die Handlung allerdings noch mehr: Es gibt zwei Herren, die auf das Ausstopfen von Tieren spezialisiert sind. Es gibt abergläubische Traditionen, die den Schrecken Ertrunkener von den Lebenden fernhalten sollen – aber niemand scheint sich zu fürchten, obwohl angeblich ein Mann ertrunken ist.

Außerdem beginnt die Detektivgeschichte mit einem Hering-Fass, in welchem menschliche Überreste entdeckt worden sind.

Leseprobe: „Five strangers. Five strangers in this tiny town, with no tea-room, no public house, no reason for strangers to be there at all. And only that one, the young chap who called himself an artist´s model, with the slightest hint of a purpose in coming.“

Dandy Gilver und ihr Partner Alec Osborne lösen in diesem spannenden Krimi einen ganz besonders harten Fall. Der die beiden übrigens am Ende selbst zweifeln läßt, ob sie sich korrekt genug verhalten haben.

„The Reek of Red Herrings“ ist wieder einmal ein ganz ausgezeichneter Krimi von Catriona McPherson.

Zu unseren Krimi-Seiten geht es auf dieser Einstiegsseite und all unsere Leseempfehlungen zu Detektiv-Geschichten finden sich in der Rubrik Krimi.

Táin Bó Cúailnge from the Book of Leinster. Herausgegeben von Cecile O’Rahilly

Frühe irische Literatur ist wahrscheinlich auf der Popularitätsliste in Deutschland auf keinem Spitzenplatz zu finden. Das macht sie aber nicht unbedeutend, geht sie doch auf sehr alte mündliche Überlieferungen zurück und ist die erste europäische Literatur in Landessprache seit dem römischen Reich.
In dieser frühen irischen Literatur wiederum steht „Táin Bó Cúalnge“, auf deutsch „Der Rinderraub von Cooley“, ganz weit vorn.

Worum geht’s?
Der Klappentext fasst den Inhalt recht gut zusammen: „The Táin Bó Cuailnge, centre-piece of the eighth-century Ulster cycle of heroic tales, is Ireland’s greatest epic. It tells the story of a great cattle-raid, the invasion of Ulster by the armies of Medb and Ailill, queen and king of Connacht, and their allies, seeking to carry off the great Brown Bull of Cuailnge. The hero of the tale is Cuchulainn, the Hound of Ulster, who resists the invaders single-handed while Ulster’s warriors lie sick.“

Und warum ist das interessant?
Weil eine Welt dargestellt wird, die gut zu der in den homerischen Epen passt oder zu der in einigen heutigen nordafrikanischen Ländern, in denen der Besitz von Rindern, Rinderdiebstähle, Ehre und Krieg eine zentrale Rolle spielen. Rinder standen an der Spitze der Eigentumspyramide, vor Schweinen, Pferden, Schafen, Schmuck und Kleidung, zuletzt Gebrauchsgüter wie Geschirr. Weil viele Elemente dargestellt werden, die sehr gut das Bild ergänzen, das römische Schriftsteller um Christi Geburt von den Kelten gezeichnet haben. Weil die Sage einer offensichtlich  nicht christlichen Gesellschaft von irischen Mönchen rezipiert, verändert und aufgeschrieben wird. Wahrscheinlich auch, weil der Text zumindest in einer Rezension, der des  Buchs von Leinster – literarisch echte Qualitäten hat.

Wie muss man sich das vorstellen? Schon recht wild und sehr fremd und sehr gewaltsam, aber auch poetisch.  Hier ein Beispiel:
Is and sin cétríastarda im Choin Culaind co nderna úathbásach n-ilrechtach n-ingantach n-anachnid de. Crithnaigset a chairíni imbi immar chrand re sruth nó immar bocsimind ri sruth cach ball & cach n-alt & cach n-inn & cach n-áge de ó mulluch co talmain. Ro lá sáebchless díbirge dia churp i mmedón a chracaind. Táncatar a thraigthe & a luirgne & a glúne co mbátar dá éis. Táncatar a sala & a orccni & a escata co mbátar riam remi. Táncatar tullféthi a orcan co mbátar for tul a lurggan comba méitithir muldorn míled cech meccon dermár díbide. Srengtha tollféithe a mullaig co mbátar for cóich a muneóil combá métithir cend meic mís cach mulchnoc dímór dírím dírecra dímesraigthe díbide.“
Schon sehr anders als andere europäische Sprachen…. Auf Englisch:
„Then his first distortion came upon Cú Chulainn so that he became horrible, many-shaped, strange and unrecognisable. His haunches shook about him like a tree in a current or a bulrush against a stream, every limb and every joint, every end and every member of him from head to foot. He performed a wild feat of contortion with his body inside his skin. His feet and his shins and his knees came to the back; his heels and his calves and his hams came to the front. The sinews of his calves came on the front of his shins and each huge, round knot of them was as big as a warrior’s fist. The sinews of his head were stretched to the nape of the his neck and every huge, immeasurable, vast, incalculable round ball of them was as big as the head of a month-old child.“

Dem irischen Mönch, der die Sage aufgeschrieben hat, war die Sache nicht ganz geheuer. Zwar lautet der vorletzte Absatz auf Irisch: „A blessing on every one who shall faithfully memorise the Táin as it is written here and shall not add any other form to it.“ Aber dann weiter auf Latein: „But I who have written this story, or rather this fable, give no credence to the various incidents related in it. For some things in it are the deceptions of demons, others poetic figments; some are probable, others improbable; while still others are intended for the delectation of foolish men.“

Die in jeder Weise ausgezeichnete Ausgabe mit Originaltext und Übersetzung von Cecile O’Rahilly ist problemlos antiquarisch zu bekommen. Noch einfacher zu erhalten sind die Übersetzung einer anderen, früheren Fassung der Táin von Thomas Kinsella und eine Art originalnahe Nacherzählung von Ciaran Carson. In Deutsch findet sich leider nur eine Übersetzung von Ernst Windisch von 1905, und nach der muss man eine ganze Weile suchen.

 


 

Elizabeth Bowen – Portrait of a Writer, Victoria Glendinning

Elizabeth Bowen, eine der bekanntesten anglo-irischen Schriftstellerinnen, ist heute außerhalb Großbritanniens kaum bekannt. Auch heute noch interessant ist ihr familiärer Hintergrund: geboren 1899 in eine Familie des irischen Landadels, die ihre Wurzeln in England hatte und von dort unter Cromwell ausgewandert war.

Bowen selbst sagte über sich selbst, sie sei die letzte Vertreterin der Anglo-Iren, die noch authentisch vom Leben zwischen den beiden Kulturen berichten können.

Als Schriftstellerin war Bowen sehr erfolgreich. Ihre Romane und Erzählungen werden mit der Literatur Virginia Woolfs und Jane Austens verglichen.

Wie gestaltet Victoria Glendinning die Biografie? Sie erzählt linear, das Innenleben Bowens kommt kaum vor, ihre Bedeutung als Schriftstellerin – trotz des Untertitels – ebenfalls eher am Rande. Dennoch wird die ungewöhnliche Persönlichkeit Bowens deutlich. Dies gelingt Glendinning durch Anekdoten aus dem Alltag der Schriftstellerin. Glendinning veröffentlichte außerdem Biographien über  Edith Sitwell, Vita Sackville-West, Rebecca West, Leonard Woolf, Anthony Trollope, Stamford Raffles und Jonathan Swift. Die vorliegende ist bestimmt nicht ihre beste.

Leser und Leserinnen, die sich für irische Geschichte interessieren, wird der Roman Bowens „The Last September“ gefallen. Hier beschreibt Bowen das Leben der anglo-irischen Oberschicht in Irland, ihre Feste zusammen mit den Offizieren der englischen Truppen, ihr Zusammenleben mit irischen Nachbarn und Bediensteten. Erzählte Zeit ist der Sommer von 1920, in dem der irische Unabhängigkeitskrieg  eskalierte. An seinem Ende waren viele der repräsentativen Herrenhäuser von protestantischen anglo-irischen Familien ausgebrannte Ruinen.

Mein persönliches Lieblingsbuch von Bowen ist „The Little Girls“, eines des letzten Bücher Bowens. Hierin versuchen drei Frauen, alle haben die 50 überschritten, an ihre Kindheit anzuknüpfen. Ein Buch, das „Identität“ und „Erinnerung“ auf ihre Bedeutung abklopft. Als Mädchen haben die drei Hauptfiguren jede einen Gegenstand in eine Kiste gelegt. Nur das Mädchen selbst wußte, was für ein gegenstand dies war. gemeinsam haben sie dann die Kiste vergraben. Was ist mit ihr passiert? Die Klärung dieser Frage treibt die Handlung voran.

Playback. Raymond Chandler

Verlässliche Krimis – Raymond Chandler mit Private Eye Philip Marlowe. Das weiß man aus den Verfilmungen mit Humphrey Bogart in der Rolle des Detektivs. Und die zugrunde liegenden Bücher bestätigen den Eindruck.

Keine schöne Welt, die Raymond Chandler beschreibt im schönen Kalifornien. Viel Alkohol, viel Gewalt, die Polizei korrupt, die Reichen und Mächtigen über dem Gesetz, verbaler Schlagabtausch statt Gespräche, Liebe beschränkt auf das Körperliche, die Anständigen sterben zuerst.

„Playback“ ist der letzte Philip Marlowe. Chandler hat ihn 1958 geschrieben.

Er passt sehr gut in die Reihe der sogenannten „hard-boiled“ Krimis mit ihrer Brutalität, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit:
„He had stood by the sink in his kitchen and knotted the rubber tube around his arm, then clenched his fist to make the vein stand out, then shot a syringe full of morphine sulphate into his blood stream. (…) Then he had laid the syringe down and released the knotted tube. It wouldn’t be long, not a shot directly into the blood stream. The he had gone out to his privy and stood on the seat and knotted the wire around his throat. By that time he would be dizzy. He could stand there and wait until his knees went slack and the weight of his body took care of the rest. He would know nothing. He would already be asleep.
I closed the door on him. I didn’t go back into the house. As I went along the side towards Polton’s Lane, that handsome residential street, the parrot inside the shack heard me and screeched ‚Quién es? Quién es? Quién es?‘
Who is it? Nobody, friend. Just a footfall in the night.
I walked softly, going away.“

Zugleich hat er aber überraschende, versöhnliche, sogar optimistische Töne, die in den anderen Romanen fast völlig fehlen:
„‚How can such a hard man be so gentle?‘ she asked wonderingly.
‚If I wasn’t hard, I wouldn’t be alive. If I couldn’t ever be gentle, I wouldn’t deserve to be alive.'“

Und ein Happy End?

Gelesen habe ich eine Penguin Ausgabe von 1963. Er ist unter demselben Titel auch in deutsch zu bekommen, nicht nur antiquarisch.

 

The pale horse. Agatha Christie

Eigentlich eine Angelegenheit von Pfarrern: to hatch, to match and to despatch. Mindestens bei Nummer 3 dieser Aufzählung weiß auch Agatha Christie, worauf es ankommt:
„The fog was coming on fast. Father Gorman quickened his steps. He knew his district well. He took a shortcut by turning down the small street which ran close by the railway. He may have been conscious of steps behind him but he thought nothing of them. Why should he?
The blow from the cosh caught him completely unaware. He heeled forward and fell.“

„The pale horse“ ist typisch unter den vielen richtig guten Agatha Christie-Romanen mit exzellentem Plot, elegantem Spannungsaufbau, überzeugenden Charakteren. Für viele Jane Marple- und Hercule Poirot-geschulte deutsche Leser und/oder Filmgucker ist er aber auch irritierend-anregend: Das London der 60er mit Teddies und Coffee Bars, Polyester-Kleidung und wilder Musik. Und als Detektive: Mark Easterbrook und Ginger Corrigan. Komplett wird die Mischung durch Macbeth und Hexen, Marktforschungsinstitut und zwielichtigen Kunstliebhaber. Kein Krimi für schwache Nerven.
Vielleicht hätte der Krimi mehr Verdächtige verdient gehabt. Aber da beklagt man sich auf sehr hohem Niveau.

Bei einigen meiner Krimi-Besprechungen habe ich versucht, einschlägige Kommentare zu unterschiedlichen Berufsgruppen herauszustellen. In diesem Krimi ist etwas für die normalerweise vernachlässigte Berufsgruppe der Controller dabei:
„‚Will computers take the place of men eventually?‘  ‚Of men, yes. Men who are only units of manpower – that is. But Man, no. There has to be Man the Controller, Man the Thinker, who works out the questions to ask the machines.‘ I shook my head doubtfully.“

Ebenfalls nicht zu verachten die Kurzcharakteristika der handelnden Personen: Da gibt es „a dazzling but dizzy female“ und das Vikar-Ehepaar: „a charming elderly scholar, he understood forgiveness and retribution but not evil“„Her self-appointed duty was to arrange and classify sins for her husband – evil was her department.“

Gelesen habe ich eine amerikanische Taschenbuchausgabe. In deutsch ist er unter dem Titel „Das fahle Pferd“ erschienen und – das hätte ich nicht gedacht – nur antiquarisch zu bekommen! Sehr gelungen auch die Verfilmung  unter dem Originalnamen von 1997 mit Colin Buchanan in der Hauptrolle.

Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Thukydides

Neben aller Sekundärliteratur macht es immer wieder Spaß, einige Quellen unmittelbar zu lesen. Für historisch Interessierte setzt die Geschichte des Peloponnesischen Krieges von Thukydides (460-397 v.Chr.) dabei einen Maßstab der Geschichtsschreibung, der vorher nie und auch später nicht oft erreicht wurde. Für alle ist er ein Geschichtsschreiber, der mit aller methodischen Akribie immer wieder höchst spannend und fesselnd, mit ausgezeichnetem Gespür für die relevanten Machtfaktoren einen Konflikt nachzeichnet, zu dem sich leicht Parallelen in der heutigen Zeit finden lassen.

Thukydides geht es in seiner Beschreibung des Kriegs zwischen Athen (in Koalition mit dem Attischen Seebund) und Sparta (ebenfalls mit zahlreichen Verbündeten) neben der eigentlichen historischen Arbeit am von ihm selbst miterlebten Krieg vor allem um zwei Ziele. Zum Einen distanziert er sich von seinem berühmten Vorfahren Herodot, den er für naiv, subjektiv, zu wenig interessiert an der historischen Wahrheit hält. Zum Anderen versucht er nachzuweisen, dass der Peloponnesische Krieg größer und bedeutender war als alle Vorhergehenden, insbesondere die vom genannten Herodot beschriebenen Perserkriege. Diese Ziele verfolgt er so konsequent, dass zumindest beim Nachweis der Bedeutung des Kriegs auch die Wahrheit ein wenig leidet. Denn zumindest die Perserkriege waren in ihrer Dimension wahrscheinlich größer. Otto Lendle, ein Althistoriker, schrieb zur Situation, in der Thukydides seine Arbeit begann: „damals waren nämlich plötzlich die Perserkriege in aller Munde – dank Herodot, dessen Werk sich inzwischen verbreitete und die glorreiche Erinnerung an den heroischen Abwehrkampf der Griechen gegen die persische Invasion wieder hatte lebendig werden lassen. Gemessen an den dramatischen Vorgängen ein Menschenalter früher, als das Schicksal Griechenlands wahrhaftig auf Messers Schneide stand, konnte der (peloponnesische) Krieg (…) in der Tat als ein Ereignis zweiten Ranges erscheinen. Diese allgemeine Einschätzung bedeutete für Thukydides natürlich eine schwere Belastung. Es blieb ihm al Schriftsteller gar keine andere Möglichkeit, als im Interesse seines Gegenstandes gegen Herodot, den Mann der Stunde, und sein alles überstrahlendes Hauptthema, die Perserkriege, anzutreten (…).“

Sollte dieser Abgrenzungsversuch gegen Herodot die völlig neuartige, geradezu modernen methodische Qualität von Thukydides mit ihrem Fokus auf der historischen Wahrheit und auf den Beweggründen der Akteure hervorgebracht haben, so hat er sich gelohnt. Ein Zitat aus dem sogenannten Methodenkapitel: „Καὶ ὅσα μὲν λόγῳ εἶπον ἕκαστοι ἢ μέλλοντες πολεμήσειν ἢ ἐν αὐτῷ ἤδη ὄντες, χαλεπὸν τὴν ἀκρίβειαν αὐτὴν τῶν λεχθέντων διαμνημονεῦσαι ἦν ἐμοί τε ὧν αὐτὸς ἤκουσα καὶ τοῖς ἄλλοθέν ποθεν ἐμοὶ ἀπαγγέλλουσιν· ὡς δ‘ ἂν ἐδόκουν ἐμοὶ ἕκαστοι περὶ τῶν αἰεὶ παρόντων τὰ δέοντα μάλιστ‘ εἰπεῖν, ἐχομένῳ ὅτι ἐγγύτατα τῆς ξυμπάσης γνώμης τῶν ἀληθῶς λεχθέντων, οὕτως εἴρηται. τὰ δ‘ ἔργα τῶν πραχθέντων ἐν τῷ πολέμῳ οὐκ ἐκ τοῦ παρατυχόντος πυνθανόμενος ἠξίωσα γράφειν, οὐδ‘ ὡς ἐμοὶ ἐδόκει, ἀλλ‘ οἷς τε αὐτὸς παρῆν καὶ παρὰ τῶν ἄλλων ὅσον δυνατὸν ἀκριβείᾳ περὶ ἑκάστου ἐπεξελθών. ἐπιπόνως δὲ ηὑρίσκετο, διότι οἱ παρόντες τοῖς ἔργοις ἑκάστοις οὐ ταὐτὰ περὶ τῶν αὐτῶν ἔλεγον, ἀλλ‘ ὡς ἑκατέρων τις εὐνοίας ἢ μνήμης ἔχοι. καὶ ἐς μὲν ἀκρόασιν ἴσως τὸ μὴ μυθῶδες αὐτῶν ἀτερπέστερον φανεῖται· ὅσοι δὲ βουλήσονται τῶν τε γενομένων τὸ σαφὲς σκοπεῖν καὶ τῶν μελλόντων ποτὲ αὖθις κατὰ τὸ ἀνθρώπινον τοιούτων καὶ παραπλησίων ἔσεσθαι, ὠφέλιμα κρίνειν αὐτὰ ἀρκούντως ἕξει. κτῆμά τε ἐς αἰεὶ μᾶλλον ἢ ἀγώνισμα ἐς τὸ παραχρῆμα ἀκούειν ξύγκειται.“
Auf deutsch in der Übersetzung von Landmann:
„Was nun in Reden hüben und drüben vorgebracht wurde, während sie sich zum Krieg anschickten, und als sie schon drin waren, davon die wörtliche Genauigkeit wiederzugeben war schwierig sowohl für mich, wo ich selber zuhörte, wie auch für meine Gewährsleute von anderwärts; nur wie meiner Meinung nach ein jeder in seiner Lage etwa sprechen mußte, so stehn die Reden da, in möglichst engem Anschluß an den Gesamtsinn des in Wirklichkeit Gesagten. Was aber tatsächlich geschah in dem Kriege, erlaubte ich mir nicht nach Auskünften der ersten besten aufzuschreiben, auch nicht ’nach meinem Dafürhalten‘, sondern bin Selbsterlebtem und Nachrichten von andern mit aller erreichbaren Genauigkeit bis ins einzelne nachgegangen. Mühsam war diese Forschung, weil die Zeugen der einzelnen Ereignisse nicht dasselbe über dasselbe aussagten, sondern je nach Gunst oder Gedächtnis. Zum Zuhören wird vielleicht diese undichterische Darstellung minder ergötzlich scheinen; wer aber das Gewesene klar erkennen will und damit auch das Künftige, das wieder einmal, nach der menschlichen Natur, gleich oder ähnlich sein wird, der mag sie so für nützlich halten, und das soll mir genug sein: zum dauernden Besitz, nicht als Prunkstück fürs einmalige Hören ist sie verfaßt.“

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Gelesen habe ich in der Ausgabe von Duker, die 1731 bei Wetsten und Smith erschienen ist. Neuere Ausgaben sind natürlich zu haben.

A history of Christianity: The first three thousand years. Diarmaid MacCulloch

Sollte irgendjemand sich gefragt haben, warum es in der letzten Zeit so wenige Beiträge von mir gibt, hier ist die Antwort: Ich habe mir etwas Monumentales gegönnt und mich an die Geschichte des Christentums gewagt – immerhin deutlich mehr als 1000 Seiten.

Damit ist auch bereits Wesentliches über das Buch gesagt: Rechnerisch entfallen mehr als drei Jahre auf jede Seite für die weltweite Geschichte des Christentums. Alles ist recht dicht gedrängt, auch der Schriftsatz…. Allerdings muss man auch gleich hinzufügen, nichts Vergleichbares und schon gar nichts vergleichbar Gutes gibt es aktuell in nur einem einzigen Band, weder in englischer noch in deutscher Sprache.

Mit dem kürzlich von mir besprochenen Tim Blanning, der sich ebenfalls nicht scheut, unübersehbare Themen anzugehen, kann Diarmaid MacCulloch allerdings nicht ganz mithalten. MacCulloch, Kirchenhistoriker an der Universität Oxford, beherrscht das Thema. Er schreibt gut, auch mitunter bissig-humorvoll. Vor allem bewahrt er bei aller Expertise eine sehr gesunde Distanz zu seinem Thema (er bezeichnet sich selbst lediglich als wohlwollenden Unterstützer des Christentums, obwohl oder weil er aus einer englischen Pastorenfamilie stammt). Allerdings ist er nicht ganz so elegant im Herausarbeiten der großen Linien bei gleichzeitigem Herausgreifen einschlägiger Details, nicht so homogen wie Blanning. Vielleicht ist damit die Latte aber auch wirklich extrem, also unangemessen hoch gelegt. Auch ist die Geschichte des Christentum schon ein wenig unhandlich….

Empfehlenswert ist das Buch jedenfalls für jeden, dem dieses Thema wichtig ist. Dies allein schon deshalb, weil MacCulloch sehr gut die vielen verschiedenen Gesteinsformationen und Schichten, die zahllosen Brüche und Verwerfungen darstellt, die die Entwicklung des Christentums ausmachen und dazu beitragen, dass es wahrlich kein Monolith ist – vielleicht noch nicht einmal damals, als Christus seine Kirche auf den Fels Petrus gebaut hat. Ein weiterer Grund zum Lesen: MacCulloch fokussiert nicht nur auf die westliche christliche Kirche, sondern gibt auch den anderen Kirchen recht ausbalanciert ihren Raum.

Eine Leseprobe über Säulenheilige in Syrien:
„Over the next seven centuries, around 120 people imitated Simeon’s initiative in Syria and Asia Minor. They were like living ladders to Heaven, and even if hermits, they were far from remote. St Simeon himself had chosen one of the most elevated sites in his portion of northern Syria next to a major raod, dominating the view for scores of miles, and preaching twice a day. Stylites often became Major players in Church politics, shouting down their theological pronouncements from their little elevated balconies to the expectant crowds below, or giving personalized advice to those favoured enough to climb the ladder and join them on their platform. There was little love lost between some rival pillars of different theological persuasions. Simeon the younger Stylite (521-97) is rather implausibly said to have insisted on spending his infancy on a junior pillar, but there is no doubt that he eventually graduated to a full-scale pillar near Antioch (…).“

Solche pointierten Passagen finden sich immer wieder. Wer zum Beispiel wissen möchte, wie es gekommen ist, dass aus Buddha ein christlicher Heiliger wurde, sollte nicht zögern, es nachzulesen!

Bisher bis zur Hälfte gelesen (ich werde weiterlesen!) habe ich die englische Taschenbuchausgabe bei Penguin von 2009. Auch zu empfehlen ist die DVD-Reihe zur Geschichte des Christentums, die parallel zum Buch erschienen ist.
Wenn ich es durchgelesen habe, schreibe ich den Folgebeitrag!

 

 

 

 

Japanische Gärten: Kyoto Gardens. Judith Clancy

Das Buch ist der Glücksfall für Reisende auf dem Weg nach Japan, die sich für Tee-Gärten und Zen-Gärten oder generell für japanische Gärten interessieren: klein, handlich, mit Stadtplan, Fotos und Kurzbeschreibungen. Und festem Einband. Dieses Buch „Kyoto Gardens – Masterworks of the Japanese Gardener´s Art“ von , Judith Clancy und Ben Simmons, passt in jeden Koffer.

Zum Inhalt: Die wichtigsten Gärten in Kyoto werden einzeln beschrieben. Die Unterschiede in der Gartengestaltung durch die Jahrhunderte werden von der Autorin verdeutlicht, ebenso auch die wesentlichen Garten-Typen wie: Tee-Gärten und Zen-Gärten (häufig Trockengärten), Kaiser-Gärten, Paradies-Gärten und Wandelgärten.

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Zur Form: Die Kombination von beschreibendem Text und sehr schönen Fotos gibt einen guten Eindruck von den Gärten. Den einzelnen Beschreibungen der Gärten ist eine kurze knappe Einführung in das Thema „Japanische Gärten“ vorangestellt.  Aufgeteilt ist die Fülle der Gärten in vier geografische Teile des Stadtgebiets. Für jeden dieser Teile erleichtert ein Stadtplan, in den die Gärten eingezeichnet sind, einen guten Überblick.

Kyoto hat als alte Hauptstadt  von Japan (von 794 bis 1868 Sitz des kaiserlichen Hofes) eine sehr große Anzahl von Gärten. Viele von ihnen liegen in weitläufigen Kloster-Komplexen und sind dort Teil eines Untertempels. So kann man durchaus zwei Wochen lang Gärten in Kyoto besichtigen, ohne danach alle Gärten gesehen zu haben.

Das Buch ist meine dringende Empfehlung für kulturell interessierte Reisende nach Kyoto. Eine Entschuldigung, das Buch nicht im Gepäck zu haben, gibt es eigentlich nicht.

Death on the Cherwell. Marvis Doriel Hay

„Death on the Cherwell“ ist eine Detektiv-Geschichte, die in Oxford spielt. Als eine Leiche in einem Boot den Fluß heruntertreibt, ist die Polizei überzeugt, ein Studentenstreich ist schlecht ausgegangen. Aber ein ganzer Trupp von Studentinnen eines Frauen-Colleges schwingt sich auf, Detektiv-Arbeit zu leisten, um zu zeigen , dass sie es besser wissen.

Leseprobe: „For Miss Cordell, principal of Persephone College, there are two great evils to be feared: unladylike behaviour among her students, and bad publicity for the college. So her prim and cosy world is turned upside down when a secret society of undergraduates meet by the river on a gloomy January afternoon, only to find the drowned body of the college bursar floating in her canoe.“

Die Autorin Marvis Doriel Hay lebte von 1894 bis 1979. Sie war eine Schriftstellerin, die an St Hilda’s College in Oxford studierte, zur etwa der gleichen Zeit, zu der Dorothy L. Sayers dort am Somerville College eingeschrieben war.

Sie veröffentlichte drei Detektiv-Romane: ‚Murder Underground‘ (1934), ‚Death on the Cherwell‘ (1935) und ‚The Santa Klaus Murder‘ (1936). Alle drei Titel waren sehr erfolgreich. Hay war außerdem eine Expertin für ländliche Handarbeiten und schrieb unter anderen Büchern „Rural Industries of England and Wales“.

Erschienen 1935, zu einer Zeit, in der es erst zwei Colleges für Frauen in Oxford gab, ist „Death on the Cherwell“ eine der ersten Detektiv-Geschichten mit einer kompletten Handlung in Oxford. Das Genre des Oxford-Krimis, das auch heute noch aktuell ist, hat er damit begründen helfen. Es ist ein Krimi, der sich mit viel Vergnügen lesen lässt. Neu aufgelegt wurde er 2014 in der British Library Crime Classics.

Weitere ungewöhnliche Krimis finden sich hier und in unserer Krimi-Rubrik.

Pigs have wings. P.G. Wodehouse

Heute ein Beitrag für ein leichteres, letztlich ideales Buch für sonniges Wetter im Mai und ein ruhiges Wochenende im Liegestuhl im Garten mit einem Glas Pimm’s und frischen Erdbeeren.

P.G. Wodehouse ist ein echter Klassiker der englischen Literatur des 20. Jahrhunderts: Kaum ein Engländer, der liest, hat nicht wenigsten einen seiner Romane gelesen. Der englische Guardian listet eines seiner Bücher unter den 100 besten englischen Romanen auf. Seine Bücher werden regelmäßig neu aufgelegt, als Hörbuch vertont und verfilmt. Die Wodehouse-Website zeugt von echten Fans.

Für einen Autoren der humoristischen Literatur, der eigentlich nie von seinem einen Erfolgsrezept abgewichen ist und daraus mehr als 90 Bücher gemacht hat, ein echter Erfolg. Und dass der Name Jeeves, so heißt ein Butler in vielen seiner Romane, zum Synonym für alle Butler geworden ist, zählt auch dazu.

Wodehouses Romane unterteilen sich in zwei wesentliche Zyklen: Jeeves und Bertie Wooster einerseits, andererseits Blandings Castle. Zu letzterem Zyklus gehört „Pigs have wings“, erschienen 1952 als achter Titel. Wie immer in den Blandings-Büchern geht es spezifisch um Schweine und Hochstapler. Wie immer in allen seinen Romane steht das Grundmuster, das der Manchester Guardian einmal beschrieb: „(…) Nothing is changed; there are still the resourceful butlers, the jokes like captions from silent film comedies, the elaborate mock-heroics, the astute quotation-mongering, the suspense mechanisms so frankly displayed onstage, the love affair to be promoted, the piece of skulduggery to be foiled. Nothing needs to change.“

Obwohl Wodehouses Romane in deutlich gehobeneren gesellschaftlichen Sphären spielen, haben sie etwas außerordentlich Egalitäres: Butler sind letztlich auf Augenhöhe mit Earls, Tanten dominieren alle männlichen Mitglieder der Familie, Barfrauen heiraten in den Adel….

Als Leseprobe eine Partie aus der Mitte des Romans:
„Sir Gregory stood staring, the smoked salmon frozen on its fork. It is always disconcerting when an unexpected guest arrives at dinner time, and particularly so when such a guest is a spectre from the dead past. The historic instance, of course, of this sort of thing is the occasion when the ghost of Banquo dropped in to take pot luck with Macbeth. It gave Macbeth a start, and it was plain from Sir Gregory’s demeanour that he also had had one. ‚What? What? What? What? What?‘ he gasped, for he was a confirmed what-whatter in times of emotion.“

Gelesen habe ich eine englischsprachige Penguin-Ausgabe von 1961. Es gibt antiquarisch eine deutschsprachige Ausgabe unter dem nicht unpassenden Titel „Schwein oder Nichtschwein“ und neu sogar das relevante Hörbuch.