Tongues. Mícheál Ó Siadhail

Seinen frühen Gedichtband „Springnight“ habe ich schon vorher besprochen. Diese Gedichte über Sprache sind auf einem ganz anderen sprachlichen und poetischen Niveau.

Sprache hat für Ó Siadhail eine außerordentlich große Bedeutung: Bevor er Vollzeit-Dichter wurde, hat er als Linguist am Trinity College und am Dublin Institute of Advanced Studies gearbeitet. Er ist extrem polyglott und hat immer gerne in seiner Freizeit neue, gerne auch obskure, Sprachen gelernt. Worte sind für ihn „birds of paradise“.

Vielleicht in der Tradition hellenistischer Lehrgedichte hat er 2010 den Gedichtband „Tongues“ veröffentlicht. In seinem ausgezeichneten Vorwort gibt er einen Einblick in seine Faszination für Sprache. „As a poet I’m utterly intrigued by the rampant imagination of human beings. (…) Languages have infinite ways of looking at one thing. (…) to take an example of an idiom in English, it rains ‚cats and dogs‘ but in French it’s strings (de cordes), in Irish ‚a cobbler’s knives‘ (sceanna gréasaí) and in Welsh ‚old women and sticks‘ (hen wragedd a fyn). There’s just four ways of looking at rain. But of course it’s endless.“

Ungewohnt, aber letztlich überzeugend die Themengruppierungen in diesem Gedichtband: „Wonder“, „Word“, „Grammar“ mit Gedichten unter Titeln wie „Subjunctive“ oder „Pluperfect“, „Under the sign“ mit Gedichten zu japanischen Schriftzeichen, „Adages“ mit Gedichten zu Sprichwörtern in verschiedenen Sprachen und zuletzt „Gratitude“.

Das klingt vielleicht gelehrt und etwas spröde, ist aber: gelehrt, immer wieder sehr berührend, sehr persönlich und weckt die Sensibilität für unsere tagtägliche Sprache mit ihren Bedeutungsnuancen, Absonderlichkeiten und ihrem historischem Gepäck. Es ist schon passend, dass Ó Siadhail erzählt, dass etymologisch „Glamour“ dasselbe Wort ist wie „Grammar“. Und diesen Glanz von Sprachen, dieses Funkeln von Worten, diesen Zauber von Formulierungen bringt er in viele seiner Gedichte.

Es ist lange her, dass ich Gedichte mit soviel Vergnügen gelesen habe.

Zum chinesischen Sprichwort 飲水思源 (yǐn shuǐ sī yuán, If you drink from the stream, remember the spring):
„Hunkering low on a bank
To cup handfuls of water,
Where to begin to thank?

Yellow River of a gene
Received, down-draft
Of words passed between

Generations, slow nurture
Of groves holding earth,
Allowing a scoop and curvature,

A brook’s scrape and groove,
Communities that nourished,
Gradual shapings of love.

Sudden opened floodgate.
Unstoppabe onrush of thanks.
The heart-memory in spate.

This stream takes up everything.
One sweet water.
Drink from a remembered spring.“

Dieser Gedichtband ist auch in Ó Siadhails „Collected Poems“ enthalten.

 

 

Brick: A world history. James W.P. Campbell, Will Pryce

Eine Geschichte des Backsteins und der Backsteinarchitektur: Warum nicht… Die Weltgeschichte der Bibliothek war schließlich auch sehr gut….

Nach dem Lesen des Buchs und Betrachten der Illustrationen: Man kann tolle Sachen machen mit Backstein – unter Anderem ein solches Buch produzieren!

James Campbell, Architekt und Architekturhistoriker am Queens‘ College in Cambridge (England), und der Fotograf Will Pryce, spezialisiert auf Architekturfotografie, sind ein durchaus maßloses Projekt angegangen, eine Weltgeschichte des Backsteins, maßlos wie die Zahl bisher verbauter Backsteine.
Dr. James W.P. Campbell, MA DipArch PhD (Cantab) RIBA IHBC FSA

Komplett gelungen ist ihnen das natürlich nicht, dafür ist die Geschichte zu lang, die Welt zu groß und der Backstein zu allgegenwärtig.

Ein beeindruckendes, abgerundetes, umfassendes und anregendes Buch haben sie geschrieben. Es ist chronologisch aufgebaut, beginnend ca. 10.000 v.Chr., mit Ausblick in die Zukunft, mit Architekturbeispielen aus Asien, Afrika, Nordamerika und Europa. Herstellung und Zusammensetzung von Backsteinen und Mörteln im Zeitverlauf werden adressiert, die Technik des Backsteinbaus, sozialgeschichtliche Aspekte dieser Handwerke und vor allem natürlich die Architekturen, die sich aus Backsteinen haben bauen lassen.

Die gewählten Beispiele sind gut und nachvollziehbar. Hierzu gehören Bauwerke wie die Zigurats in Mesopotamien, die große Mauer in China, das Rathaus in Siena, die Tempel von Pagan, die Kathedrale von Evry, die Kuppel des Doms in Florenz, Backsteingotik der Hanse, der Spaarndammerbuurt-Komplex in Amsterdam, das Chrysler Building in New York.

Die Illustrationen sind durchweg ausgezeichnet.
Die Texte geben einen recht guten Überblick über Epochen und einzelne Beispiele, reißen wichtige und spannende Themen an, zeigen Entwicklungslinien und -brüche auf. Zugleich sind sie die Achillesferse des Buchs. In der Kürze erschließt sich nicht jeder Absatz. Und das Lektorat hat bestimmt nicht alles gelesen (oder es ist ein seltener Fan gelegentlicher anakoluthischer Syntax….).


Dieser kleine Mangel wird aber wieder locker ausgeglichen durch die bibliographischen Hinweise, die ein weiteres gezieltes Tieferlesen ermöglichen.

In Summe: Sehr zu empfehlen, erst recht für den überschaubaren Preis, der für die gerade erschienene Ausgabe in Kompaktformat bei Thames & Hudson verlangt wird.

 

The glimpses of the moon. Edmund Crispin

„The glimpses of the moon“ ist Edmund Crispins letzter Krimi, geschrieben 1977, nach mehr als 25 Jahren Pause, ein Jahr vor seinem frühen Tod.  Crispin ist einer der unbekannteren (daher unten im Bild-Hintergrund…) Krimi-Autoren, die wir an anderer Stelle unseres Blogs bereits empfohlen haben.

Die Stärken Crispins sind in diesem letzten Roman alle noch zu spüren, die Kreativität, der Witz, das Vergnügen an Sprache, das leicht Durchgeknallte, auch die Fähigkeit zu ungewöhnlichen Plots. Leider merkt man, dass Crispin gesundheitlich wegen Alkoholproblemen sehr schwer angeschlagen war. So gerät der Krimi an etlichen Stellen etwas aus den Fugen; Beschreibungen werden zu lang und verlieren den Bezug zum Plot; Verfolgungsjagd folgt auf Verfolgungsjagd; die Charaktere werden nicht mehr recht dreidimensional; durch die zahllosen erzählerischen Mäander geht die Spannung verloren; Personen werden nicht mehr eingeführt und tauchen später nicht mehr auf; die Zitate zu Beginn eines jeden Kapitels passen nicht mehr und sind auch für sich allein nicht prägnant genug.
Entschädigt wird man durch die Schildkröte, die in keinem seiner anderen Romane vorkommt und den Krimi einzig macht, was sie – siehe Foto – zu wissen scheint….

Nicht zuletzt: Alleine schon für das gelegentliche Glitzern seines Sprachwitzes ist es gut, dass es diesen Krimi noch gibt.

„‚Yes, well now, as I was saying, Fen is a Professor, and from Oxford. He’s staying down here for part of his sabbatical, to write a book. It’s to be about the modern novel. The post-war novel, that is. The post-war British novel. (…)‘
‚Burgess, Anthony,‘ Fen instanced helpfully. ‚Amis, Kingsley. Lessing, Doris, Howard, E.J., Drabble, Margaret… Brooke-Rose, Christine.‘
‚Hysteron proteron,‘ said the Major.
‚I don’t know Hysteron’s work,‘ said Padmore. ‚But the others, of course, are all very – are all very -‚“

Gelesen habe ich eine amerikanische Ausgabe von 1978. Eine deutsche Übersetzung ist antiquarisch für kleines Geld (weniger als DM 1,95) zu bekommen.

 

 

 

 

The Islander. Tomás O’Crohan

Wieder ein (recht) unbekannter Klassiker, der mir in einem Buchladen in der Nähe von Clonmacnoise in Irland in die Finger gekommen ist: „The Islander“ von Tomás O’Crohan.

In Deutschland ist dieses Buch am bekanntesten durch die Übersetzung, die die Irland-Liebhaber und -Bekanntmacher Annemarie und Heinrich Böll aus der englischen Übersetzung unter dem etwas weinerlich-süsslichen-rudi-schuricke-artigen Titel „Die Boote fahren nicht mehr aus“ erstellt haben.

Übersetzung einer Übersetzung? Das Original ist in irischer Sprache verfasst: An tOileánach, und der Autor schreibt sich eigentlich auch anders: Tomás Ó Criomhthain. Bis 2012 gab es auch nur eine englische Übersetzung aus den 1930er Jahren eines „bereinigten“ Textes, denn das vollständige Original galt als zu bodenständig und zu direkt.

Tomás O’Crohan lebte von 1855 bis 1937 auf Great Blasket Island an der Südwestküste Irlands als Bauer und Fischer, war verheiratet und hatte zehn Kinder, von denen die meisten früh starben.
Great-Blasket-Island-2012.JPG

Great Blasket Island ist seit 1953 unbewohnt, und hatte auch kaum mehr als 150 Bewohner in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dennoch stammen immerhin drei Schriftsteller von dort: Tomás O’Crohan, Maurice O’Sullivan und Peig Sayers.

Das Buch von O’Crohan beschreibt in einer Art von autobiographischer Materialsammlung sein Leben auf der Insel – ungeschminkt, mit einer sehr klaren und einfachen, im irischen Original durchaus auch poetischen Sprache. „Einfach“ heißt in diesem Zusammenhang ganz eindeutig nicht „platt“, sondern dreidimensional und reflektiert, ohne Hochglanz, ohne Fassadenblenderei, sehr selbstbewußt, sehr eigenständig, bei aller Ferne des Erzählten von einer sehr unmittelbaren Nähe und Greifbarkeit. Sein Stil wurde beschrieben als „vivid, absorbing and delightful, full of incident and balance, fine observation and good sense, elegance and restraint“. Oder von jemand anderem: „It is a voice without buckles, without posies, without flowers, without fancies. It is a voice that cuts through all the crap (…).“

Das Buch beschreibt widrige Umstände. Es zeigt Würde, Heiterkeit, Spaß am Erleben und Erzählen, Durchhaltevermögen, Zusammenhalt und Streit, nicht zuletzt auch den Wert von Bildung: „My mother was carrying the turf so that she could send me to school when I was eight years of age.“ Das Buch befasst sich mit der Existenz des Menschen an sich.

Am häufigsten zitiert ein Satz aus dem letzten Kapitel:
„I wrote in detail about a lot of all our goings-on so that there’d be some recollection somewhere about them, and I have tried to describe the character of the people who were around me so that there might be an account of them after we’re gone, because our likes will never be here again.“

Ein Beispiel für die bodenständige Poesie O’Crohans:
„(…) some of us had a passion for the seas and the ocean, imbued with the sound of the wind that blew in from the seashore, beating in our ears every morning, clearing our brains and the dust from our skulls.“

Gelesen habe ich die englische Übersetzung von Garry Bannister und David Sowby von 2012 – die ich sehr empfehle inklusive der Einleitung.

Thunderball. Ian Fleming

Die Sommermonate sind ja auch die Zeit für leichtere Lektüre in der Hängematte. Und welch passenderen anderen Ort für Hängematten und eine Krimihandlung gibt es als die Bahamas? Und welcher Krimi kommt dann in Frage: Letztlich nur „Thunderball“ vom fliegentragenden Ex-Spion Ian Fleming mit James Bond als Hauptakteur.

Hauptsächlich hat mich allerdings die Frage umgetrieben, ob das intellektuelle Niveau der Romane mit dem der James Bond-Verfilmungen mithalten kann. Die gute (oder schlechte?) Nachricht: Der Roman übertrifft das Niveau sogar! Überzeugten Bond-Film-Fans ist also vom Lesen der Romane doch eher abzuraten.

Zugleich ist eine intellektuelle Überforderung aber tatsächlich nicht zu befürchten. Das geht schon daraus hervor, dass das Times Literary Suppplement rezensierte: „Good living, sex and violent action (…) ingenious plot and plenty of excitement.“

Beeindruckend die klare Fokussierung auf eine eher traditionelle männliche Zielgruppe, die durch das Rollenvorbild James Bond, attraktive junge Frauen, viele technische Details und passende Handlung bei Laune gehalten wird. Beruhigend, dass nicht ganz so viele Menschen ums Leben kommen wie im Film. Erfreulich,  dass der Plot anders als im Film nicht ganz so vorhersehbar linear auf den finalen Katastrophen-Showdown zuläuft. Schön, dass es das erwartete romantische Happy End (wenn auch mit leichtem ironischen Unterton?) gibt:
„The girl watched the dark, rather cruel face for a moment. Then she gave a small sigh, pulled the pillow to the edge of the bed so that it was just above him, laid her head down so that she could see him whenever she wanted to, and closed her eyes.“

„Thunderball“ ist der achte James Bond-Roman von Ian Fleming, erschienen 1961. Unter diesem Titel wurde er auch mit Sean Connery verfilmt und mit einem Oscar ausgezeichnet.
Thunderball - UK cinema poster.jpg

 

Springnight. Mícheál Ó Siadhail

Irische Schriftsteller erfreuen sich großer Beliebtheit; sogar manch irischer Dichter ist bekannt und erreicht recht erstaunliche Verkaufszahlen.  In Deutschland noch (fast) nicht im Licht der Aufmerksamkeit ist Mícheál Ó Siadhail, Jahrgang 1947, trotz mittlerweile zahlreicher Veröffentlichungen, zahlreicher Preise und sogar einer deutschen Übersetzung.

 

Ó Siadhail schreibt sowohl in englischer als auch in irischer Sprache. Neben seiner Dichterei hat er auch eines der besten Lehrbücher der irischen Sprache verfasst und genießt generell den Ruf eines ausgezeichneten Linguisten in akademischen Kreisen.

Seine Gedichte sind oft nicht einfach zu lesen und haben meistens mehrere ineinander verschränkte Bedeutungsebenen. Es lohnt sich, sie mehrfach zu lesen, besonders nach einer dazwischen geschobenen Phase des Darüber-Nachdenkens. Ó Siadhail scheint keine einfache gestrickte Person zu sein, und er versucht es seinen Leser nicht zu leicht zu machen: platt ist anders. Die Vielschichtigkeit vielleicht gut zu erkennen auf diesem Bild:

Sehr passend der Klappentext zu seinen „Collected Poems“ von 2013: „Micheal O’Siadhail knows desire, love, trust and wonder, while at the same time facing suffering, tragedy and loss. His life has always been a yearning for meaning, and these four decades of poems work both head and heart towards a ripe wisdom. They are not only richly personal – marriage, friendship, vocation, grief – but also engage with what matters in culture and society – music, language, city life and the dynamics of history. His deep roots are Irish but O’Siadhail’s scope is global. This is life lived to the full with jazz-like leaps and let-go where classical forms and variations make for playful freedom and innovation.“

Eines seiner sehr gut lesbaren Gedichte – „A note with flowers“ – für einen Eindruck:
„Another day stirs in me
Marred by the recollection
Of yesterday’s mean-mindedness.

Acquit me of malice. A flaw
In the make-up, a splitsecond
Throw-back to juvenility

Prevailed. Gallant flowers
Must chance a rebuff –
Bowing, ask for pardon:

The I acknowledges the thou.
Self-forgetting, the flowers submit –
Each inch now a mile;

Word too contentious, only
Mute repentance can redeem
Our intimacy. So let

This bunch, final resource
Of one contrite male,
Make silent amendment.“

Springnight, seine erste Gedichtsammlung in englischer Sprache, erschien 1983. In deutscher Sprache erschienen ist „Aus heiterem Himmel“ im Jahr 2001.

 

Darwin, his daughter and human evolution. Randal Keynes

Charles Darwin, einer der beiden Erfinder der Evolutionstheorie, erfreut sich unverändert großer Aufmerksamkeit, wie man nicht nur an der stetig wachsenden Anzahl von Biographien über ihn ablesen kann. In diese lange Reihe gehört seit 2001 auch dieses Buch über Darwin und die Humanität, seine Tochter und seine Familie, das ich letztens antiquarisch gekauft habe (obwohl es auch neu zu bekommen ist).

Vor die Frage gestellt: Sollte ich dieses Buch lesen, wenn ich schon eine andere oder noch keine Biographie Darwins gelesen habe? lautet meine Antwort: Ja.

Sie deckt alles ab, was man in einer Biographie über einen Forscher erwartet, inklusive seiner wesentlichen Veröffentlichungen. Sie ist sehr gut geschrieben und liest sich erfreulich flüssig. Sie ist von einem Ururenkel Darwins geschrieben und beinhaltet daher einiges an sonst nicht bekannter Familien-Folklore. Sie bietet eine ungewöhnliche Perspektive durch den starken Fokus einerseits auf Darwins Tochter Annie, die mit 10 Jahren wahrscheinlich an Tuberkulose gestorben ist, und andererseits auf die gesamte engere Darwin-Familie, die in anderen Biographien stärker in den Hintergrund tritt.

Vor allem ist das Buch aber bemerkenswert durch seine ausgesprochen warmherzige, menschliche und vorsichtige Schreibweise, die die Humanität Darwins und sein Denken über die Bedeutung des menschlichen Daseins sehr differenziert herausarbeitet – in den Worten Keynes‘: „This book explores Darwin’s life with his family and his thinking about human nature in the interweavings around Annie and her memory.“

Aufhänger des Buchs ist die Schreibbox Annies, die Keynes zufällig findet. In ihr finden sich Schreibmaterialien, Handarbeiten und auch die sehr berührenden Tagebucheinträge Darwins aus der Phase, in der Annie bereits sehr krank war. Es endet mit einem Zitat aus dem Erinnerungsschreiben, das Darwin eine Woche nach Annies Tod für sich selbst und seine Familie geschrieben hat: „Forty-five years before (vor ihrem eigenen Tod), Emma had gathered her keepsakes of Annie and put them away for herself. When Etty found Annie’s writing case after her mother’s death, and saw her sister’s things for the first time since their childhood, recollections of Annie came back to her with ’strange vividness‘. The words Charles used in his memorial of Annie to catch his memories of her work in the same way. ‚ She held herself upright, and often threw her head a little backwards, as if she defied the world in her joyousness.'“

Das Buch ist 2002 auch in deutscher Sprache erschienen und sehr günstig antiquarisch zu bekommen.

Es gibt also keinen Grund zu zögern.

Kai Lung’s golden hours. Ernest Bramah

Für mich die Entdeckung des Monats: Ernest Bramah,

von dem ich vorher noch nichts, aber auch noch gar nichts gehört hatte. Damit war ich jedoch gar nicht schlecht unterwegs und immerhin auf dem Stand des Concise Oxford Companion to English Literature: Kein Eintrag!

Vielleicht liegt diese offensichtliche Heimlichtuerei daran, dass Bramah unter anderem berühmt war für seine Detektivgeschichten um einen blinden Spion, Max Carrados, die damals in einem Atemzug mit Arthur Conan Doyle genannt wurden.

Jorge Luis Borges war da kritischer, aber gleich mit einem guten konstruktiven Tipp: „Bramah’s books fall into two very unequal categories. Some, fortunately the smaller part, record the adventures of the blind detective, Max Carrados. These are competent, mediocre books. The rest are parodic in nature: they pass themselves off as translations from the Chinese, and their boundless perfection achieved the unconditional praise of Hilaire Belloc in 1922.“
Deshalb habe ich keinen Thriller gelesen, sondern „Kai Lung’s Golden Hours“, den zweiten Roman der Kai Lung-Serie.

Kai Lung ist ein wandernder Geschichtenerzähler im China der Kaiserzeit. Der Aufbau des Buchs erinnert an 1001 Nacht oder auch an das Decameron mit dem typischen Wechsel aus Rahmenhandlung und eingebetteten Geschichten. Besonders und außergewöhnlich ist der Roman wegen seiner Sprache. Vielleicht inspiriert durch chinesische Bekannte in England hat er ein völlig überzeugendes Mandarin-Englisch entwickelt, das anschließend durchaus stilprägend war für literarische oder filmische Darstellungen von Chinesen. Ein Beispiel über eine finstere Gestalt mit Mafia-Ambitionen namens Ho:
„(…) Ho was already known in every quarter (…). This distressingly active person made no secret of his methods and intentions; for, upon his arrival, he plainly announced that his object was to make the foundations of benevolence vibrate like the strings of a many-toned lute, and he compared his general progress through the haunts of the charitably-disposed to the passage of a highly-charged firework through an assembly of meditative turtles. (…) ‚Honourable salutations,‘ he would say, ‚but do not entreat this illiterate person to enter the inner room, for he cannot tarry to discuss the movements of the planets or the sublime Emperor’s health. Behold, for half-a-tael of silver you may purchase immunity from his discreditable persistence for seven days (…).'“

Das liest sich schon ein wenig gestelzt. Dennoch ist der Roman literarisch tatsächlich gelungen, spannend, unterhaltsam und sehr gut geeignet, ihn an einem warmen Sommertag im Garten zu lesen. Für zitierfähige Aphorismen ist er dabei kaum zu übertreffen, zum Beispiel: „There are few situations in life that cannot be honourably settled, and without loss of time, either by suicide, a bag of gold, or by thrusting a despised antagonist over the edge of a precipice upon a dark night.“ Oder: „He who has failed three times sets up as an instructor.“ 

In England fand man die Kai Lung-Romane auch gelungen, so dass ich die immerhin 6. Auflage von 1928 lesen konnte. Und immer noch in Druck – trotz Missachtung aus Oxford.

Táin Bó Cúailnge from the Book of Leinster. Herausgegeben von Cecile O’Rahilly

Frühe irische Literatur ist wahrscheinlich auf der Popularitätsliste in Deutschland auf keinem Spitzenplatz zu finden. Das macht sie aber nicht unbedeutend, geht sie doch auf sehr alte mündliche Überlieferungen zurück und ist die erste europäische Literatur in Landessprache seit dem römischen Reich.
In dieser frühen irischen Literatur wiederum steht „Táin Bó Cúalnge“, auf deutsch „Der Rinderraub von Cooley“, ganz weit vorn.

Worum geht’s?
Der Klappentext fasst den Inhalt recht gut zusammen: „The Táin Bó Cuailnge, centre-piece of the eighth-century Ulster cycle of heroic tales, is Ireland’s greatest epic. It tells the story of a great cattle-raid, the invasion of Ulster by the armies of Medb and Ailill, queen and king of Connacht, and their allies, seeking to carry off the great Brown Bull of Cuailnge. The hero of the tale is Cuchulainn, the Hound of Ulster, who resists the invaders single-handed while Ulster’s warriors lie sick.“

Und warum ist das interessant?
Weil eine Welt dargestellt wird, die gut zu der in den homerischen Epen passt oder zu der in einigen heutigen nordafrikanischen Ländern, in denen der Besitz von Rindern, Rinderdiebstähle, Ehre und Krieg eine zentrale Rolle spielen. Rinder standen an der Spitze der Eigentumspyramide, vor Schweinen, Pferden, Schafen, Schmuck und Kleidung, zuletzt Gebrauchsgüter wie Geschirr. Weil viele Elemente dargestellt werden, die sehr gut das Bild ergänzen, das römische Schriftsteller um Christi Geburt von den Kelten gezeichnet haben. Weil die Sage einer offensichtlich  nicht christlichen Gesellschaft von irischen Mönchen rezipiert, verändert und aufgeschrieben wird. Wahrscheinlich auch, weil der Text zumindest in einer Rezension, der des  Buchs von Leinster – literarisch echte Qualitäten hat.

Wie muss man sich das vorstellen? Schon recht wild und sehr fremd und sehr gewaltsam, aber auch poetisch.  Hier ein Beispiel:
Is and sin cétríastarda im Choin Culaind co nderna úathbásach n-ilrechtach n-ingantach n-anachnid de. Crithnaigset a chairíni imbi immar chrand re sruth nó immar bocsimind ri sruth cach ball & cach n-alt & cach n-inn & cach n-áge de ó mulluch co talmain. Ro lá sáebchless díbirge dia churp i mmedón a chracaind. Táncatar a thraigthe & a luirgne & a glúne co mbátar dá éis. Táncatar a sala & a orccni & a escata co mbátar riam remi. Táncatar tullféthi a orcan co mbátar for tul a lurggan comba méitithir muldorn míled cech meccon dermár díbide. Srengtha tollféithe a mullaig co mbátar for cóich a muneóil combá métithir cend meic mís cach mulchnoc dímór dírím dírecra dímesraigthe díbide.“
Schon sehr anders als andere europäische Sprachen…. Auf Englisch:
„Then his first distortion came upon Cú Chulainn so that he became horrible, many-shaped, strange and unrecognisable. His haunches shook about him like a tree in a current or a bulrush against a stream, every limb and every joint, every end and every member of him from head to foot. He performed a wild feat of contortion with his body inside his skin. His feet and his shins and his knees came to the back; his heels and his calves and his hams came to the front. The sinews of his calves came on the front of his shins and each huge, round knot of them was as big as a warrior’s fist. The sinews of his head were stretched to the nape of the his neck and every huge, immeasurable, vast, incalculable round ball of them was as big as the head of a month-old child.“

Dem irischen Mönch, der die Sage aufgeschrieben hat, war die Sache nicht ganz geheuer. Zwar lautet der vorletzte Absatz auf Irisch: „A blessing on every one who shall faithfully memorise the Táin as it is written here and shall not add any other form to it.“ Aber dann weiter auf Latein: „But I who have written this story, or rather this fable, give no credence to the various incidents related in it. For some things in it are the deceptions of demons, others poetic figments; some are probable, others improbable; while still others are intended for the delectation of foolish men.“

Die in jeder Weise ausgezeichnete Ausgabe mit Originaltext und Übersetzung von Cecile O’Rahilly ist problemlos antiquarisch zu bekommen. Noch einfacher zu erhalten sind die Übersetzung einer anderen, früheren Fassung der Táin von Thomas Kinsella und eine Art originalnahe Nacherzählung von Ciaran Carson. In Deutsch findet sich leider nur eine Übersetzung von Ernst Windisch von 1905, und nach der muss man eine ganze Weile suchen.

 


 

Playback. Raymond Chandler

Verlässliche Krimis – Raymond Chandler mit Private Eye Philip Marlowe. Das weiß man aus den Verfilmungen mit Humphrey Bogart in der Rolle des Detektivs. Und die zugrunde liegenden Bücher bestätigen den Eindruck.

Keine schöne Welt, die Raymond Chandler beschreibt im schönen Kalifornien. Viel Alkohol, viel Gewalt, die Polizei korrupt, die Reichen und Mächtigen über dem Gesetz, verbaler Schlagabtausch statt Gespräche, Liebe beschränkt auf das Körperliche, die Anständigen sterben zuerst.

„Playback“ ist der letzte Philip Marlowe. Chandler hat ihn 1958 geschrieben.

Er passt sehr gut in die Reihe der sogenannten „hard-boiled“ Krimis mit ihrer Brutalität, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit:
„He had stood by the sink in his kitchen and knotted the rubber tube around his arm, then clenched his fist to make the vein stand out, then shot a syringe full of morphine sulphate into his blood stream. (…) Then he had laid the syringe down and released the knotted tube. It wouldn’t be long, not a shot directly into the blood stream. The he had gone out to his privy and stood on the seat and knotted the wire around his throat. By that time he would be dizzy. He could stand there and wait until his knees went slack and the weight of his body took care of the rest. He would know nothing. He would already be asleep.
I closed the door on him. I didn’t go back into the house. As I went along the side towards Polton’s Lane, that handsome residential street, the parrot inside the shack heard me and screeched ‚Quién es? Quién es? Quién es?‘
Who is it? Nobody, friend. Just a footfall in the night.
I walked softly, going away.“

Zugleich hat er aber überraschende, versöhnliche, sogar optimistische Töne, die in den anderen Romanen fast völlig fehlen:
„‚How can such a hard man be so gentle?‘ she asked wonderingly.
‚If I wasn’t hard, I wouldn’t be alive. If I couldn’t ever be gentle, I wouldn’t deserve to be alive.'“

Und ein Happy End?

Gelesen habe ich eine Penguin Ausgabe von 1963. Er ist unter demselben Titel auch in deutsch zu bekommen, nicht nur antiquarisch.